26. Oktober 2019 3 Likes

(Alb-)Traumpartner gesucht

John Marrs‘ „The One“ ist ein Near-Future-Roman in bester „Black Mirror“-Manier

Lesezeit: 3 min.

Sie sind überall. Im Fernsehen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, vor Youtube-Videos, auf Internetseiten: Anzeigen für Online-Singlebörsen. Die einen versprechen unkomplizierte Flirts, die anderen den Partner oder die Partnerin fürs Leben, nur hier „Bestätigen“ klicken, bitte. Auf Deutschlands größtem Datingportal registrieren sich täglich 12.000 neue Suchende. Ob der oder die Gefundene aber dann auch wirklich der oder die Richtige ist, stellt sich erst mit der Zeit heraus.

Aber gibt es den perfekten Partner überhaupt? Diese Frage stellt John Marrs in „The One“ (im Shop). Und diese Frage stellte sich seine Protagonistin Ellie als junge Wissenschaftlerin und sucht im menschlichen Genom danach. Die Sensation: Sie wird tatsächlich fündig. Liebe ist genetisch bedingt. Sie gründet das Portal „matchyourdna.com“ und macht damit allen Singlebörsen den Garaus: man schickt eine Speichelprobe von sich ins Labor, Match your DNA analysiert sie und zeigt einem sein Match, sobald sich die betreffende Person ebenfalls registriert hat. Mehr Menschen als je zuvor finden so ihre Seelenverwandten – doch das bedeutet noch lange nicht, dass damit alles in bester Ordnung ist.

Nick hat den Test nur gemacht, weil seine Verlobte Sally ihn dazu gedrängt hat. Es wäre doch schön, die große Liebe auch wissenschaftlich bestätigt zu bekommen, oder? Doch Nicks Match ist ein Physiotherapeut namens Alex. Wie kann das sein? Nick ist ganz sicher nicht homosexuell – doch als er unter falschem Vorwand einen Termin in Alex‘ Praxis ausmacht und seinem Match gegenübersteht, ist es um ihn geschehen. Jades Match Kevin lebt am anderen Ende der Welt. Sie skypen zwar täglich, aber irgendwann reicht das der jungen Engländerin nicht mehr. Sie fliegt spontan nach Australien, um Kevin endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen – nur um dann festzustellen, dass er Krebs im Endstadium hat. Wie soll sie weiterleben, nachdem sie ihren Seelenverwandten verloren hat?

Dieselbe Frage stellt sich auch Mandy, denn ihr Match Richard ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, bevor sie ihn kennenlernen konnte. Richards Mutter nimmt sie bei sich auf und macht ihr ein unwiderstehliches, wenn auch unmoralisches Angebot: Mandy könnte sich mit Richards Sperma, das sie vor Jahren in einer Samenbank eingefroren hat, künstlich befruchten lassen. Sie kann vielleicht nicht mit dem perfekten Partner zusammen sein, aber sie könnte sich so immerhin ein kleines Stückchen von ihm bewahren. Doch das größte Geheimnis hütet zweifellos Christopher: der charmante Londoner ist ein psychopathischer Serienmörder, der eine beispiellose Mordserie an jungen Frauen begeht. 30 Opfer sollen es werden, um ihn als größten Killer in der englischen Geschichte unsterblich zu machen. Er glaubt, dass er nicht in der Lage ist, jemanden zu lieben, und macht den Test aus reiner Neugierde. Tatsächlich gibt es Match für ihn: die so schöne wie toughe Polizistin Amy. Und auch Ellie, die Gründerin von Match Your DNA, findet endlich ihr Match. Zunächst scheint alles perfekt zu sein, doch nach und nach ergeben sich Unstimmigkeiten in seinen Geschichten. Als die schwerreiche Ellie ihre Privatdetektive anheuert, um ihren vermeintlichen Traummann genauer unter die Lupe zu nehmen, ist es bereits zu spät …

Nur, weil etwas wissenschaftlich erwiesen ist, heißt das noch lange nicht, dass es gegen menschliches Versagen (oder gar menschliche Manipulation) gefeit ist – und schon gar nicht, wenn Gefühle mit im Spiel sind. Machen Erkenntnisse aus der Genforschung unser Leben wirklich leichter, oder liefern sie uns faule Ausreden, indem sie uns eingeben, dass wir unser Schicksal nicht selbst in der Hand haben, weil wir unseren Genen ja doch nicht entkommen können? An diesen Fragen hangelt sich „The One“ in fünf Erzählperspektiven Cliffhanger für Cliffhanger entlang. Daneben geht es auch um Themen wie sexuelle Identität und Familienbilder, und dank Killer Christopher ist auch eine gehörige Portion Krimi mit dabei. Kurz: „The One“ liest sich wie eine Folge „Black Mirror“ und ist so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann!

John Marrs: The One • Roman • Aus dem Englischen von Felix Mayer • Wilhelm Heyne Verlag, München 2019 • 496 Seiten • als Paperback und E-Book erhältlich • Preis des E-Books: derzeit nur € 4,99 • im Shop • Leseprobe

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