21. Oktober 2016 1 Likes

Alien-Gewissen mit Chuck-Effekt

Gasförmige Aliens und Geheimagenten: Wesley Chus Roman „Die Leben des Tao“

Lesezeit: 3 min.

Wesley Chu wurde 1976 in Taiwan geboren und wuchs in den USA auf. Seinem Lebenslauf fügte er später ein Informatikstudium und Jobs als IT-Consultant, Banker, Schauspieler und Kung-Fu-Lehrer hinzu. 2013 veröffentlichte er seinen ersten Roman „The Lives of Tao“, der ihm den John W. Campbell Award als bester neuer Autor und den Alex Award der Young Adult Library Services Association einbrachte. Inzwischen kamen noch zwei weitere Bände hinzu, um die erste „Tao“-Trilogie abzuschließen und gleich die nächste anzustoßen. Außerdem startete Chu die „Time“-Serie, die Blockbuster-König Michael „Transfsormers“ Bay als Film adaptieren möchte. Es scheint also ein guter Zeitpunkt zu sein, um „Die Leben des Tao“ in der Übersetzung von Simone Heller auf Deutsch zu veröffentlichen.

Aber auch ohne die beiden Preise und Mr. Bays Pläne wäre der Roman ein einziges Vergnügen und ein echter Pageturner. Chu erzählt ohne Schnörkel, dafür mit hohem Suchtfaktor vom dicken, wenig ambitionierten Programmierer Roen Tan, der eines Tages durch puren Zufall in einen geheimen Alien-Krieg auf der Erde involviert wird. Denn die außerirdischen, gasförmigen Quasing sind bereits seit Millionen von Jahren auf unserem blauen Planeten gestrandet und brauchen für das symbiotische Überleben Wirte, in deren Körper und Gedanken sie sich einklinken können. Irgendwann setzten sie auf die Evolution unserer Spezies, und seither steuern sie die Geschicke der Menschheit und die Taten vieler großer Persönlichkeiten, egal ob Dschingis Khan, Napoleon oder Steve Jobs.

So wollen die Quasing, die ohne Wirtskörper nicht in der irdischen Atmosphäre überleben können, die Entwicklung der Menschen vorantreiben, damit diese irgendwann den technologischen Standard haben, der den Quasing die Rückkehr auf ihren Heimatplaneten ermöglicht. Die Frage, wie skrupellos man für das Erreichen dieses Zieles vorgehen soll, führte jedoch zur Spaltung der Quasing, und deshalb bekriegen sich die zerstrittenen Fraktionen unerbittlich mit ihren menschlichen Geheimagenten, die sie wie eine Stimme im Kopf anweisen. Tao ist einer der erfahrensten und wichtigsten Quasing-Vertreter, die nur wegen des eigenen Hungers nach Fortschritt keine Kriegstreiber sein wollen. Als er seinen bestens ausgebildeten Wirt Edward bei einer Mission verliert, kann er nicht anders und muss sich unplanmäßig mit Roen Tan verbinden. Den mutlosen Fast-Food-Freak auf Vordermann zu bringen und zu einem einigermaßen einsatzfähigen Spion im gnadenlos geführten Krieg der Quasing auszubilden, erfordert viel Arbeit. Zum Glück helfen Tao die schöne Agentin Sonya und ein alter Tai Chi-Meister …

Das klingt vielleicht nach anspruchsloser, actionfokussierter SF-Durchgangslektüre, ist allerdings jederzeit äußerst packend, spannend und sympathisch geschrieben. Wesley Chu drückt auf die richtigen Knöpfe und versteht es obendrein, sich den „Chuck-Faktor“ zu nutze zu machen. Wer es nicht mehr weiß: Chuck, das war der liebenswerte Nerd, der von einem knurrigen NSA-Profikiller und einer wunderhübschen CIA-Agentin zum Top-Spion ausgebildet werden musste, weil sich in seinem Kopf das fortschrittlichste Geheimdienstarchiv der Welt befand. Wer „Chuck“ mochte und noch immer weit oben auf der Liste seiner liebsten Fernsehserien führt, wird an Roens Werdegang vom unbrauchbaren Nobody zum unsicheren Geheimagenten mit überlegenem Alien-Gewissen eine Menge Spaß haben.

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass man dieses Jahr interessantere, ideenreichere, klügere, anspruchsvollere und sprachgewaltigere Science-Fiction-Romane als „Die Leben des Tao“ gelesen hat oder noch lesen wird – einen, der mehr Vergnügen bereitet, dessen Seiten man schneller umblättern möchte, der witziger und fesselnder ist und wegen dem man sich noch bereitwilliger die halbe Nacht um die Ohren schlägt, aber wahrscheinlich nicht. Gut, dass die Fortsetzung „Die Tode des Tao“ schon für Ende November bereit steht.

Wesley Chu: Die Leben des Tao • Fischer Tor, Frankfurt 2016 • 432 Seiten • Taschenbuch: 9,99 Euro

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