Der Krieg um Amerika
Omar El Akkads endzeitlicher Roman „American War“ auf Deutsch
Omar El Akkad wurde 1982 im ägyptischen Kairo geboren und verbrachte seine Kindheit im Mittleren Osten und in Kanada. Heute lebt der Absolvent der Kingstoner Queen’s University mit seiner Familie in den USA. Außerdem reist er als preisgekrönter investigativer Journalist seit über zehn Jahren zu den Brennpunkten unserer Welt: Ins ewige Kriegsgebiet in Afghanistan, zu den Militärprozessen in Guantanamo, ins Epizentrum des arabischen Frühlings oder in die amerikanische Stadt Ferguson, nachdem dort Michael Brown von einem Polizisten erschossen worden war. In seinem ersten Roman „American War“ stürzt El Akkad die Vereinigten Staaten der Zukunft in einen zweiten amerikanischen Bürgerkrieg, der das Land und die Seelen der Menschen zerfetzt. Jetzt ist das Buch in der Übersetzung von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié auf Deutsch erschienen.
Zwischen den Jahren 2074 und 2095 tobt in den USA ein neuerlicher Bruderkrieg. Schon zuvor haben sich das Antlitz der Welt im Allgemeinen und des amerikanischen Kontinents im Besonderen verändert: Gewaltige Stürme und der steigende Meeresspiegel tragen Jahr um Jahr die Küstenlinie ab und treiben die Menschen kolonnenweise weiter ins Landesinnere, währen Kanada und Mexiko ihre Grenzen ebenfalls verschoben haben. In den USA gehen zudem der Norden und der Süden aufeinander los, weil die Südstaaten wegen des Klimaschutzes nicht auf ihre Benzinfahrzeuge verzichten wollen. Der Konflikt eskaliert, der Präsident der Union im Norden kommt bei einem Attentat ums Leben, und Terroristen setzen sogar eine Seuche frei, deren Wüten 110 Millionen Menschen tötet. Sara T. „Sarat“ Chestnut aus Louisiana wird bereits in ganz jungen Jahren mit ihrer Familie in die Wirren des zweiten Bürgerkriegs gezogen. In einem Flüchtlingslager an der Grenze zwischen Nord und Süd reift sie zur Frau und machen sie die Grausamkeiten des Krieges schließlich zu einer tödlichen Soldatin und erbitterten Rebellin, die irgendwann nur noch für den Krieg, die Rache und den Hass lebt.
Obwohl man über den unzutreffenden Vergleich, den die „New York Times“ mit Cormac McCarthys „Die Straße“ und Suzanne Collins „Die Tribute von Panem“ zog, nur den Kopf schütteln kann, ist „American War“ natürlich trotzdem ganz klar Science-Fiction-Literatur, und mit Sicherheit keine schlechte – allerdings auch ganz klar das, was man vielleicht lieber als Hochliteratur denn als Genreliteratur bezeichnet, und am Ende keineswegs makellos. Während das Szenario und seine Umsetzung jederzeit zu überzeugen wissen, fehlt es hier und da an einer echten, innigen Verbindung zu Sarat. Für eine so dominante Protagonistin fiebert und leidet man viel zu selten richtig mit. Da gibt es Bücher mit weit weniger Anspruch und Gehalt, deren Hauptfiguren einem dafür umso mehr am Herzen liegen. Sarat ist eher das Beispiel oder, noch besser, das Vehikel, mit dem man das brutale neue, geteilte Amerika im Krieg erkundet, das El Akkad zwischen den Erzählkapiteln noch mit fiktiven Berichten und Protokollen Gestalt annehmen lässt – sogar ein teilweise geschwärzter bzw. zensierter Brief aus einem Gefangenenlager gehört zum stilistischen Repertoire des Journalisten als Romancier.
Es wäre zu leicht, Omar El Akkads Werk einfach nur als den perfekten Zukunftsroman für die Ära von Trump und dem Terror zu bezeichnen. Das würde weder dem Buch gerecht werden, noch dem bedenklichen Gesamtzustand unserer Welt. Dazu kommt, dass El Akkad immer wieder betont, dass es in seinem Roman nichts gibt, das so nicht irgendwo auf der Welt tatsächlich bereits passierte oder gerade passiert. Er hat lediglich all die Schrecken und Probleme gebündelt auf das zukünftige Amerika projiziert und losgelassen, das unter diesem Ansturm einen endzeitlichen Kollaps erlebt, derweil das Land im Bürgerkrieg von Morgen in immer kleinere Einheiten zerfällt. „American War“ versteht sich also als eine düstere Sezessions-Dystopie, aber noch mehr als eine Bestandaufnahme unserer globalen Gegenwart und ihrer unmenschlichen Ausnahmezustände, ja als eine mahnende Auseinandersetzung mit den zentralen Krisen-Schlagworten von Heute: Krieg und Bürgerkrieg, Terror und Anschläge, Folter, Rebellen, Regierungstruppen, Klimakatastrophen, Flüchtlingscamps.
Selbst wenn man nicht versucht, „American War“ auf Biegen und Brechen mit Präsident Donald Trump und dem vielerorts prophezeiten Niedergang der jetzigen USA zu verknüpfen, ist Omar El Akkads Debüt noch immer das schmerzlich richtige Buch zur richtigen Zeit.
Omar El Akkad: American War • S. Fischer, Frankfurt 2017 • 445 Seiten • Hardcover: 24,00 Euro
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