22. April 2022 2 Likes

„Die F*ck-it-Liste“ von John Niven

Ein satirischer Rachethriller über Trumps Amerika des Jahres 2026

Lesezeit: 3 min.

[Repost des Artikels vom 15. Oktober 2020 aus Anlass der Taschenbuchveröffentlichung.]

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Der bekannte schottische Autor John Niven (im Shop) – nicht nur Douglas Coupland ist ein Fan – hat schon so einige sehr coole Romane geschrieben: Das fiese Lieblingsbuch „Coma“ über das Golfen und das organisierte Verbrechen in Nivens Geburtsland. Den lustigen Krimi „Old School“, in dem Rentner zu Bankräubern mutieren müssen. „Gott bewahre“ über die Wiederkehr von Superstar Jesus, wobei das moderne Amerika der Casting Shows und der Republikaner schon 2011 nicht allzu gut weg kam. Und natürlich „Kill Your Friends“ um die dekadenten Abgef*cktheiten der Musikbranche, geschildert vom zum-totlachen-fiesen und hyper-zynischen Widerling Steven Stelfox, der jede Antihelden-Skala sprengt. Bereits in dessen Sequel „Kill ’em All“ zelebrierte Stelfox 2018 The Donald und die Ära Trump, die wie gemacht schien für einen sexistisch-kapitalistischen Mistkerl von Stelfox’ Format. Das hat John Niven aber nicht gereicht. Denn pünktlich zu den entscheidenden Wahlen in Amerika liegt nun Nivens neuer Roman „Die F*uck-it-Liste“ auf Deutsch vor (im Shop), und der führt in eine völlig vertrumpte Zukunft …

Das Leben von Frank Brill ist gepflastert mit schlechten Entscheidungen und echten Tragödien. 2026 wird beim ehemaligen Chefredakteur einer Kleinstadtzeitung auch noch Darmkrebs diagnostiziert. Seinem amerikanischen Heimatland geht es trotz selbstfahrender Fedex-Zustellfahrzeuge ebenfalls nicht gut: In seiner zweiten Amtszeit gab Präsident Donald Trump den Staffelstab an Tochter und Vizepräsidentin Ivanka ab, die bei den nächsten Wahlen dann zur ersten US-Präsidentin gewählt wurde. Amerika stürzte sich in einen Krieg mit dem Iran, um ans Öl zu kommen, und warf eine Atombombe auf Nordkorea, plant aber bereits den Wiederaufbau des verseuchten Landes in 50 Jahren. Die Waffengesetze der Vereinigten Staaten sind ein Witz, Amokläufe und Massenmode gehören zum Alltag, die Medien sind alle gleichgeschaltet, ultrakonservative Rechte prosperieren, die Polizei geht brutal gegen illegale Migranten, Demonstranten und Bürger mit Smartphone-Kameras vor, die Mauer wächst Abschnitt um Abschnitt, für Dealer soll die Todesstrafe eingeführt werden, und in einigen Bundesstaaten sind Abtreibungen verboten. Frank Brill hat das alles satt und einige Rechnungen offen. Und weil er wegen seiner Krebserkrankung nichts mehr zu verlieren hat, bricht er zu einem Road-Trip auf und arbeitet als totgeweihter Rächer seine ganz persönliche F*ck-it-Liste ab, deren Namen immer prominenter werden. Doch ein korrupter Cop, der Trump Sr. vergöttert, ist Frank auf den Fersen …

„Die F*ck-it-Liste“ ist nicht so haudrauf-lustig wie die grandiosen Stelfox-Romane und auf andere Weise bissig, derb und böse, die Frequenz der Schläge einfach anders. Dazu kommt, dass der neueste Roman des 1966 geborenen John Niven vom Konzept und Stil her stets an einen Pulp-Krimi der alten Schule erinnert, der sich allerdings dieser reißerischen Tradition gemäß auch weg liest wie nichts und immer unterhält. An der Front der satirischen Science-Fiction überzeugt Niven zudem komplett. Der Schotte versteht es, die Gegenwart zu überschreiten und die Ära Trump bis Anfang 2019 in seiner düsteren Vision für die USA zu überzeichnen, wofür er nie viel Raum braucht. Hier zeigt sich jedoch auch, wie schnell selbst Zukunftsliteratur über nur die nächsten Jahre ‚eingeholt‘ werden kann. Corona ist so präsent, dass wir den mit atomaren Drohungen gewürzten Stress zwischen den USA und Nordkorea fast schon wieder vergessen haben. Unnötige Polizeigewalt und propagandistische Realitätsverzerrungen sind im Frühjahr (bei Erscheinen des Originals) und im Oktober (bei Veröffentlichung der deutschsprachigen Übersetzung) kurz vor der wichtigen Wahl in den Vereinigten Staaten dagegen sehr wohl noch absolut präsent.

John Niven hat drastischere und witzigere Romane geschrieben – dennoch nimmt er den amerikanischen und politischen Zeitgeist aus Trumps erster Amtszeit mithilfe seines kurzweiligen, bissig-satirischen Rachethrillers treffsicher aufs Korn. Science-Fiction-Fans freut dabei besonders, dass Mr. Nivens düstere Hochrechnung der Gegenwart so überzeugt.

Jetzt warten wir bald bang auf die erste reale Hochrechnung …

Autorenfoto: © Erik Weiss

John Niven: Die F*ck-it-Liste Heyne Hardcore, München 2020 • 320 Seiten • Erhältlich als Hardcover, eBook und Taschenbuch • Preis des Taschenbuchs: 12,– €

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