16. April 2024

„Die Vorhersage“ von Nikki Erlick

Wenn die Menschen erfahren, wie lange ihre Lebensfäden noch sind ...

Lesezeit: 3 min.

[Repost des Artikels vom 2. Januar 2023 aus Anlass der Taschenbuchveröffentlichung.]

Es lebt sich besser, wenn man nicht so viel an die Endlichkeit des Lebens denkt – oder schätzt man mit Scheuklappen die Zeit, die man hat, nicht genug? Und was, wenn man wüsste, wie lange das eigene Leben noch dauert, wann man sterben wird? Oder eine geliebte Person? Wie würde dieses Wissen ein jedes Leben, aber auch das Leben aller Menschen als Gemeinschaft verändern? Genau diesen Fragen geht die amerikanische Autorin Nikki Erlick in ihrem Romandebüt „Die Vorhersage“ (im Shop) nach, das es bis auf die „New York Times“-Bestsellerliste schaffte, zum Liebling der Buchclubs in den USA wurde und seither einen Siegeszug in beinahe zwanzig Sprachen rund um die Welt angetreten hat.

Die Welt ist es, die sich in „Die Vorhersage“ ohne Vorwarnung höchst dramatisch verändert. Denn ohne eine Erklärung zum Warum oder der Herkunft, stehen eines Morgens plötzlich kleine Holzkisten vor jeder Haustür, jeder Wohnungstür, jedem Zelteingang. Alle Menschen über 22 können durch Öffnen ihrer Kiste erfahren, wie lange ihr Lebensfaden noch ist – wortwörtlich. Jede Kiste enthält nämlich einen Faden, der die Länge des Lebens anzeigt. Schock, Unglaube, Ablehnung, Wut, Akzeptanz – die Leute durchlaufen die üblichen Stadien, während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestätigen, dass die Fäden echt sind. Es gibt durch Studien sogar Messsysteme, um die Länge bzw. Kürze des eigenen Fadens einschätzen zu können. Manche Menschen verweigern sich der Kisten und schieben sie unters Bett oder werfen sie in den Müll, andere krempeln ihr Leben radikal um. Außerdem spaltet sich die Gesellschaft in „Kurzfäden“ und „Langfäden“. Die einen brauchen Selbsthilfegruppen oder mitfühlende Briefwechsel mit Fremden, andere laufen im Krankenhaus Amok oder werden zu Helden. Und ein US-Präsidentschaftskandidat nutzt die Spaltung und die Aufregung, um seine konservativen Träume von Macht zu verwirklichen …


Nikki Erlick

Nikki Erlick studierte an der Harvard University und der Columbia University. Danach schrieb sie für das „New York“-Magazin, „Newsweek“, „Cosmopolitan“, die „Huffington Post“ und andere, derweil sie als Reiseschriftstellerin ein Dutzend Länder besuchte. Darüber hinaus war sie schon als Ghost Writerin für Geschäftsleute und Akademiker tätig. Ihr erfolgreicher Romaneinstand „Die Vorhersage“ streift mit seinen verknüpften Einzelschicksalen einige Genres zwischen Dystopie und Romantik. Vor allem ist es jedoch ein Buch wie gemacht für die 2020er: Wir alle haben live miterlebt, was es bedeutet, in einem Davor und einem Danach zu leben – wie ein globales Ereignis Gesellschaften spalten kann, generell soziale und politische Extreme oder sogar Zerwürfnisse fördert. Zumal Krieg und Klimawandel einen ebenfalls nachdenklich, unbehaglich in die Zukunft blicken lassen und der Verlust der (digitalen) Privatsphäre schon vollzogen ist. Unter diesen sehr realen, sehr aktuellen Eindrücken spricht „Die Vorhersage“ trotz der recht amerikanischen Perspektive dann auch eine breite Zielgruppe an, völlig unabhängig davon, ob Science-Fiction-Fans oder nicht. In Sachen Genreliteratur reiht sich Erlick in der Nähe von John Marrs (im Shop) ein.

Nikki Erlick: Die Vorhersage • Roman • Aus dem Amerikanischen von Sabine Thiele • Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • 480 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch, Hardcover, eBook und Hörbuch Download • Preis des Taschenbuchs: € 13,00 •  im Shop 

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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