20. Dezember 2014 2 Likes

Tierisch außergewöhnliche Symbiose

Lauren Beukes preisgekrönter Roman „Zoo City“

Lesezeit: 3 min.

Lauren Beukes’ mit dem Arthur C. Clarke Award ausgezeichneter Roman „Zoo City“ aus dem Jahre 2010, der gerade bei Rowohlt Polaris als schön aufgemachte Klappenbroschur mit dem herrlichen Covermotiv der englischen Ausgabe auf Deutsch erschienen ist, spielt nicht nur in einer alternativen Version von Johannesburg oder in der Welt von Coca-Cola sucht den Superstar und GTA VI: Zootopia. Darüber hinaus spielt „Zoo City“ in der Welt der Getierten, auch Zoos genannt – Menschen, die eine Straftat begangen haben und dafür mit einer geringfügigen magischen Gabe verflucht und einem ständigen tierischen Begleiter gezeichnet werden. Ob das nun theologische bzw. schamanische Gründe oder gar mit atomarer Strahlung zu tun hat, ändert nichts an dem seit den 80er-Jahren bekannten Phänomen – oder seinen Konsequenzen.

Im Fall von Ich-Erzählerin Zinzi December heißt das, dass sie ein Talent dafür hat, verlorene Dinge wiederzufinden, und dass sie jeden Tag ein Faultier auf dem Rücken durch die Gegend trägt – die Verkörperung des Gewichts ihrer Sünden als Junkie und Mörderin und ein für alle gut sichtbares animalisches Stigma, besonders in ihrer Heimat Südafrika, wo trotz allem Fortschritts und aller Modernität der Glaube an Geister nach wie vor einen hohen Stellenwert und eine große Macht besitzt. Zinzi, von einer Schicht aus Zynismus und Toughness überzogen, hält sich wacker in ihrem Leben als Zoo. Sie arbeitet ihre Drogen-Schulden ab, indem sie vermisste Dinge gegen eine Gebühr wiederfindet und einem Cyber-Gangster beim Mail-Betrug leichtgläubiger Gutmenschen hilft. Doch dann führt ein Fall zum nächsten, und letztlich verbirgt sich hinter der Suche nach einem Musik-Sternchen etwas Größeres, Finstereres …

Wie ihr starker Zeitreise-Serienkiller-Thriller „Shining Girls“, bietet auch Beukes’ „Zoo City“ keinen allzu leichten Einstieg. Denn die südafrikanische Autorin, die neben ihren Romanen schon in den Bereichen Film, Fernsehen und Comic gearbeitet hat, wirft ihren Leser direkt in ihr reizvoll andersartiges Südafrika-Setting, und selbst im weiteren Verlauf des Romans führt Beukes die erklärenden Puzzleteile stets später denn früher zusammen. Der leicht unrhythmische Plot zeigt außerdem einmal mehr, dass es in Noir-Krimis nicht unbedingt auf die Story oder deren Ausgewogenheit ankommt. Die Charaktere, die Hintergründe, die Stimmung, die Dialoge und die einzelnen Szenen definieren die Wertigkeit, und hier kann Beukes erneut in allen Bereichen punkten mit ihrem ungewöhnlichen Mix aus Noir-Krimi, südafrikanischer Kultur, innovativer Urban Fantasy und einem Hauch Cyberpunk. „Zoo City“ ist wie die Beziehung von Zinzi und dem eher schweigsamen, sympathischen Faultier – eine auf den ersten Blick befremdliche Symbiose, die jedoch vorzüglich funktioniert, je mehr man von ihr sieht.

Der von William Gibson (mehrere Bücher im Shop), Cory Doctorow (mehrere Bücher im Shop) und Ben Aaronovitch gleichermaßen gelobte Roman ist kein einfaches Buch, das den Leser auf den ersten Seiten im Sturm erobert. Zinzi December durch ihr Alternativ-Johannesburg – über das Trümmerfeld ihres alten Lebens und durch das Minenfeld ihres neuen Lebens – zu begleiten, ist zwischendurch ganz schön anstrengend. Aber eben auch immer faszinierend, fesselnd und absolut außergewöhnlich. „Zoo City“ ist inhaltlich und stilistisch ein sperriger Roman – und ein immens lohnenswerter, wenn man auf ausgefallene Bücher steht und ein Genre-Werk lesen möchte, das so originär und dabei so weit weg vom glattgebürsteten Mainstream ist, wie nur möglich.

Lauren Beukes: Zoo City • Rowohlt, Reinbek 2014  • 365 Seiten • € 14,99

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