Total lockere Zeitreise
Verrückte Odyssee durch die Zeit: Neil Gaimans neues Kinderbuch
Im Sommer 2012 gab Verlagsriese Harper Collins bekannt, einen Deal über fünf neue Bücher mit Superstar und Bestseller-Garant Neil Gaiman abgeschlossen zu haben, dem alternden Quasi-Rockstar unter den Fantastik-Virtuosen und Comic-Neuerern. Der Douglas-Adams-Biograf, träumerische Schöpfer der revolutionären Panel-Saga „Sandman“ und Prosa-Autor von zahlreichen überragenden Kurzgeschichten und Romanen hat also endlich wieder ein paar Werke verfasst, darunter das Kinderbuch „Fortunately, the Milk…“, das beim Würzburger Arena Verlag gerade unter dem kuriosen Titel „Die verrückte Ballonfahrt mit Professor Stegos Total-locker-in-der-Zeit-Herumreisemaschine” erschienen ist.
Dieses lächerliche Ungetüm von einem Buchtitel muss man nun wirklich nicht ins Herz schließen, und vielleicht muss man es gar bemitleiden – aber es kleidet die Verrücktheit der Geschichte gar nicht mal so schlecht in Worte. Darum geht’s im Buch für Leser ab neun Jahren: Mama ist fort, und Papa zieht los, um Milch fürs Frühstück der Kids zu besorgen. Allerdings ist er ziemlich lange unterwegs und erklärt das mit einer abenteuerlichen Münchhausen-Geschichte für seinen Nachwuchs: Mit einer hanebüchenen Geschichte über Zeitreisen, Piraten, Vulkan-Götter, Insulaner, Vampire, Aliens, intergalaktische Dino-Polizisten und einen Stegosaurier-Professor mit einem Heißluftballon, der in Wahrheit – natürlich – eine Zeitmaschine ist…
Im englischen Original kamen sogar zwei Versionen des schmalen Büchleins heraus: Während die britische Fassung von Chris Riddell illustriert wurde, kümmerte sich für das amerikanische Pendant Comic-Künstler Skottie Young um die Bebilderung, der jüngst ein halbes Dutzend Oz-Romane von L. Frank Baum für Marvel adaptiert hat und der gerade erst als Autor und Zeichner einer neuen Solo-Serie für den Guardian-of-the-Galaxy und designierten Leinwandhelden Rocket Raccoon bekanntgegeben wurde. Arena entschied sich für die britische Variante und somit die Illustrationen von Chris Riddell (PDF-Leseprobe mit Bildern). Das kann man angesichts des Skottie-Young-Booms und Youngs wild-andersartigem Strich schade finden – angesichts des hiesigen Erfolgs der „Klippenrand-Chroniken“, an denen Riddell beteiligt gewesen ist, ergibt es jedoch allemal Sinn, und zu Arenas bisherigen Gaiman-Büchern passt es auch (Gaimans verspukt großartige Kipling-Hommage „Das Graveyard-Buch“ ziert auch ein Riddell-Cover). Außerdem sind Mr. Riddells Illustrationen de facto tatsächlich ein bisschen näher am Text, derweil der Vater in der Story bei ihm sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit dem jungen Mr. Gaiman hat.
In dessen Story blitzt unterdessen ab und an durchaus die typische Gaiman-Brillanz auf. Am Ende ist „Die verrückte Ballonfahrt …“ aber doch bestenfalls ein netter Snack für Gaimain-Anhänger, um die Zeit zu überbrücken, bis dieses Jahr zum Beispiel noch die deutsche Ausgabe des tollen Romans „The Ocean At The End Of The Lane“ veröffentlicht wird. Und selbstverständlich ist das dünne Buch – ein echtes Jungsbuch wohlgemerkt, obwohl auch ein paar kleine Ponys drin vorkommen – perfekt geeignet, um junge Leser für Gaimans Werk und generell abenteuerliche Lektüre dieser Art zu begeistern. Das junge Zielpublikum wird diese turbulente, rasante Science-Fiction-Achterbahnfahrt mit Sicherheit lieben, ob selbst gelesen oder vorgelesen.
Und immerhin: Die Milch ist heil geblieben.
Neil Gaiman, Chris Riddell (Illustr.): Die verrückte Ballonfahrt mit Professor Stegos Zotal-locker-in-der-Zeit-Herumreisemaschine • Arena Verlag, Würzburg 2014 • 160 Seiten • €9,99
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