26. Mai 2014 1 Likes

Serienkiller auf Zeitreise

Lauren Beukes Science-Fiction-Thriller „Shining Girls“

Lesezeit: 3 min.

Die 1976 in Johannesburg geborene Lauren Beukes machte ihren Abschluss in kreativem Schreiben und arbeitete anschließend zehn Jahre lang als Journalistin. 2005 veröffentlichte sie mit dem Sachbuch „Maverick: Extraordinary Women From South Africa’s Past“ ihr erstes längeres Werk als Autorin und arbeitete parallel an Drehbüchern für Disney und das Zeichentrickstudio Clockwork Zoo. 2008 erschien Beukes’ in Johannesburg spielendes Cyberpunk-Romandebüt „Maverick“. Für ihr ebenfalls in einer alternativen südafrikanischen Zukunft angesiedeltes SF-Hardboiled-Gemisch „Zoo City“ wurde sie 2010 mit dem Arthur C. Clarke Award ausgezeichnet. 2011 verbuchte Beukes mit ihrem Dokumentarfilm Glitterboys & Ganglands über einen Transsexuellen-Schönheitswettbewerb einen Achtungserfolg als Regisseurin. Für DC Comics textete Beukes, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Kapstadt lebt, darüber hinaus den tollen zweiten Band des „Fables“-Spin-Off „Fairest“ sowie ein paar Kurzgeschichten, die in diversen Anthologien erschienen.

In ihrem ersten auf Deutsch veröffentlichten Roman „Shining Girls“ bei Rowohlt erzählt Beukes nun von Lee Harper, einem gewalttätigen Halunken und Herumtreiber im Chicago der 1930er Jahre. Als Harper sich wieder einmal auf der Flucht befindet, wird er buchstäblich gerufen und berufen – von einem Haus, das es ihm ermöglicht, in anderen Zeiten und Epochen zur Tür hinaus zu spazieren, wie es ihm beliebt. Der Preis für diese unglaubliche Möglichkeit? Der wahnsinnige Harper muss durch die Zeit reisen und ganz bestimmte Mädchen ermorden; muss Trophäen als Tribut ins Haus zurückbringen und dafür anachronistischen Nippes bei den Leichen deponieren. Es beginnt mit dem ersten Shining Girl, einer Tänzerin, die mit leuchtender Körperfarbe arbeitet. Eines seiner späteren Opfer soll 1989 hingegen die eigensinnige junge Kirby sein. Doch sie überlebt Harpers brutalen Angriff gerade so und wird Praktikantin bei der Chicago Sun, um den unauffindbaren Frauenmörder mithilfe des Zeitungsarchivs und des abgehalfterten Reporters Dan zur Strecke zu bringen …

Die Idee zur Kombination von Serienkiller-Thrill und Timetravel-Science-Fiction kam Lauren Beukes während einer Twitter-Diskussion. Rasch löschte sie deren Verlauf, um sich intensiv mit dem Gedanken zu befassen und schließlich tatsächlich ihren neuesten Roman daraus zu machen. Dieser brachte ihr nach Lobeshymnen von SF-Größen wie William Gibson oder Cory Doctorow für ihre vorherigen Werke am Ende auch noch eine Empfehlung von Spannungspapst Stephen King ein, der „Shining Girls“ in der Times als seine Ferienlektüre enthüllte.

In ihrer ungewöhnlichen Genre-Melange kommt Beukes zwei ihrer Zunftgenossinnen außerdem ganz nahe: Vom Ton her Megan Abbott, die dem modernen amerikanischen Krimi eine starke weibliche Stimme gegeben hat. Und von der Mechanik her Audrey Niffenegger, die mit „Die Frau des Zeitreisenden“ immerhin nicht mehr und nicht weniger als einen der besten Zeitreise-Romane aller Zeiten verfasst hat.

Ein echtes Manko hat Kirbys Jagd auf Harper allerdings trotz dieser Verbindungen: Der Roman funktioniert auf den ersten 100 Seiten nur, wenn man vorab den Klappentext liest. Ohne diese Einstiegshilfe und diesen Erklärungsvorsprung wäre man angesichts der nicht-chronologischen, fragmentartigen Kapitel anfangs ziemlich aufgeschmissen, obwohl einem der Stil, die Stimmung und die Figuren auch dann schon gefallen würden.

Dennoch ist Lauren Beukes’ „Shining Girls“, dessen Filmrechte sich übrigens die Produktionsfirma von Leonardo DiCaprio gesichert hat, schon jetzt eines der mutigsten Science-Fiction-Bücher des Jahres, mit dem man auf Deutsch nicht unbedingt rechnen durfte. Chapeau, Rowohlt, selbst wenn es wieder einmal der Thriller-Tarnung für einen SF-Roman bedurfte!

Jetzt vielleicht noch „Zoo City“, irgendwer?

Lauren Beukes: Shining Girls • Rowohlt, Reinbek 2014  • 400 Seiten • € 14,99

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