21. September 2024

„Bis hierin und wie weiter?“ – Zurück bleiben nur Bilder

Hoffentlich nicht die letzte Generation

Lesezeit: 3 min.

Bis hierhin und wie weiter?“ irritiert vor allem durch den Umstand, dass man 90 Minuten lang jungen Idealisten beim absolut berechtigten Kampf für eine bessere Zukunft zusieht, der Dokumentarfilm mit einem sanften Hauch von naivem Optimismus endet, einem nach dem Blick in die Nachrichten aber wieder bewusst wird, dass aktuell so einiges anders ist. Wurden noch vor einem Jahr die militanten Umweltschützer der „Letzten Generation“ zu Staatsfeinden aufgeblasen, was aber wenigstens den Effekt hatte, dass das Thema Umweltschutz in den Medien platziert und dementsprechend immerhin ein bisschen debattiert wurde, haben Politik wie Medien nun eine vermeintliche Flüchtlingsapokalpyse ausgemacht. Der Zustand unserer Welt ist in den Sorgencharts vieler dementsprechend nach hinten durchgerutscht, wen interessiert schon, dass Kevin Kostners „Waterworld“ (1995) womöglich bald Realität wird, wenn irgendwelche Politiker im Bierzelt in immer schrilleren Tönen irgendwas von Asylanten faseln – die „Klimakleber“ sind, mit allerdings immer planloseren Aktionen, zur Randnotiz geworden. Dazu kommen noch (teils hausgemachte) wirtschaftliche Probleme, die für eine Neugewichtung (merkwürdigerweise medial aber für etwas weniger laut klingelnde Alarmglocken) sorgen, so rätselte die Stuttgarter Zeitung erst vor ein paar Tagen: „Kommt der Umweltschutz aufs Abstellgleis?“. Natürlich ist die Lage nicht nur negativ, aber ein riesengroßes Fragezeichen schwebt über dem Thema.

In diesem Klima wird „Bis hierhin und wie weiter?“, das Regiedebüt des Berliner Filmstudenten Felix Maria Bühler, veröffentlicht. Das ist sicherlich gut gemeint, wirkt aber nicht nur wie zu spät gekommen, sondern blickt inhaltlich nicht über seinen Tellerrand hinaus. Es geht um Lina, die zusammen mit anderen Aktivisten 2021 im Berliner Regierungsviertel durch einen Hungerstreik öffentliche Gespräche mit den drei damaligen Spitzenkandidaten erzwingen wollte – die Aktion musste allerdings ergebnislos abgebrochen werden. Sechs Monate später trifft sich Lina, mittlerweile Teil der Aktivistengruppe „Letzte Generation“, mit vier anderen Teilnehmern in Berlin und will wissen, was diese von deren Aktionen halten. Taura hat das Gefühl, dass sie mehr beitragen könnte, wenn sie nicht im Gefängnis sitzt, Fuchs und Freundin Charly wollen keine Kampagne mehr unterstützen, die konkrete Forderungen an die Regierung stellt, da sinnlos. Und auch Guerrero fragt sich, wie man effektiv Widerstand leisten kann, ohne sich selbst aufzuopfern. Dennoch stehen die vier Lina in Punkt Aktivismus in nichts nach. Man beteiligt sich am Protest gegen der Räumung des Kohle-Dorfs Lüzerath, mischt im Hambacher Forst, beim Klimastreik von „Fridays for Future“ und bei Aktionen der Gruppen „Ende Gelände“ und „Extinction Rebellion“ mit.

Leider verschreibt sich Bühler der rein dokumentierenden Form, es gibt keinen Off-Kommentar, keine Einordnungen von Experten, keine Einzelgespräche mit den Protagonisten. Der Regisseur lenkt seine Zuschauer nur durch Musik und seine eindringlichen Bilder, macht dadurch klar, auf wessen Seite er steht, die Zuschauer stehen sollen. Allerdings hat die strikte Form den Effekt, dass einem die Dokumentierten nie so richtig nahe kommen und auch nichts vertieft wird. Man sieht halt junge Menschen, die besorgt sind, erwartbare Dinge sagen, sich engagieren oder ratlos sind. Spannend wäre es zum Beispiel gewesen auf Widersprüche einzugehen. So erläutert Taura in einem Interview mit einem Journalisten, dass ein existenzielle Wandel nicht möglich sein wird, ohne Teile der Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen, an anderer Stelle wird aber klar gemacht, dass Guerrero von Sozialhilfe lebt, also von der Bevölkerung finanziert wird, womöglich von genau dem Teil, dem vor den Kopf gestoßen werden soll. Bei aller übergroßen Sympathie für den Klimaschutz und bei allem Respekt für diejenigen, die sich für ihn einsetzen: Aspekte dieser Art sind nicht ganz unerheblich.

Die im Titel gestellte Frage, wie’s denn nun weitergeht, wird nicht beantwortet, weder mit einer konkreten Idee oder zumindest mit einer leisen Ahnung.

Bei „Bis hierhin und wie weiter?“ handelt es sich letztendlich um eine oberflächlichliche Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, die aber überaus gelungen sind. Pfefferspray-geschwängerte Bilder vom Inneren eines Polizeikessels sieht man selten, er fängt die morbide Schönheit eines Tagebau-Gebiets ein und wenn die Kamera auf das Gesicht von Lina hält, die mit den Tränen zu kämpfen hat, während sie ein aggressiver Autofahrer beschimpft, wird kurz die ganze Verloren- und Zerrissenheit dieser trotz allem hoffentlich nicht letzten Generation deutlich.

Bedauerlich, dass beim Abspann dennoch nur ein Schulterzucken übrig bleibt.

Bis hierhin und wie weiter? • Deutschland 2023 • Regie: Felix Maria Bühler • jetzt im Kino

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