„Blade Runner: Black Lotus“ – Eine Replikantin ohne Gedächtnis
Eine japanisch-amerikanische Anime-Serie variiert die Blade-Runner-Mythologie
Kaum ein Film der letzten 50 Jahre war stilistisch so einflussreich wie „Blade Runner.“ Unzählige Spielfilme zitierten die düstere, verregnete, von Neon erleuchtete futuristische Welt, die unter Ridley Scotts Regie entstand, auch das japanische Anime-Kino wäre von „Ghost in the Shell“ bis „Akira“ ohne das Vorbild kaum denkbar.
Ein wenig erstaunen mag es da, dass es dennoch fast 40 Jahre dauern sollte, bis diese beiden Welten für eine Anime-Serie zusammenkommen sollten. Die 13teilige Serie „Blade Runner: Black Lotus“ ist eine kurz nach Denis Villeneuves „Blade Runner 2049“ in Auftrag gegebene Produktion, die amerikanische Erzählmuster mit japanischem Stil zu verbinden sucht. Regie führte das Duo Shinji Aramaki (Appleseed) und Kenji Kamiyama (Ghost in the Shell: Stand Alone Complex), eine Version bietet japanische Sprecher auf, doch es macht Sinn, die englische Version zu sehen und hören.
Weniger wegen der Hauptfigur Elle, als wegen Nebenfiguren wie dem Schrotthändler Doc Badger (gesprochen von Barkhad Abdi) oder Niander Wallace Sr. (Brian Cox), die den Bogen vom Original „Blade Runner“ zur Fortsetzung von 2017 schlagen. Nicht ganz in der Mitte spielt „Blade Runner: Black Lotus“ sondern im Jahr 2032, also zehn Jahre nach dem großen Blackout, der im Kurzfilm „Black Out 2022“ beschrieben wurde.
Elle ist ein Replikant, soviel wird in den ersten zwei Folgen deutlich, weiß jedoch anfangs nichts von ihrem Glück und auch nicht, warum sie zu außerordentlichen Martial-Arts-Fähigkeiten und der blutigen Beherrschung eines Samurai-Schwerts in der Lage ist. Als Frau ohne Gedächtnis stolpert sie durch die wie immer düsteren, verregneten Straßen von Los Angeles, findet in Doc Badger eine helfende Hand, der sie bald zu J. führt, einem heruntergekommenen Cop, der nicht zufällig in genau dem Apartment in dem Gebäude lebt, in dem einst der von Harrison Ford gespielte Blade Runner lebte.
Kenner der Blade Runner-Welt werden in Wallace Sr. natürlich sofort den Vater von Wallace Jr. erkennen, der in „Blade Runner 2049“ von Jared Leto gespielt wurde und als Replikanten-Produzent Nachfolger von James Tyrell, dem wirklichen Antagonisten aus dem Original war.
Auch visuell bemühen sich die Macher des Animes, den Bogen zu schlagen und gerade im Design des – man kann es nicht oft genug betonen – düsteren und verregneten Los Angeles der Zukunft, gelingen ihnen atmosphärische Bilder, unterlegt mit dem bekannten und beliebten Sound Design voller sphärischer Klänge und futuristischem Brummen und Dröhnen.
Inhaltlich dagegen bewegt sich „Blade Runner: Black Lotus“ zumindest in den ersten beiden Folgen noch im weniger ambitionierten Bereich des Zitierens und den Fans Futter geben. Ja, es ist hübsch, wenn erzählerische Brücken zwischen den beiden großen „Blade Runner“-Filmen geschlagen werden, ja, wenn man diese Welt mag, dann schaut man hier auch gerne zu, aber wenn ein Prequel oder wie hier ein Mittelteil nicht mehr tut, als Lücken auf eine Weise zu füllen, die wenig überrascht, dann fehlt etwas.
Bleibt nur zu hoffen, dass in den verbleibenden elf Folgen der Handlungsbogen um einen Senator, der aus Spaß Replikanten jagt, noch zu einem eigenständigen Noir-Plot entwickelt wird und sich Elles Selbstfindung auf etwas andere Weise abspielt, als im „Blade Runner“-Universum üblich. Denn das ist die Krux an so stilbildenen Meisterwerken wie Scotts Film von 1982: Variiert man nur das Original, kann man nur verlieren, weicht man dagegen stark davon ab, meutern die Fans. Abwarten also, ob es „Blade Runner: Black Lotus“ gelingt, sich nicht zwischen die Stühle zu setzen, sondern zu etwas eigenem, Originellen zu werden.
Blade Runner: Black Lotus • USA/Japan/UK 2021 • 13 Folgen • jede Woche eine neue bei Crunchyroll
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