10. Februar 2018 2 Likes

(Cyber-) PUNK!

„That's It“ von Gakuryû „Sogo“ Ishii

Lesezeit: 3 min.

Wer je die frühen (Cyber-)Punkfilme von Sogo Ishii (eigentlich Toshihiro Ishii, alternativer Künstlername: Gakuryû Ishii) gesehen hat, weiß in etwa, was in „That’s It“ auf ihn zukommt. Denn es waren Streifen wie „Crazy Thunder Road“ (1980) und vor allem „Burst City“ (1982)  – später ergänzt durch „Electric Dragon 80.000 V“ (2001) –, die auch heute noch ziemlich singulär in der japanischen (Film-) Landschaft stehen. Denn Ishii verbreitete Rebellion, Krach, Chaos, Energie, Hektik, Gewalt; diese Filme hatten eine beinahe körperliche Präsenz, sie sprangen dem Zuschauer direkt an die Gurgel. Story oder Kohärenz waren dem 1957 geborenen Filmemacher ziemlich egal, hier ging es vor allem um „Haltung“.

Ishii beruhigte sich im Laufe der Jahre und fand zu einem meist eher kontemplativen Stil (man denke an Angel Dust, Labyrinth der Träume oder Isn’t Anyone Alive?), umso überraschender ist da die plötzliche Rückkehr zu seinen Anfängen. „That’s It“ (2015) ist wie ein Sturz in die Vergangenheit, technisch auf einem ganz anderen Niveau als die für kein Geld entstandenen Frühwerke, aber im Geiste ganz bei ihnen.

Hier begleiten wir ein ziemlich seltsames Pärchen auf einer ziemlich seltsamen Odyssee durch ein praktisch menschenleeres Tokio. Daikoku ist auf der Suche nach seiner Geburtsurkunde (ohne die er in Japan im Grunde nicht existiert) und nach seinem Vater. Ami weicht ihm nicht von der Seite, selbst als die Dinge zunehmend brutaler und bizarrer werden. Die beiden legen sich mit Gangstern an, die etwas haben wollen, was Daikoku eher zufällig in die Hände gefallen ist – eine Festplatte mit Identitätsdaten. Das dahinter noch viel mehr steckt, braucht man vielleicht nicht extra betonen.

Auch in „That’s It“ geht es vornehmlich um Haltung und Stil. Es beginnt (s.u.) mit hektischem Gerenne (eine Art Markenzeichen von Ishii) und für eine Stunde hält der Film einen desaturierten Look durch, der ganz knapp vor reinem Schwarzweiß die Bremse zieht, bevor Ishii etwa auf der Mitte der Laufzeit zu kräftigen Farben wechselt und auch danach visuell noch einige Überraschungen bereit hält. Auch alles andere wechselt, Ton, Motive, immer wieder wird man durchgeschüttelt und muss sich neu einstellen, bis man sich irgendwann einfach fallenlässt und am Schluss reichlich durchgebügelt erschöpft zur Fernbedienung greift – falls man die Energie noch aufbringt. Was man da eigentlich gesehen hat – eine Mischung aus Thriller, Melodrama, Mystery, Superhelden, Manga, Dystopie – ist eher unklar, aber genau das macht ja den Reiz aus. „that’s it“ heißt es am Ende, schöner kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Wer also auf der Suche nach einem wohlkonstruierten Narrativ mit klugen Dialogen ist, dürfte nicht einmal die ersten zehn Minuten überstehen. Wer aber etwas offener ist, sollte einfach die Fenster schließen und die Anlage auf „10“ stellen – denn erst dann entfaltet der Film seine Wirkung, die viel mit der Musik der Punkrock-Band Bloodthirsty Butchers zu tun hat, die seit Mitte der 1980er aktiv ist. Ihre Musik ist der Ausgangspunkt des Films gewesen – was auch deshalb interessant ist, weil die Band sich auf die frühen Filme Ishiis als Inspiration beruft. (Viel mehr erfährt man übrigens im tollen Booklet des Mediabooks, an dem unser Kollege Thorsten Hanisch mitgearbeitet hat.)

Das Mediabook (DVD + Blu-ray) gibt es in zwei Versionen bei Midori-Impuls: Als Normalausgabe (weißes Cover) und als limitierte Ausgabe (500 Ex.; schwarzes Cover) mit handsignierter Autogrammkarte von Manga-Künstler You Mukada. Dessen Manga ist dem Mediabook beigeheftet. Den Film selbst gibt’s im Original mit deutschen Untertiteln.

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