20. März 2025

„Das Licht“ – Aus der Welt der Narzissten

Tom Tykwer versucht sich an einem großen Bild der Gegenwart und ihrer Probleme

Lesezeit: 3 min.

Zurückhaltung war noch nie seine Stärke, Subtilität erst recht nicht. Spätestens mit „Lola rennt“ war Tom Tykwer als Regisseur bekannt, der laut und direkt war, in seinen besten Momenten aber auch verspielt und originell. Mit seinem auch internationalen Durchbruch gelang dem seit langen in Berlin lebenden Regisseur 1998 ein Film, der die Aufbruchsstimmung der neuen deutschen Hauptstadt perfekt einfing, das Versprechen einer Stadt, die gerne Metropole sein wollte und Ende der 90er Jahre auf dem besten Weg dahin schien.

Ein viertel Jahrhundert später hat Tykwer nun wieder einen Berlin-Film gedreht, mit 162 Minuten Länge fast doppelt so lang wie der rasante „Lola rennt“ und dementsprechend vollgestopft mit all den Themen, die die Welt bewegen. Bzw. die weiße, westliche Bourgeoisie, zu der Tykwer inzwischen auch zählt, saturierte gutbürgerliche Mittelständler, die in schön renovierten Altbauwohnungen in Kreuzberg oder noch besser dem Prenzlauer Berg wohnen, irgendwas mit Medien oder Kunst machen, im Biomarkt einkaufen, die Grünen wählen, aber natürlich dennoch viel konsumieren und alle paar Monate zum Urlaub um die Welt jetten.

So eine Familie steht im Mittelpunkt von „Das Licht“, der in einem ständig verregneten Berlin der nahen Zukunft spielt: Lars Eidinger ist der Familienvater Tim, der in der Werbebranche arbeitet, also mit schönen Worten Blödsinn verkauft. Seine Frau Milena (Nicolette Krebitz) versucht mit ihrer NGO in Nairobi die Welt zu retten und hat im Lauf der Jahre mit einem Kenianer den Sohn Dio (wirklich!, Elyas Eldridge) gezeugt, der nun ganz selbstverständlicher Teil der Patchwork-Familie ist.

Die beiden älteren Kinder des Paares (auf dem Papier fast erwachsen, im Kopf aber noch keineswegs) leben entweder in einem Messi-Zimmer bzw. virtuellen Welten, wie der Sohn Jon (Julius Gause) oder schmeißen bewusstseinserweiternde Drogen ein und feiern sich durch die Clubs der Stadt, wie die Tochter Frieda (Elke Biesendorfer), die zudem naseweis den Konsum und die Oberflächlichkeit ihrer Eltern kritisiert und sich für eine Gruppe im Stil der Extinticion Rebellion engagiert.

Und dann gibt es da noch eine Syrerin, einen Flüchtling namens Farrah (Tala Al-Deen), die als Haushälterin zur Familie stößt, aber ganz eigene Absichten hat. Sie bringt das titelgebende Licht mit, eine flackernde Lampe, mit denen sie die offensichtlich von vielen Problemen geplagte Familie – die übrigens Engels heißt, wie gesagt, subtil war Tykwer noch nie – therapiert.

Und Therapie ist dringend notwendig, nicht nur für die Familie Engels, sondern für die ganze Welt, zumindest ihren bourgeoisen Teil. Ob sich Tykwer selbst zu den Therapiebedürftigen zählt sei dahingestellt. Sein Film „Das Licht“ changiert in bemüht großen, emotionalen Bildern zwischen Pathos und Parodie, verfällt bisweilen selbst in die Muster, die er zu hinterfragen vorgibt, besonders wenn es um Szenen in Afrika geht, die nur als Staffage für die Selbstfindung einer weißen Frau dienen, und der Figur der Flüchtlingsfrau, die zwar auch eigene Absichten hat, vor allem aber als Katalysator der Problemfindung der deutschen Familie dient.

Beschwor „Lola rennt“ einen Aufbruch, konstatiert „Das Licht“ den Stillstand einer Gesellschaftsschicht, die es sich zwischen Konsum und Gutmenschentum so bequem eingerichtet hat, dass sie blind für die eigenen Defizite scheint. Vielleicht ist Tykwer selbst zu sehr Teil dieser Welt, um sie wirklich analysieren zu können, immerhin eine schöne, ambitionierte Zukunftsvision ist ihm gelungen: In „Das Licht“ gibt es tatsächlich Direktflüge zwischen an außereuropäischen Verbindungen armen Hauptstadtflughafen BER und Nairobi, Kenia. Schön wäre es, aber im Herzen ist Tykwer eben ein Optimist.

Das Licht • D 2025 • Regie: Tom Tykwer • Darsteller: Lars Eidinger, Nicolette Krebitz, Tala Al-Deen • ab 20. März im Kino

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.