„A Great Place To Call Home“ – Der Witwer und der Außerirdische
Alien-Invasion auf die super-süße Art
Freundliche Aliens werden fast immer für Kinder kreiert, man denke an Steven Spielbergs Dauerbrenner „E.T. – Der Außerirdische“ oder an den 80er-Jahre-TV-Kult „Alf“, der mittlerweile zum zeitlosen Alltime-Klassiker mutiert ist. Böse sind Außerirdische meist in Produktionen für Erwachsene. Ein Symbol für das Andere, das ausradiert werden muss – Brücken, und seien sie noch so dünn, werden nur sehr selten geschlagen.
In „A Great Place To Call Home“ von Marc Turtletaub, der vor allem als Produzent der etwas anspruchsvolleren Art auf sich aufmerksam gemacht hat („Little Miss Sunshine“, 2006; „Journey of Love – Das wahre Abenteuer ist die Liebe“, 2012) trifft ein 78-jähriger Witwer auf einen Außerirdischen – und empfängt das stumme Wesen mit offenen Armen.
Milton (Ben Kingsley), der in der fiktiven Kleinstadt Boonton in Pennsylvania lebt, und seinen Lebensabend mit Gartenarbeit und Gemeindetreffen zubringt, wird allmählich etwas seltsam. So nervt er bei Gemeindeversammlungen fortwährend mit dem Anliegen, dass man den Slogan der Stadt – „A Great Place To Call Home“ doch bitte endlich ändern soll, da man ihn auch so verstehen kann, dass die Stadt ein großartiger Ort ist, um nach Hause anzurufen. Eines Tages kracht ein Ufo in Miltons Blumenbeet. Das will man ihm aber nicht glauben, was nicht zuletzt daran liegt, dass der alte Mann sich eher unbeeindruckt zeigt. So meldet er den Behörden: „Ein Raumschiff ist in meinem Garten abgestürzt und hat meine Azaleen zerquetscht.“
Als Milton kurz Zeit später den kleinen Piloten des Raumschiffs bewusstlos auf seiner Terrasse findet, bringt er das stumme Wesen mit den sanften, gütigen Augen bei sich unter. Miltons Nachbarinnen Sandy (Harriet Harris) und Joyce (Jane Curtin) sind zwar im ersten Augenblick deutlich skeptischer, schließen den Gestrandeten mit der großen Vorliebe für Äpfel aber schnell ins Herz. Aus Milton, seinen Nachbarinnen und den Gast aus dem All, der auf den Namen Jules getauft wird, entsteht bald eine Gemeinschaft – wäre da nicht die Regierung, die anfängt nach Jules zu suchen. Der Außerirdische wiederum fängt an, sein Raumschiff zu reparieren, benötigt dafür aber – Alf lässt grüßen – tote Katzen …
Strukturell ist „A Great Place To Call Home“ eher konventionell angelegt: Begegnung der übersinnlichen Art, Freundschaft, Gefahr, Abschied. Man kennt das so oder so ähnlich unter anderem aus den Eingangs genannten Beispielen. Doch wie in jedem guten Genrefilm reicht der Horizont über den eigentlichen Inhalt hinaus und so wird ebenso von Endfremdung und von Einsamkeit erzählt.
Das englische Wort „Alien“ heißt auf Deutsch übersetzt nicht nur Außerirdischer, sondern ebenso Fremder und Ausländer. Dass Milton mit offenen Armen auf den Außerirdischen zugeht, möchte man zuerst auf seine Schrulligkeit zurückführen, doch allmählich wird deutlich, dass der Mann einsam ist, zwischen seiner Umgebung und ihm Entfremdung eingetreten ist. Den Nachbarinnen geht es ähnlich, die Alten sind die Aliens unter den Menschen, das Bündnis mit Jules somit nahe liegend.
Weiterhin kommt in gleich drei Momenten der Bedeutungsunterschied zwischen Alien und Illegal Alien (ein im Englischen mittlerweile eher abschätziger Begriff für einen illegalen Einwanderer) zur Sprache, womit subtile politische Züge durchschimmern. Jules ist natürlich auch Ausländer, ein Einwanderer. Ein Einwanderer, der durchaus brandgefährlich werden, aus der Ferne Köpfe platzen lassen kann. Er lässt aber den richtigen Kopf platzen, rettet dadurch Sandy und ist zudem ein äußerst umgänglicher, sehr einfühlsamer Zeitgenosse und das, obwohl er von außerhalb kommt und wirklich völlig anders ist, als die anderen und so heißt es, als Bedenken wegen seiner Kräfte aufkommen: „Warum sollten wir ihn mit unseren ängstlichen Gedanken vorverurteilen?“ (Zur Besprechung wurde übrigens die Originalversion mit deutschen Untertiteln gesichtet, die drauf schließen lässt, dass diese Ebene in der deutschen Synchronversion untergeht, da Alien vs. Illegal Alien ein Übersetzungsproblem darstellt.)
„A Great Place to Call Home“ wird aber trotz dieser Ebenen nie wirklich tiefgängig und er funkt ebenso wenig eine Message in den Zuschauerraum. Turtletaub will vor allem einfach gute Unterhaltung auf Augenhöhe mit den Zuschauern und das ist ihm mit Unterstützung seines groß aufspielenden Hauptdarstellers bestens gelungen. Die smarte, dicht gewebte, trockenhumorige und wirklich sehr süße Sci-Fi-Komödie wird von einem herausragenden Ben Kingsley getragen, der mit zurückhaltendem Schauspiel Milton Würde verleiht, dafür sorgt, dass die Figur nie zur Karikatur verkommt, sondern stets ein Mensch bleibt, der altersbedingt sicherlich schon mal Bohnen in den Badschrank legt, vielleicht am Beginn einer Demenz steht, deswegen aber nicht gleich betreutes Wohnen nötig hat. Harriet Harris und Jane Curtin stehen da kaum nach, wobei der Fokus klar auf Kingsley liegt, an dessen Milton man noch einige Zeit denken wird.
A Great Place To Call Home • Jules • USA 2023 • Regie: Marc Turtletaub • Darsteller: Ben Kingsley, Jane Kurtin, Harriet Sansom Harris, Teddy Cañez, Narea Kang, Edward James Hyland • ab 1. Februar im Kino
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