13. Mai 2025 3 Likes

„I am the River, the River Is Me“ - Ein Fluss mit Rechten

Mehr als nur eine Doku

Lesezeit: 3 min.

In einem Moment des Films wird Brendan, ein Angehöriger der „First Nations“, gefragt, wie das Wort „Frieden“ in deren Sprache lautet, worauf dieser antwortet, dass sie kein Wort dafür haben, weil Frieden „was Europäisches“, „eine fremde Idee“, wie seine Tochter ergänzt, sei. Eine Aussage, die angesichts der mannigfaltigen Krisenherde unserer Welt irgendwie drogengeschwängert klingt, aber ganz genau so gemeint ist, und eine Szene, in der die Faszination des Films vielleicht am stärksten greifbar wird.

In „I am the River, the River Is Me“ geht es nicht nur um den Whaganui River im Neuseeland, den das neuseeländische Parlament 2017 den Status einer juristischen Person zuerkannt hatte, der niederländisch-norwegische Dokumentarfilm von Petro Lom fächert einen sich eher natürlich als gegensätzlich anfühlenden Gegenentwurf auf, und das manifestiert sich nicht nur in betörenden Naturaufnahmen, sondern ebenso in einem – unglaublich charmanten, humorvollen – Figurenpersonal, das aufzeigt, wie man auch leben könnte, eigentlich sollte.

Allen voran ist da der gesichtstätowierte Stammesführer Ned, der im Lauf des Films zur Hauptfigur wird, ohne sich aber je in den Vordergrund zu drängen. Der sanft autoritäre Ned hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht auf den Whaganui zu achten und ihn zu erhalten und führt eine Reisegruppe über den 300 Kilometer langen Fluss. Die Filmcrew ist Teil der Reisegruppe und ebenso Teil des Films, „I am the River, the River Is Me“ liefert sein Making-of gleich mit. Des Weiteren besteht die Gruppe unter anderem aus dem eingangs erwähnten Brandan, Kanui, Neds Enkel, der gemäß den Traditionen der Māori als Erstgeborener von Neds Tochter dem Großvater zur Erziehung übergeben wurde, Stu, Neds Kumpel, der seit Jahrzehnten in einem Hochsicherheitsgefängnis arbeitet und Neds knuddeligen Hund Jimmy, der einen ähnlich tief entspannten Eindruck macht, wie sein Herrchen. Jedenfalls alles echte Charakterköpfe, Originale, die im Einklang mit sich und ihrer Umwelt stehen, sich als Teil eines großen Ganzen sehen. Wobei die Filmemacher genauso den Fluss als eigenständigen Charakter wahrnehmen und entsprechend inszenieren, so wird immer wieder dessen Perspektive eingenommen, unter Wasser oder aus dem Wasser heraus gefilmt.

Die Reise ist jedenfalls der Inhalt des Films, der sich dramaturgisch dem Whaganui River anpasst, sanft dahingleitet und inhaltlich mäandert: So erfährt man nicht nur mehr über den Fluss, sondern eben auch über die wunderbaren Reiseteilnehmer, über die Kultur, die Traditionen und die Naturverbundenheit der Māori oder über die grausame Historie der indigenen Neuseeländer.

Untermalt ist das alles von einem kongenialen Klangteppich, der Instrumentalmusik mit natürlichen Klängen aus der Natur, wie etwa Tropfen von Wasser, Rauschen eines Wasserfalls oder Wind, der durch die Bäume weht, verbindet und unterstreicht, dass die Macher mehr im Sinne hatten, als „nur“ einen Dokumentarfilm, „I am the River, the River Is Me” kann vor allem als eine meditative, spirituelle Reise verstanden werden, an deren Ende vielleicht eine Erleuchtung wartet.

I am the River, the River Is Me Niederlande/Norwegen 2024 • Regie: Petr Lom • jetzt im Kino

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