28. Oktober 2014 2 Likes

„Interstellar“

Unsere Review zu Christopher Nolans Science-Fiction-Epos

Lesezeit: 3 min.

Um es gleich mal vorwegzuschicken: Die Neuerfindung des filmischen Science-Fiction-Rades, die wir uns von Christopher Nolans vermeintlich epochaler interstellarer Reise erwartet hatten, ist das hier nicht geworden. Eher eine Art Mash-Up aus etlichen liebgewonnenen Genreklassikern, von denen wir jeweils noch nicht genau wissen, ob wir sie in derart beliebig zusammengewürfelter Form noch einmal hätten sehen wollen.

Zuvorderst ist da natürlich Kubricks 2001 zu nennen, dessen Grandezza angestrebt, aber nie erreicht wird und mit dem Interstellar neben seinem humanistischen Grundansatz und der vermeintlich authentischen technischen Fortentwicklung vor allem seine eher esoterische Auflösung gemein hat. Dann natürlich Robert Zemeckis Contact, von dem sehr viel mehr in Jonathan Nolans Drehbuch steckt, als jener vielleicht zugeben würde. Außerdem mit Das schwarze Loch ein Disneyklassiker, mit dem man den wahnsinnigen Wissenschaftler und den etwaigen Trip durch die astrophysikalische Monströsität teilt. Schließlich noch zu gleichen Teilen Armageddon und Star Trek – Der Film: Ersterer in seiner melodramatischen Aufopferungstheatralik samt „Liebe überschreitet alle Grenzen“-Philosophie, letzterer in Sachen Weltraumtourismus: Denn vom kulissenhaft wirkenden Wasser- über den Eisplaneten bis hin zu quasigöttlichen interstellaren Phänomenen ist hier alles enthalten, was Kirk und Co. einst heilig gewesen ist.

Dabei findet Interstellar zu Beginn durchaus jenen Tonfall, den wir an guter Science-Fiction so zu schätzen wissen. Indem wir ohne lange Vorrede in eine Welt und eine Zeit geworfen werden, deren historische Genese nicht ganz klar ist. Klar ist lediglich, dass die Nahrungsvorräte auf der Erde zur Neige gehen, riesige Staubwolken den Ackerbau weltweit lahmzulegen beginnen, die Zunahme von Stickstoff und damit der nahende Erstickungstod für die Menschheit nur mehr eine Frage der Zeit ist. Nach offenbar verheerenden Kriegen existieren weder militärische Organisationen noch die NASA, weshalb dem Ex-Astronauten Cooper (Matthew McConaughey) wenig anderes übrig bleibt, als mit Sohn und Tochter Murph den Fortbestand von Familie und Nation als Farmer zu gewährleisten. Zumindest so lange, bis ein merkwürdiges Gravitationsphänomen Vater und Tochter auf die Spur einer geheimen NASA-Einrichtung führt, von der aus Professor Brand (Michael Caine) an der Rettung der Menschheit arbeitet. „Lazarus“ hat er das Projekt genannt, in dessen Rahmen bereits zehn unerschrockene Raumfahrer durch ein 50 Jahre zuvor entdecktes Wurmloch in eine neue Galaxie aufgebrochen sind. Nun soll Cooper und mit ihm u. a. Brands Tochter (Anne Hathaway) mit der „Endurance“ hinterherreisen und die gesammeltem Erkenntnisse im besten Fall in eine neue Kolonie ummünzen – im schlechtesten lediglich menschliches Erbgut zum Fortbestand der Spezies abladen.  Für den zweifachen Vater freilich eine einsame Entscheidung, da von einer garantierten Rückkehr keine Rede sein kann.

Mit einem kleinen Team und zwei hübsch zynischen und nur anfänglich ungelenk wirkenden Robotern geht es auf die Reise ins Ungewisse, deren astrophysikalische Implikationen schon bald das ganze Ausmaß der dargebrachten Opfer offenbar werden lässt. Denn u. a. die zeitlichen Folgen der Relativitätstheorie führen dazu, dass Cooper in der vielleicht dramatischsten Szene des gut dreistündigen Filmes den eigenen Kindern (u. a. Jessica Chastain als erwachsene Murph) förmlich beim Erwachsenwerden zusehen muss. Nicht zuletzt die unendliche Liebe des Vaters zu seinen Kindern führt deshalb dazu, dass er sich zu einer verzweifelten Entscheidung hinreißen lässt. Im Film der Beginn einer zunehmend hanebüchenen und esoterisch daherkommenden Entwicklung, deren vermeintlich überraschendes Ende zumindest wir bereits ganz zu Beginn ahnen konnten.

Was bleibt, das sind unbestreitbar große Ideen und Bilder. Der Versuch Nolans, die Wunder und Möglichkeiten des Weltraums mit menschlichem Forscher- und Überlebensdrang – aber auch den dunkleren Seiten der menschlichen Natur – in Einklang zu bringen. Ob und wie das beim jeweiligen Zuschauer ankommt, ist deshalb wohl von der grundsätzlichen Einstellung abhängig. Denn als um Plausibilität bemühtes Science-Fiction-Epos mit visionärem Anspruch wird „Interstellar“ den hohen Erwartungen nicht gerecht. Als fast schon weihnachtliche Stimmung verbreitendes Weltraumabenteuer und populärwissenschaftliche Diskussionsgrundlage dürfte der Film – nicht zuletzt auch deshalb, weil er selbst ein weibliches Publikum in seinen melodramatischen Bann ziehen dürfte – das angepeilte Multimillionenpublikum nicht verfehlen.

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