5. September 2018

Kämpfer wider Willen

Die Verfilmung von Sergej Lukianenkos „Weltengänger“ erscheint am 7. September als DVD, Blu-ray und VOD

Lesezeit: 5 min.

Für Kirill (Nikita Volkov) läuft beruflich alles super: er hat ein Videospiel programmiert, das ein Riesenerfolg zu werden verspricht. Privat sieht es nicht so rosig aus: seine Freundin Anna (Olga Borovskaya) hat ihn verlassen, und sein Versuch, sie zurückzugewinnen, scheitert. Obendrein findet er eine Fremde (Severija Janušauskaitė) in seiner Wohnung. Sie behauptet, sie lebe schon ewig hier, und tatsächlich erkennt Kirill sein Zuhause nicht wieder: seine Möbel sind weg! Als Kirill versucht, sich seine Wohnung zurückzuholen, muss er feststellen, dass seine Daten aus sämtlichen Verzeichnissen gelöscht wurden. Nachbarn, Kollegen, selbst seine Eltern erinnern sich nicht mehr an ihn; sogar sein bester Freund Kotja (Yevgeny Tkachuk) vergisst ihn von einer Minute auf die andere! Wütend kehrt Kirill in seine Wohnung zurück, wo die Fremde auf ihn wartet. Sie stellt sich als Renata vor, drückt ihm ein Küchenmesser in die Hand und ersticht sich damit selbst. Niemand wird Kirill das glauben, also flieht er. In einem alten Turm mitten in Moskau will er sich über Nacht verstecken. Doch als er am nächsten Morgen erwacht, sieht der Turm aus wie seine Wohnung!

Und dann sind da noch die Türen im Erdgeschoss: eine führt nach Moskau – und die andere in eine fremde Welt namens Kimgim, die Moskau sehr ähnlich ist, sich aber doch fundamental davon unterscheidet. Ehe Kirill vollends den Verstand verliert, taucht Renata völlig unversehrt wieder auf und gratuliert ihm zu seinem neuen Job als Zöllner. Der Turm steht an einem Schnittpunkt zwischen den Welten, und Kirill ist jetzt ein Funktional. Seine Aufgabe ist es, Zölle von Reisenden zwischen den Welten einzufordern. Und er soll so viele neue Türen zu neuen Welten öffnen wie möglich. Dafür bekommt er übermenschliche Kräfte und Unsterblichkeit verleihen. Der Nachteil: Kirill ist an seinen Turm gebunden. Eine Halskette sorgt dafür, dass er sich nicht weiter als 15 Kilometer von ihm entfernen kann, ehe er stirbt. Warum allerdings ausgerechnet Kirill Zöllner sein soll und wozu es diese ganzen vielen Welten gibt, verrät Renata ihm nicht.

Kirill hat diesen Schock noch nicht verdaut, da steht ihm schon der nächste bevor: seine Freundin Anna steht vor der Tür. Sie begleitet Funktional Anton (Yevgeny Tsyganov), der sich als ihr neuer Freund vorstellt und sie zum Essen ausführen will. Anton gibt Kirill zudem eine Warnung mit auf den Weg: er soll sich von der Welt Arkan fernhalten und unter keinen Umständen eine Tür dorthin öffnen. Auch auf seiner Willkommensparty in Kimgim wird Kirill vor Arkan gewarnt: diese Welt, erklärt ihm einer seiner Kollegen, sei wie die Erde, nur technologisch rund 35 Jahre voraus. Man könne bestimmte Technologien problemlos auf die Erde übertragen, allerdings sei Arkan zugleich die Welt, die alle anderen Welten kontrolliere.

Kirill gelingt es im Laufe der nächsten Tage, eine Tür zu einem paradiesischen Strand zu öffnen und Anna dorthin einzuladen, doch Antons Vorgesetzter sieht darin ein Problem und lässt Anna verschwinden. Währenddessen bekommt Kirill Besuch von der Politikerin Irina (Irina Khakamada). Sie will, dass er eine Tür nach Arkan öffnet, sodass sie die überlegene Technologie auf die Erde bringen kann. Zuerst will Kirill Anna finden. Am nächsten Morgen ist eine neue Tür in seinem Turm aufgetaucht: sie führt nach Nirwana, einer dystopischen Gefängniswelt, deren Insassen unter Drogen stehen, sodass sie sich über die unmenschliche Arbeit auch noch freuen. Kirill macht Anna dort ausfindig und kann sie in seinen Turm bringen, aber das ruft Kirills Kurator, seinen Vorgesetzten, auf den Plan: es ist sein Freund Kostja! Verärgert, weil Kirill gegen die Regeln verstoßen hat, beschränkt er seine Reichweite auf 15 Meter um den Turm. Um Anna zu retten, trägt Kirill sie in die Paradieswelt und stirbt beinahe, als er die 15-Meter-Grenze überschreitet. Anna erwacht gerade noch rechtzeitig und reißt ihm die Kette vom Hals. So befreit macht Kirill sich auf die Suche nach Arkan, um endlich Antworten auf seine Fragen zu finden. Doch das, was er dort entdeckt, ist ganz und gar nicht das, womit Kirill gerechnet hätte …

Weltengänger“ hält sich zum größten Teil an die Romanvorlage von Sergej Lukianenko (im Shop), und so sehen wir auch im Film alles durch Kirills Augen. Das bedeutet auch, dass wir uns gemeinsam mit der Hauptfigur auf die Welten einlassen müssen, die uns gezeigt werden; und dass wir uns mehr als einmal damit zufriedengeben müssen, nicht gleich für alles eine Erklärung zu bekommen. Zugegeben, manche Fragen bleiben bis zum Schluss unbeantwortet: Wer ist dieser Anton, und was macht er eigentlich? Und wenn Renata, wie sie behauptet, kein Mensch ist, was ist sie dann? Und warum bekommt die chinesische Sängerin und „The Voice“-Gewinnerin Yang Ge auf einmal so viel Aufmerksamkeit? Warum haben die Lieder im Spundtrack, die von Popmusiker Leonid Agutin beigesteuert wurden, nichts mit der Handlung zu tun? Auf der anderen Seite werden wir fürs Warten durchaus belohnt. Es macht Spaß, zusammen mit Kirill herauszufinden, welchen Zwecken die verschiedenen Welten dienen, der Frage nachzugehen, welchem Ziel wohl unsere Erde dient, und einer Intrige nachzuspüren, die immer größer und immer schrecklicher wird, je länger der Film dauert.

Optisch macht „Weltengänger“ auch einiges her und zeigt, dass sich der russische Film nicht hinter seinem amerikanischen Pendant verstecken muss: die Matrjoschka-Puppen beispielsweise, die sich in feuerspeiende Drohnen verwandeln, sind wirklich beeindruckend. Auf der anderen Seite sieht „Weltengänger“ zwischendrin aus wie ein Low-Budget-DIY-Film (diese Dampf-Vehikel in Kimgim etwa), was jedoch den Gesamteindruck nicht stört. Im Gegenteil, es ist gerade diese Mischung, die „Weltengänger“ seinen Charme verleiht und ihn von den glattpolierten Hollywood-Produktionen abgrenzt.

Alles in allem wird „Weltengänger“ die Roman-Fans nicht enttäuschen – vorausgesetzt, wir bekommen tatsächlich einen zweiten Teil, der die Geschichte zu Ende bringt. Zwar endet „Weltengänger“ mit einem ordentlichen Cliffhanger, aber ob eine Verfilmung des zweiten Bandes, „Weltenträumer“ (im Shop) geplant ist, ist derzeit noch nicht bekannt. Außerdem werden sich die Lukanianenko-Fans bestimmt über den Mini-Cameo-Auftritt des Autors freuen.

„Weltengänger“ ist ab dem 7. September via Capelight als DVD, Blu-ray und VOD erhältlich.

Weltengänger (Russland 2018) • Regie: Sergey Mokritskiy • Darsteller: Nikita Volkov, Yevgeny Tkachuk, Olga Borovskaya, Severija Janušauskaitė, Yevgeny Tsyganov, Irina Khakamada

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