10. September 2020

„The New Mutants“ - X-Men-Babys, sie machen Marvel (nicht wirklich) froh

Früh übt sich, wer ein Mutant sein möchte

Lesezeit: 3 min.

Als Scheidungsopfer könnte man diesen Film bezeichnen, obwohl: Eher als Eheopfer, wenn es so etwas gibt. Als „The New Mutants“ geplant wurde, war FOX noch ein unabhängiges Filmstudio und im Besitz der Rechte an den X-Men. Da die Filme mit den Großen (Hugh Jackman, Patrick Stewart etc.) sehr erfolgreich waren, plante man einen Ableger, eine Art X-Men-Babys, in der junge, sich noch im Teenageralter befindliche Schauspieler agieren, die dann wohl – so dürfte der Plan gewesen sein – mittelfristig mit den Großen hätten spielen dürfen.

So wird es nicht kommen, das steht fest. Nicht nur, dass die Großen ihre Franchise zuletzt auch ziemlich gegen die Wand gefahren haben, vor allem wurde FOX von Disney geschluckt, was – dafür muss man kein Prophet sein – bedeutet, dass in den Chefetagen schon gegrübelt wird, wie die X-Men bald Teil des großen MCU werden können.

Was zur Folge hatte, dass „The New Mutants“ eine Art Mitgift war, mit der niemand etwas anfangen konnte. Aber da man den Film nun einmal hatte, wird er eben auf den Markt geschmissen – und er ist gar nicht mal schlecht, zumindest wenn man ihn nicht als richtigen Superhelden-Marvel-X-Men-Film betrachtet. Aber was ist dieser 90-Minüter, der praktisch komplett an einem Ort, mit wenig Aufwand und nur sieben Schauspielern gedreht wurde? Eine Art Teenie-Horror-Übernatürlich-Selbstfindungs-Etwas, das eine Originstory sein sollte, aber nun im Nichts endet.


Hi, bin ich im falschen Film?

Anfangs lernen wir mit Danielle Moonstone (Blu Hunt) eine junge Cheyenne kennen, deren gesamte Familie gerade ausgemerzt wurde. Um zu erfahren, welche Fähigkeiten sie besitzt, wird sie zu einigen anderen angehenden Mutanten in eine geschlossene Anstalt gesperrt, wo sie behandelt, evaluiert, vielleicht auch manipuliert werden soll. Während ihre Leidensgenossen schon etwas mehr mit ihren besonderen Kräften umgehen können, ist Danielle völlig unbedarft, eine typische Außenseiterin, wie sie das Kino liebt. In der Irin Rahne (Maisie Williams) findet sie eine Freundin, die Russin Illyana (Anya Taylor-Joy) dagegen agiert abwehrend und aggressiv. Vervollständigt wird das Quintett von Roberto (Henry Zaga) und Sam (Charlie Heaton), die unterschiedliche Typen einer sehr typischen High School repräsentieren. Kontrolliert werden sie von der mysteriösen Dr. Cecilia Reyes (Alice Braga), die aus unerfindlichen Gründen ganz allein in einem riesigen Gebäude auf die Teenies aufpasst.


Mama Bär ist etwas überfordert

Ohnehin bleibt sehr viel ein Rätsel, die Versuche, den Film im Schnitt in eine eigenständige, kohärente Form zu bringen, sind oft deutlich zu spüren. Gerade der Bezug zu den richtigen X-Men steht der Geschichte eher im Wege und verrät allzu deutlich, dass hier ursprünglich etwas viel größeres geplant war. Denn wenn man versucht, den X-Men-Kosmos zu ignorieren, dann erzählt „The New Mutants“ einfach von ein paar Teenagern, die allesamt ein bisschen anders sind, die Dinge können, die durchschnittliche Teenager nicht können, und die für ihr anders sein gemobbt werden. Anderssein ist nun bekanntermaßen das Thema der X-Men-Welt, in den ersten Filmen von Bryan Singer als Metapher für die Ausgrenzung von Homosexuellen inszeniert, hier nun als Diskriminierung von Minderheiten und Teenagern.

Besonders überzeugend ist das in den Momenten, in denen über das Verhältnis der Teenager erzählt wird, wenn sich zwischen Danielle und Rahne zarte Bande entwickeln, auch die anfangs eigenbrötlerische Illyana erkennt, dass sie nur in der Gruppe weiterkommt. Hier erkennt man noch deutlich die Handschrift von Regisseur Josh Boone, dem vor einigen Jahren mit dem schönen „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ein Independent-Erfolg gelang und sich danach in die Franchise-Mühle ziehen ließ. Was von seiner Vision nun übrig geblieben ist, erinnert an das Fragment von Josh Tranks „Fantastic Four“: Intime Momente, komplexe Charaktere mussten am Ende den Anforderungen des Blockbuster-Kinos weichen, doch darunter sind die Fragmente eines schönen, kleinen Films noch zu erahnen.

„The New Mutants“ startet am 10. September im Kino. Abb.: Fox/Disney

The New Mutants (USA 2020) • Regie: Josh Boone • Darsteller: Maisie Williams, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton, Alive Brage, Blu Hunt, Henry Zaga

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