„Spiders – Ihr Biss ist der Tod“ – Kreisch!
Spinnen-Horror mit Liebe zum Menschen
Es würde nicht wundern, wenn „Spiders - Ihr Biss ist der Tod“ im Kino und später (ab 27.02.2025) auf dem Homevideomarkt eher ignoriert beziehungsweise das Zuschauerpotential nicht wirklich ausschöpfen wird. Denn der deutsche Verleihtitel klingt nicht anders als die deutschen Titel der 30 Quadrillionen Tierhorrorfilme, die in den letzten Jahrzehnten von B- und vor allem C-Produktionsfirmen auf den Markt gepumpt wurden und hierzulande in kürzester Zeit auf Tele 5 und/oder als 3.99€-Wühltischscheibe verendeten.
Wie poetisch da der Originaltitel „Vermines“, den man mit „Ungeziefer“, „Schädlinge“ oder „Maden“ übersetzen kann, was in Hinblick auf den Inhalt reizvolle Möglichkeiten für einen neugierig machenden deutschen Titel ergeben hätte.
Denn die „Vermines“ sind hier nicht nur die Spinnen, die die Bewohner eines Hochhauses in einem französischen Banlieue attackieren, sondern ebenso die Bewohner, die am Rande der Gesellschaft in ärmlichen Verhältnissen leben und sich von Tag zu Tag durchkämpfen müssen, ständig bedroht vom totalen Absturz.
Einer dieser Bewohner ist Kaleb, der sich seit dem Tod der Mutter ständig mit seiner Schwester zofft, da diese die Wohnung verkaufen will. Kaleb verhökert zusammen mit Kumpel Mathys Markenturnschuhe und hat ein Faible für Insekten und Reptilien, die er in der Wohnung in speziellen Terrarien hält – auch das sorgt für Stunk mit seiner Schwester, da die Haltung der Tiere die Stromrechung in die Höhe treibt, den beiden aber allmählich das Geld ausgeht. Eines Tages ergattert er eine besonders exotische Spinne und bringt sie vorläufig erstmal in einem Schuhkarton unter, doch der ist undicht: Das Tier entwischt und entpuppt sich nicht nur als tödlich, sondern ebenso als überdurchschnittlich gebärfreudig, was zur Folge hat, dass Caleb und Anhang bald um ihr Überleben kämpfen – erschwerend kommt dazu, dass die Polizei dass Gebäude unter Quarantäne stellt. Was mit den Bewohnern passiert, scheint egal zu sein …
Das große Plus von „Spiders – Ihr Biss ist der Tod“ sind nicht die meist effektiven Spannungssequenzen, die mit teils echten (es kamen 200 Laotische Riesenkrabbenspinnen zum Einsatz), teils getricksten Spinnen gut umgesetzt worden sind. Ähnliches gab’s, inklusive der „Alien“-Referenzen, erst neulich in „Sting“. Das Besondere ist die fein beobachtete Milieu-Schilderung: Regisseur und Co-Drehbuchautor Sébastien Vanicek ist selbst in einem Banlieue aufgewachsen und nimmt sich zu Anfang ein wenig Zeit, um in diesen von Armut und Menschen mit Migrationshintergrund geprägten, wuseligen Kosmos einzutauchen, der von authentisch wirkenden Charakteren bevölkert ist, die sich oft durch einen machohaften, aufbrausenden Umgang miteinander auszeichnen, aber erkennen lassen, dass man sich an manchen Tagen zwar am liebsten an die Gurgel gehen würde, aber eben auch miteinander verbunden ist. Anders als aktuell zum Beispiel „The Substance“ versucht „Spiders“ aber keine Botschaft an den Mann zu bringen, zu missionieren, Unterhaltung steht im Vordergrund, Themen wie Diskriminierung schwingen elegant mit.
Es sind jedenfalls Figuren mit Ecken und Kanten, die porträtiert werden, Figuren, die sich echt anfühlen und an die man deswegen schnell emotional andockt. Hier grenzt sich „Spiders“ deutlich von vielen anderen Vertretern ab und das zahlt natürlich ein, wenn die Achtbeiner allmählich auf den Plan treten. Man fiebert und leidet mit und verzeiht gerne, dass gelegentlich etwas zu sehr auf Hektik gesetzt wird und ein nicht ganz so überzeugend getrickster Monster-Krabbler am Ende wartet.
Kein runder, aber ein viel versprechender Debütfilm. Schade, dass Vanicek bereits von Sam Raimis Ghosthouse Pictures eingekauft wurde und als nächstes einen weiteren „Evil Dead“-Film inszenieren wird. Man hätte gerne gesehen, wie sich sein klar vorhandenes Talent noch etwas weiter entfaltet.
„Spiders – Ihr Biss ist der Tod“ (Frankreich 2023) • Regie: Sébastien Vanicek • Darsteller: Théo Christine, Sofia Lessafre, Lisa Nyarko, Finnegan Oldfield, Marie-Philomène Nga • jetzt im Kino
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