„Sting“ – „Alien“ im Wohnblock
Mit Mottenkugeln gegen außerirdische Killerspinne
Der 12-jährige, rotzlöffelige Comicnerd Charlotte (Alyla Browne) findet eine kleine Spinne, und da sich das kleine Mädchen von ihrem Stiefvater (Ryan Corr) vernachlässigt fühlt, baut sie eine Beziehung zu dem leicht sonderbaren Tier auf, das sie auf den Namen Sting tauft. Doch Sting bleibt nicht so klein und niedlich, sondern wächst und wächst – und entwickelt einen großen Appetit – auf Blut.
Der Trailer zu „Sting“ ist vor allem eins: Eine Mogelpackung. Wer einen klassischen Nature-Strikes-Back-Tierhorrorfilm erwartet, wird wohl schon bald ungeduldig mit Popcorn gegen die Leinwand werfen oder Tiktok öffnen, denn der Film von Kiah Roache-Turner (durch „Wyrmwood“ und „Wyrmwood: Apocalpyse“ bei Zombiefilmfans beliebt) kommt ziemlich klein daher, weswegen der recht große Kinoeinsatz auch ziemlich sympathisch ist, wartet nicht nur mit gerade mal einer Spinne auf, sondern lässt sich ordentlich Zeit, bis so richtig „was passiert“. Bis zur Action gibt’s etwas Humor, etwas oberflächliches Familiendrama, aber vor allem Momente, in denen, unterbrochen von vereinzelten kleineren Attacken der titelgebenden Spinne, die Kamera mit Wonne die Möglichkeiten des abgegriffenen Wohnblock-Settings, der Lüftungsschächte oder der liebevoll dekorierten Wohnungen für atmosphärische Momente nutzt.
Erst in der letzten halben Stunde wird allmählich klar, was „Sting“ wirklich ist, wobei schon der Anfang und der Titel Hinweise geben, denn die Spinne krabbelt aus einem seltsamen Objekt, das vom Himmel fällt, also nicht von dieser Erde ist, und „Sting“ hat fünf Buchstaben – wie „Alien“! Nur, dass die Nostromo hier als Wohnblock daherkommt und statt Offizierin Ellen Ripley ein 12-jähriges Mädchen namens Charlotte dem fiesen Ding aus dem All mittels zerstampften und in Wasser verrührten Mottenkugeln zu Leibe rückt! Das ist schon eine putzige Grundidee, allerdings auch die einzige, ansonsten verläuft „Sting“ exakt so wie erwartet, kriegt aber die Mischung aus Grusel, Drama und Humor nicht so ganz in die Griff.
Das Drama bremst den Grusel immer mal wieder ein bisschen aus, und für den Humor ist in erster Linie Kammerjäger Frank zuständig, dargestellt von Comedian Jermaine Fowler, der mit seinem überdrehten Spiel wirkt wie aus einem anderen Film gepurzelt. Letzteres gilt ebenso für Robyn Nevin als Vermieterin Gunter (?), die locker als Schwester der Anführerin des Geheimbunds aus Paul Laughiers Folterschocker „Martyrs“ (2008) durchgehen könnte. Beide Figuren befinden sich in einem steilen Kontrast zur als betont normal porträtierten Charlotte und deren Familie mit ihren alltäglichen Problemen. „Sting“ hätte eine etwas klarer definierte Marschrichtung gut getan, das Rad muss ja nicht neu erfunden werden, aber man sollte sich schon im Klaren darüber sein, wie man eins herstellt.
Dennoch: So richtig übel kann man dem „Wohnblock-Alien“ seine Mankos nicht nehmen. Die australische Produktion, die so oder so ähnlich vor 20-30 Jahren auch im mittleren Videothekenregal hätte stehen können, will nicht viel mehr als unkomplizierte Unterhaltung (Laufzeit: oldschoolige 90 Minuten) sein und besticht zudem noch durch gelungene (zumeist handgemachte) Tricks und eine gute bis hervorragende Kameraarbeit – allein die Sequenz zu Anfang, in der die Spinne, unterlegt von einem 50’s-Rocksong, durch ein Puppenhaus läuft, ist der halbe Eintritt wert.
Sting • Australien 2024 • Regie: Kiah Roache-Turner • Darsteller: Alyla Browne, Penelope Mitchell, Ryan Corr, Jermaine Fowler, Silvia Colloca, Noni Hazlehurst • ab 20. Juni 2024 im Kino.
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