10. Juni 2024

„Star Wars: The Acolyte“ – Die Macht ist grau

Eine ungewöhnliche, originelle „Star Wars“-Serie

Lesezeit: 3 min.

Für einen Moment wähnt man sich in der „Matrix“ und nicht im Star Wars-Universum. Da kommt eine junge Frau (Amandla Stenberg) in eine Kantine, vollbesetzt mit seltsamen außerirdischen Wesen und einigen Menschen und fordert die Jedi-Meisterin Indara heraus. Dass diese ausgerechnet von Carrie-Anne Moss gespielt wird und sich anfangs auch noch mit größter Gelassenheit gegen ihre Gegnerin wehrt, dazu noch in einem an Wuxia-Kämpfe erinnernden Fight und bald schwerelos auf die obere Ebene des Lokals springend, weckt interessante Erinnerungen. Doch bald ist es mit Indara vorbei, eine Unaufmerksamkeit erlaubt es der Kriegerin die Jedi-Meisterin schnöde abzustechen.

Ein ungewöhnlicher Beginn für eine weitere Star Wars-Serie auf Disney+, die von Leslye Headland erdacht wurde, die mit der Netflix-Serie „Matrjoschka“ schon ihr Gespür für originelle Erzählformen bewiesen hatte. Ihr Pitch für „Star Wars: The Acolyte“ soll dann auch ebenso einfach wie ungewöhnlich gewesen sein: Eine Mischung aus „Die Eisprinzessin“ und „Kill Bill.“ Wie der Tarantino-Film beginnt die Serie, der Bezug zum Disney-Megahit wird ebenfalls schnell deutlich. Denn die Kriegerin stellt sich als lang verschollene Zwillingsschwester der Hauptfigur Osha (ebenfalls Stenberg) heraus, eine ehemalige Padawan, die ihre Ausbildung jedoch abbrach und nun ein Leben als Mechanikerin führt, assistiert von einem im Star Wars-Universum ja unvermeidlichen kleinen, piepsenden Roboter.

Als Mordverdächtigte wird Osha von ihrem ehemaligen Jedi-Meister Sol (der aus „Squid Game” bekannte Lee Jung-jae) gesucht, der ahnt, dass mehr hinter dem Anschlag auf Indara steckt. Denn einst war auf Oshas Heimatplanet ein Feuer ausgebrochen, das ihre gesamte Familie tötete, inklusive ihrer Zwillingsschwester Mae. Zumindest glaubten das alle Beteiligten bis heute. Denn nun sinnt Mae auf Rache an den Jedi-Rittern, die sie für den Verlust ihrer Familie verantwortlich macht und wird dabei angeleitet von einer finsteren, vermummten Gestalt, deren düstere Stimme unweigerlich an Star Wars-Figuren wie Darth Vader erinnert.

Doch etwas ist ganz besonders an „The Acolyte“: Der Zeitpunkt der Handlung. Rund einhundert Jahre vor den Prequel-Filmen spielt die Serie, ein Zeitpunkt, zu dem die Jedi-Ritter noch unbehelligt agieren konnten und die Machtergreifung des Imperiums in ferner Zukunft lag. Beschaulich war das Leben jedoch auch zu diesem Zeitpunkt nicht, denn wie sich in den ersten Folgen andeutet, sind die Jedis in Splittergruppen aufgespalten, streiten um die eine, die richtige Anwendung der Macht. Was fraglos nicht zufällig an Kämpfe innerhalb des Christentums erinnert, aber letztlich an jede größere, weitverbreitete Religion, deren Prinzipien vage sind und auf unterschiedliche Weise interpretiert und vor allem zum eigenen Nutzen verwendet werden können.

Ein cleverer Ansatz, der die Jedis einmal nicht ausschließlich als strahlende Helden zeigt, sondern Grautöne, Ambivalenzen zulässt. Was bei etlichen Fans schon mal nicht gut ankam, die ähnlich wie bei „The Last Jedi“, jede Abweichung von dem, was sie als „einzig wahres Star Wars“ akzeptieren, gleich in Grund und Boden verdammen. Dass zudem eine Frau als Creator fungiert, Frauen die Hauptrolle spielen und auch sonst stark auf Diversität geachtet wird, dürfte ebenfalls nicht gut angekommen sein.

Das muss den etwas offeneren Star Wars-Zuschauer jedoch nicht stören, denn „The Acolyte“ zählt zu den interessanteren der vielen, vielen Serien aus dem Star Wars-Kosmos, die Disney in den letzten Jahren wie am Fließband produziert hat. Sieht natürlich sehr gut aus, bietet aber vor allem eine gelungene Mischung aus bekannten Star Wars-Tropen und eigenständigen, neuen Ideen, die zumindest in den ersten Folgen gelungen an der Mythologie kratzen.

Star Wars: The Acolyte • USA 2024 • Creator: Leslye Headland • Darsteller: Besetzung: Amandla Stenberg, Dafne Keen, Jodie Turner-Smith • acht Folgen, jeden Dienstag eine neue, Disney+

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