Vom virtuellen Schlachtfeld in die deutsche Pampa
Florian Schnells „Offline - Das Leben ist kein Bonuslevel“ im Kino
Computerspiele zu verfilmen ist so eine Sache und geht meist schief, auch an dieser Stelle haben wir das schon einige Male moniert. Der schöne deutsche Film „Offline - Das Leben ist kein Bonuslevel“ geht nun einen anderen Weg und lässt Computerspiel und filmische Realität auf originelle Weise verschwimmen. Ein klassischer Nerd ist die Hauptfigur Jan (Moritz Jahn), 17 Jahre alt, hauptberuflich Schüler und Sohn, doch seine wahre Identität ist Fenris. So heißt sein Avatar im Fantasy-Spiel „Schlacht um Utgard“, wo er dank monatelangem Aufenthalt in der an „World of Warcraft“ angelehnten MMORPG-Welt den zweithöchsten Level erreicht hat. Beste Chancen also, beim demnächst anstehenden Turnier „Ragnarök“ zu bestehen, wo allein ein anderer Gamer namens Loki eine Gefahr scheint.
Doch dann passiert das Schlimmste im Leben eines Gamers: Der Computer stürzt ab und als er wieder hochgefahren ist, ist Jans Avatar verschwunden. Plötzlich muss sich Jan Offline bewähren, fährt verzweifelt zur Spielefirma, wo er auf eine andere Gamerin trifft, die ebenfalls Opfer eines Identitätsdiebstahls geworden ist: Karo (Mala Emde), ausgerechnet ein Mädchen, ein Wesen also, das Jan mindestens so fremd und unheimlich ist wie ein Ork. Notgedrungen tun sich die beiden zusammen, um ihre Avatare zu retten und beginnen eine Quest, der sie nicht durch virtuelle Welten führt, sondern durch die deutsche Pampa.
Ein ziemlich erstaunliches Projekt hat Regisseur Florian Schnell mit „Offline - Das Leben ist kein Bonuslevel“ auf die Beine gestellt und das als Abschlussfilm an der Filmhochschule Baden-Württemberg, wo normalerweise eher ernsthafte Dramen mit sozialem Anspruch entstehen. Jedenfalls nicht so ein verspieltes Konzept, bei dem Realität und Fiktion verschmelzen, visuelle Elemente eines Games – Energiebalken oder das Inventar des Rucksacks – im Filmbild erscheinen oder ganz zeitgemäß Textnachrichten eingeblendet werden.
Angesichts solcher visueller Ambition überrascht es nicht, dass die für erfolgreiche Mainstream-Filme wie „Wickie“ oder „Fack Ju Göthe“ bekannte Produktionsfirma Rat Pack an der Herstellung beteiligt war. So aufwändig wie diese Großfilme ist „Offline“ zwar nicht, doch auch wenn das Rendering der Game-Szenen nicht vom Hocker reißt, dass besondere an Schnells Film ist sein verspielter Charme, sein pointiertes, aber doch nicht zu verkopftes variieren eines klassischen Konzeptes. Waren es früher Bücherwürmer oder sonstige Einsiedler, die im Laufe einer Filmhandlung aus ihrem Kokon gerissen wurden und ihr theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen mussten, ist es hier ein Gamer, der sich bestens in virtuellen Welten auskennt, jedoch große Probleme hat, in der Wirklichkeit hinter die Fassade anderer Menschen zu schauen.
Ein schöner, kleiner Film also, dem man trotz eines Mangels an bekannten Schauspielern wünschen würde, mehr als ein gameaffines Publikum ins Kino zu locken.
„Offline“ läuft ab heute im Kino. Abb. © Little Dream Entertainment
Offline • Deutschland 2016 • Regie: Florian Schnell • Darsteller: Mala Emde, Moritz Jahn
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