„Wir werden alle sterben!“ – Skurile Doku über Weltuntergangsfanatiker
„Ich denke, in einer Krise braucht man auf jeden Fall Tomaten.“
Die Dystopie ist innerhalb der Science-Fiction ein stets wiederkehrendes Motiv, das sich besonders in den letzten Jahren vor allem im Kino und in TV-Serien übergroßer Beliebtheit erfreut hat. Die Weltuntergangsszenarien sind mannigfaltig, positive Ausblicke finden sich dagegen so gut wie keine, die Fantasie scheint dafür nicht auszureichen, ist vielleicht auch gar nicht mehr vorhanden. Aber man kann’s bei einem von den daueralarmistischen Massenmedien geprägte Blick aufs Weltgeschehen nicht verdenken: Klimakatastrophe, Krieg hier, Krieg da, Rechtsruck, Massenentlassungen und so weiter und so fort. Die Krise ist längst Normalität. Der Untergang scheint die einzig logische Konsequenz.
Unter diesen Vorzeichen wundern einen die im Dokumentarfilm „Wir werden alle sterben!“ vorgestellten Menschen, die eben diesen als Tatsache begreifen und dementsprechend handeln, Wasser und Nahrung im Keller horten, vakuumverpackte Lebensmittel an verschiedenen Stellen in Deutschland vergraben haben oder in umgebauten Raketenstationen wohnen, nicht wirklich.
Journalist und Filmemacher Benjamin Knight, der sich auf die Reise macht, um all diese Charaktere zu besuchen, sitzt – zumindest strickt er daraus das Narrativ für seinen Film – mit im Panikboot und meint in den ersten Minuten, dass er deshalb Journalist geworden ist, weil er glaubt, dass alles immer schlimmer wird.
Wobei die Porträtierten nicht durchwegs gedanklich am Abgrund stehen: Ein Netzwerk namens „Good Grief“ unterstützt dabei, die durch Klimawandel und systemische Probleme ausgelösten Ängste in den Griff zu kriegen, eine Schamanin mahnt zu mehr Gelassenheit, und in den Augen des indischen Schriftstellers Amitav Gosh handelt es sich bei der Zukunftsfurcht um eine westliche Befindlichkeit, da man sich in unseren Gefilden nun mal an eine ganz bestimmte Lebensart gewöhnt hat.
„Wir werden alle sterben!“ ist unterhaltsam und teils amüsant, allerdings wirkt die Aneinanderreihung von Gesprächspartnern und Spielszenen mit dem Regisseur, der sich manchmal etwas zu gerne selbst in Szene setzt, etwas willkürlich beziehungsweise arbeitet Knight kein klares Thema heraus. Um was genau geht es ihm eigentlich? Gedanklich wird die beschreibende Ebene kaum verlassen. Und es mag vielleicht lobenswert sein, dass der Filmemacher auch die auf doch sehr abseitigen Pfaden (ums mal so auszudrücken) wandelnden Interviewpartner nicht vorführt, sich ihnen aufrichtig, sanft nähert, aber dadurch, dass er waffenschwingenden Survivalisten genauso begegnet, wie seinen eher geerdeten Gesprächspartnern, verleiht er ersteren eine fragwürdige Legitimität. Man hätte da – auf ebenso respektvolle Weise – durchaus ein wenig tiefer gehen können.
Interessant wäre, gerade in einem solchen Kontext, die Frage gewesen, was Leben für diese Leute überhaupt bedeutet. Ist es wirklich sinnvoll in Anbetracht eines herannahenden Untergangs in von Angst beherrschter Habachtstellung zu verharren, den Tod zum Inhalt seines Daseins zu machen, oder sollte man nicht doch lieber den dunklen Wolken am Horizont trotzen und sich drauf konzentrieren das Hier und Jetzt möglichst fruchtbar zu gestalten? Es geht ja nicht nur darum, dass man (über-)lebt, sondern wie man lebt – es ist ein Unterschied ob man lebenssatt oder lebensmüde von dannen geht, und Angst schlägt häufig in Müdigkeit um.
Die Chance, dass jemand wie Prepper Reiner eine Maximalkatastrophe überlebt, mag vielleicht etwas größer als bei anderen sein, nur lässt seine völlig zugemüllte Wohnung zweifeln, ob er in diesem Fall vom geretteten Leben allzu viel hatte und ob er noch viel davon haben wird.
Wir werden alle sterben! • Deutschland 2024 • Regie: Benjamin Knight • Sprecher: Benjamin Knight, Jem Bendell, Reiner Gläser • ab dem 31. Oktober 2024 im Kino
Kommentare