„Wonderland“ – Reden mit den Toten
Ein ambitionierter südkoreanischer Film über die Möglichkeiten (und Probleme) von KI
Mit dem Titel „Ich bin für ein Verbot empfindungsfähiger Maschinen“ leitete Der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe ein Gespräch mit der Moralphilosophin Eva Weber-Guskar ein, die in ihrem neuen Buch „Gefühle der Zukunft“ darüber nachdenkt, welche Beziehung Menschen mit emotionaler künstlicher Intelligenz eingehen sollten. Eine Frage, die angesichts der rasanten Fortschritte von Chat-Programmen und anderen Künstlichen Intelligenz von zunehmender Bedeutung erscheint und auch in Filmen immer häufiger gestellt wird.
Das Verhältnis von Menschen und Robotern oder Androiden ist natürlich schon seit Jahrzehnten ein Thema der Science-Fiction, das fast immer auf die gute alte „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“-Frage zurückführt, was sich in der schönen neuen KI-Welt fortzusetzen scheint.
In „Wonderland“ etwa, einer Art melodramatisch-romantischem KI-Film des koreanischen Regisseurs Kin Tae-yong (Memento Mori, Family Ties, Late Autumn), der seit ein paar Tagen bei Netflix bereitsteht. In mäandernder, anfangs etwas gewöhnungsbedürftiger Erzählweise etabliert Kim diverse Figuren, die in einem futuristischen, extrem glatt wirkenden Korea leben. Bai-li (Tang Wei) etwa, die unterwegs zu einer archäologischen Ausgrabung im Nahen Osten ist, während sie ihre Tochter Jai bei der Großmutter in Obhut gegeben hat. Oder die Flugbegleiterin Jeong-in (Suzy Bae), deren Freund Tae-ju (Park Bo-Gum) sie jeden morgen aus dem Weltraum weckt, wo er als Astronaut um die Erde kreist. Bald stellt sich jedoch heraus, dass dieser Tae-ju nur eine KI ist, während der echte Tae-ju im Koma liegt.
Denn eine Firma namens Wonderland bietet die Möglichkeit, aus dem Geist von (fast) Verstorbenen KIs zu kreieren, mit denen die Lebenden via speziellem Handy kommunizieren. So avanciert ist die Technik, dass ausführliche, geradezu lebensecht wirkende Unterhaltungen möglich werden, was den Abschied von den eigentlich Verstorbenen zunehmend schwer werden lässt. Zumal die KIs selbst nicht wissen, das sie nicht mehr als virtuelle Klone realer Personen sind, was zum Problem für die Stabilität der künstlichen Realität werden kann. Wenn etwa der im Koma liegende Tae-jun überraschenderweise aufwacht, sich Jung-in allerdings noch nicht vom KI-Tae-ju trennen mag, denn der agiert viel angenehmer als ihr nun quasi auferstandener echter Freund.
Die lose, episodische Erzählweise von „Wonderland“ macht es möglich unterschiedliche Aspekte der Thematik anzudeuten, Menschen zu zeigen, die mit der KI fremdeln, andere, die im Kontakt zu ihr voll aufgehen, aber auch quasi auf die andere Seite zu springen, also in die KI. Dass das moderne Korea von futuristischer Architektur geprägt ist und technologisch zu den am weitesten entwickelten Ländern der Erde gehört, lässt die Grenzen zwischen virtueller und realer Welt ohnehin verwischen. Wenn die Erzählung bei Bai-li ist, dauert es daher eine ganze Weile bis man realisiert, dass sie die KI ist, die verstorben ist und nur zum Wohle ihrer jungen Tochter weiter exisitiert. Und sich dabei sogar menschlicher verhält, als die reale Bai-li es einst tat: Nachdem sie ein Telefonat mit der Tochter abrupt beendet hatte, um wie immer der Arbeit den Vorzug zu geben, realisiert die künstliche Bai-li, was sie getan hat – und tut etwas, was die echte wohl nie machte: Ihre Tochter zurückrufen und sich bei ihr entschuldigen.
Könnten gut programmierte KIs also die besseren Versionen von uns selbst sein? Wesen, mit unseren Eigenschaften, die aber unsere Fehler und Macken zunehmend ausmerzen? Und wäre das wünschenswert oder nicht vielmehr eine Horrorvorstellung?
Die rasante Entwicklung der KI dürfte solche Fragen in nicht allzu ferner Zukunft auf die Tagesordnung setzen. Nicht verkehrt also, das Filme wie „Wonderland“ sie schon einmal in einem Format durchspielen, das in nur wenigen Momenten wie Science-Fction wirkt, sondern sein futuristisches Konzept in glatten, realistisch anmutenden Bildern verhandelt. Um die Frage, ob Maschinen tatsächlich Gefühle haben oder diese nur simulieren (und wo genau der Unterschied liegt) dürfte in den nächsten Jahren in Philosophie und Kino intensiv gestritten werden.
Wonderland • Südkorea 2024 • Regie: Kim Tae-yong • Darsteller: Suzy Bae, Park Bo-Gum, Tang Wei, Choi Wook-sik, Jung Yu-mi • jetzt bei Netflix
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