20. Februar 2019 2 Likes

Bite me!

Mit einer furiosen Neuauflage des Survival-Horror-Klassikers „Resident Evil 2“ setzt Capcom neue Remake-Maßstäbe

Lesezeit: 6 min.

Manchmal geschehen noch Wunder…oder sogar deren Fortsetzung. So passiert bei Capcoms traditionsreicher Horror-Reihe Resident Evil, die sich nach quälenden Jahren des schleichenden Niedergangs ungefähr nach Teil 4 zuletzt mit dem als Reboot angelegtem siebten Teil im besten Sinne auf alte Tugenden besann und diese mit frischer Inszenierung und einigen neuen Qualitäten bereicherte. Nach diesem auch von uns zurecht gefeierten Triumph vor ziemlich genau zwei Jahren, mutete es doch etwas kurios an, dass sich Capcom vor einem sicher kommenden achten Teil zunächst an ein Remake des fast 20 Jahre alten zweiten Teils machte, der seinerzeit sogar hierzulande der Indizierung zum Opfer fiel und erst lange nach Veröffentlichung auch offiziell in Deutschland spielbar war.

Sicher, Teil 2 (seit dem 25. Januar erhältlich für PS4, Xbox One und PC) legte im Vergleich zum Vorgänger die Messlatte sowohl bei Gameplay wie Präsentation noch eine Schippe höher und bot mit einer Doppelkampagne der beiden späteren Serienlieblinge Claire und Leon gleich zwei spielbare Charaktere, die sich durch das von Zombies und anderem fies mutierten Getier überrannte Raccoon City kämpften. Aber es blieb die Frage: Warum diesen Klassiker gerade jetzt nochmal neu auflegen?

Wer auch immer an der Notwendigkeit des Remakes Zweifel gehabt haben sollte – spätestens das Ergebnis lässt jeden Kritiker verstummen. Denn Capcom hat sich – anders als vor vielen Jahren bei einer Neuauflage des Erstlings – eben nicht mit einer bloßen Hochskalierung oder anderweitiger kosmetischer Aufhübschungen begnügt, sondern Teil 2 komplett neu aufgesetzt, Areale, Gameplay und viele weitere Aspekte umgestaltet und so eines der brillantesten Horror-Abenteuer aller Zeiten geschaffen. So zelebriert Resident Evil 2 den perfekten Spagat zwischen Hommage an das Original und Weiterentwicklung im Gefolge des mit Teil 7 eingeschlagenen Pfads der Modernisierung.

An der Story hat sich zunächst nichts geändert. Wie im Original verschlägt es die beiden Rookies Claire Redfield, die auf der Suche nach ihrem Bruder Chris ist, und den Polizisten Leon Kennedy, der seine neue Stelle bei der örtlichen Polizei antreten will, nach Raccoon City, wo sie sie sich zufällig über den Weg laufen. Wie sie schnell am eigenen Leib herausfinden, sind vor Ort nur noch wenige Menschen am Leben, die nach dem Ausbruch gefährlicher Viren des Umbrella Konzerns ums nackte Überleben bangen müssen. Nachdem sich Leon und Claire nun gerade erst kennengelernt haben, werden sie von einem explodierenden Truck in der Stadt wieder getrennt und dürfen sich folglich erstmal jeweils allein durch den kommenden, gut zwölfstündigen Alptraum schießen, rätseln und rennen.

Zwar begegnen sie sich immer mal wieder, aber eine echte Interaktion fehlt ebenso wenig wie eine wirklich logische Verknüpfung der beiden parallel verlaufenden Kampagnen. Ob man nun zuerst mit Leon oder Claire spielt, ist dabei im Grunde egal. Beide erleben an den fast identischen Schauplätzen eine nicht ganz identische Kampagne, wobei es nach dem ersten Durchlauf wie schon beim Original die Möglichkeit gibt, über eine Art „Neues Spiel Plus“ mit dem jeweils nicht zuvor gewählten Charakter die Geschehnisse in einem etwas anderen Licht zu erleben.

Klingt kompliziert, bedeutet aber nur, dass Claire auf ihrem Weg zur Beschützerin der kleinen Sherry Birkin wird, deren Eltern tief verstrickt in die Machenschaften von Umbrella sind, während Leon zunehmend der Doppelagentin Ada Wong auf den amourösen Leim geht. Passend dazu, übernehmen wir auch zeitweise die Kontrolle über Sherry und Ada, die sich deutlich anders spielen als die beiden etatmäßigen Protagonisten und so speziell im Fall der völlig wehrlosen Sherry (Stichwort Hide and Seek-Passagen) für dezente Abwechslung sorgen.

Ansonsten besteht das Gameplay aus den urtümlichsten Zutaten des klassischen Survival-Horrors, wie ihn die Reihe selbst seinerzeit mitbegründet und für den Massenmarkt salonfähig gemacht hat. Die Suche nach knappen Ressourcen wie Munition, Heilkräutern (herrlich trashige Idee, wenn man mal darüber nachdenkt), weiteren Waffen und Gegenständen zur Lösung der wunderbar plump konstruierten Rätsel a la „Finde Zahnrad, um Uhrwerk in Gang zu bringen und so eine unerreichbare Schachtel zu erreichen“ fordert über die gesamte Spielzeit ähnlich stark wie die Angst vor den an jeder Ecke potenziell lauernden Untoten, die uns selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad in Windeseile verputzt haben.

Schießen ist hier wie zu besten Genrehochzeiten in den seltensten Fällen die beste Option, sondern eher geschicktes Weglaufen und ein umsichtiges Vorgehen bei der Planung der nächsten Schritte. Wer das nicht berücksichtigt, steht schnell ohne Munition und Lebensenergie da oder ärgert sich über den bewusst knapp gehaltenen Platz im Inventarsystem, der gerne mal verhindert, dass wir alle Gegenstände an einem Ort tatsächlich mitnehmen und sicher in einer der raren Boxen in den Arealen hinterlegen können. Allerdings haben die Macher mit viel Bedacht daran gearbeitet, Frust möglichst zu vermeiden. Wer genau sucht, findet fast immer ein wenig Munition und gerade in den Bossfights wurde auf Balance geachtet.

Doch was macht aus dem Remake nun tatsächlich diesen Übertitel, wie eingangs behauptet? Im Kern liegt das an der konsequenten Umsetzung all der spannungssteigernden Faktoren, die sich bereits beim Original abzeichneten, jedoch aufgrund der damals arg beschränkten Technik nicht (oder kaum) realisierbar waren. Das beginnt etwa bei der „Entschrankung“ der Areale. Wo früher jeder Raumwechsel mit endlosen Ladezeiten verbunden war und man sich so zwar vor den Monstern eines Raumes auch in Sicherheit bringen konnte, entfällt dieser Moment nun nahezu komplett. Wechseln wir also jetzt einen Raum, verfolgt uns die Gefahr (bis auf Save Rooms und einige andere ausgewählte Örtlichkeiten) und lässt uns so kaum Zeit zum Durchatmen.

Gerade wenn wir etwa vom unsterblichen Riesen namens Tyrant unerbittlich verfolgt werden, pumpt das Gameplay so permanent Adrenalin in uns. Damit zusammen hängt auch die frei steuerbare und eben nicht wie früher starr vorgegebene Kameraposition, die nun ein völlig neues Spielgefühl erlaubt. Sah man seinerzeit vor dem „Umschalten“ der Kameraeinstellung selbst in einem einzigen Raum häufig nicht, was sich dort eigentlich so tut, haben wir nun selbst die volle Übersichtskontrolle ohne irgendwelche nervigen Übersichtsprobleme.

Ein anderes Beispiel wären die schlicht grandiosen Licht- und Schatteneffekte, die in Kombination mit den ungemein detailreich animierten, wirklich widerlichen Monstern für eine einzigartige „Ich geh da nicht weiter“-Stimmung sorgen. Alles sieht fantastisch aus und sorgt so für eine Intensität, die uns den Horror glaubhaft wie nie zuvor erfahren lässt. Das Gefühl permanenter Beklemmung geht aufgrund klassischer „Erschrecker“ wie den Lickern (aber auch einiger neuer Mutationen) zu keiner Phase wirklich zurück, obwohl das Remake auch mittels gut integrierter Tutorials den Einstieg nicht unnötig erschwert und dank markant unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade für jeden Spielertyp die richtige Anforderung bereithält.

Gleiches gilt die dichte Soundkulisse, die sehr flüssige Performance und die stimmungsvollen Ideen, die in jedem der Areale auf uns warten. Gerade weil Kenner des Originals so oft genug auf eine falsche Fährte gelockt werden und sich vermeintlich zu sicher fühlen, was denn nun als nächstes passieren wird, haben sie vielleicht sogar etwas mehr Spaß mit dem Remake als Neulinge. Ladezeiten gehören nun fast komplett der Vergangenheit an und auch wenn das Inventarsystem wie eben angesprochen immer noch zur Steigerung der Spannung begrenzt wurde, so ist es wie das fürchterliche Farbband-Speichersystem früherer Tage endlich kein Spielspaßkiller mehr (außer man wählt es in den Optionen so aus).

Das sich immer noch auf galantem B-Movie-Niveau bewegende Storytelling wurde ebenfalls im Rahmen des erzählerisch Möglichen zumindest inszenatorisch deutlich verbessert, sodass die zwar nach wie vor eher flachen, aber sympathisch unterhaltsamen Figuren einige wirklich lässige Auftritte aufs Parkett legen (Stichwort Ada Wong). Außerdem haben die Macher nun bisher vernachlässigte Charaktere wie Sherrys gnadenlos berechnende Mutter stärker in die Storyline einbezogen, sodass auch an dieser Stelle – wie bei den Untoten – ein wesentlich differenzierteres, ja sogar für Horrorverhältnisse letztlich authentisches Gesamtbild aufscheint als früher.

Einziger echter Wermutstropfen bei all dem Lob: die leider etwas zu schematischen Bossfights, die sich mit ihrer Formel „Halte etwas Abstand, schieß auf die offensichtlichen Schwachpunkte und weiche den wenigen heftigeren (Sprung-)Attacken aus“ im Grunde fast immer gleich anfühlen. Selbst der Kampf gegen das mutierte Riesenkrokodil (ein echter Fan-Fav von damals) wurde zur bloßen Wegrenn-Sequenz reduziert, die man schneller vergessen hat als jeden plötzlich wieder aufstehenden Zombie, den man zuvor eben leider nur vermeintlich mit gezielten Kopfschüssen zur Strecke gebracht glaubte. Das ist leider trotz teils bombastischer Inszenierung (speziell zum Finale) spielerisch etwas zu wenig, um das hohe Gesamtniveau des Titels in dieser doch wichtigen Disziplin der Highlight-Gefechte vollends mitzugehen. Schade, aber verschmerzbar.

Fazit

Unglaublich intensiv, technisch brillant und nahezu fehlerfrei umgesetzt: Wenn Capcom nach diesem genialen Remake mit der gesamten Resident Evil-Reihe so weitermacht, sollte Survival-Horror-Fans wahrlich nicht bange sein um die Zukunft erstklassiger Horrorunterhaltung.

Resident Evil 2 Remake • Capcom • Survival-Horror • PS4, Xbox One, PC

Abbildung © Capcom

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