„Kena: Bridge of Spirits“: Die Seele der Animation
Ab sofort im Handel erhältlich
Grafisches Design erster Güte, Story mit Herz und Charme und Zwischensequenzen oberster Spitze – „Kena: Bridge of Spirits“ ist ein Erstlingswerk Ember Labs in Zusammenarbeit mit Sparx. Allerdings wirkt es zumindest vom optischen Standpunkt aus wie ein kleines Meisterstück – was daran liegt, dass die Köpfe dahinter allesamt erfahrene Branchentausendsassa sind. Die Köpfe von Ember Labs, die Brüder Grier, waren in der Werbe- und Appbranche tätig, während Sparx an einer Vielzahl von großen Marvelfilmen arbeitete wie „Avengers: Endgame“ sowie an „Ready Player One“ und diversen „Star Wars“-Iterationen. Das Portfolio ist endlos und beeindruckend. „Kena“ trägt das Herz am rechten Fleck – und ab sofort ist das Spiel für PS4 und PS5 auch als physische Deluxe Edition im Handel erhältlich – hat aber spielerisch ein paar kleine Macken, die den Gesamteindruck kaum schmälern.
„Kena: Bridge of Spirits“ folgt der jungen, titelgebenden Kena, einer Seelenführerin, die es zur Aufgabe hat, unruhigen Seelen den Weg ins Jenseits zu zeigen. Traumata oder unvollendete Aufgaben halten die Geister der Toten in der materiellen Welt fest und stören so das Gleichgewicht. Kena sieht sich auf dem Weg zu einem heiligen Bergschrein einem ausgelöschten Dorf konfrontiert, hinter dessen Vernichtung und Korrumpierung ein mysteriöser Maskierter steht, der zudem alle Bewohner des umgebenen Waldes in schreckliche Monster verwandelt. Neben ihrem Geisterstab stehen Kena im Verlauf des Spiels auch Geisterbogen, Bomben und Schilder zur Verfügung – aber allem voran die Stars des Spiels: die kleinen, niedlichen, ängstlichen Geister namens Rot.

Die schwarzen Waldgeister mit den großen Augen dienen Kena zur Fortbewegung im Wald und lösen vielen der Rätsel, indem man Statuen, Felsbrocken und ähnliches verschiebt. Im Kampf sind die Rot als magischer Helfer zu verstehen: mit freigeschalteten Fähigkeiten lassen diese sich bei gefülltem Rot-Meter kurzzeitig gegen Feinde hetzen, in besonders starken Pfeilen infundieren oder zu gezielten Nahkampfattacken umwandeln, wie einer flächendeckenden Hammerattacke. Die korrumpierten bösen Wesen des Waldes machen es Kena nicht ganz leicht in den abgesteckten Kampfarenen, ähnlich wie bei „Devil May Cry“, aber mithilfe der Rot wird jeder Korruptionsnexus in Form von korrumpierten Blüten gesäubert und das Land erblüht in üppiger Grüne. Zwischen den abgesteckten Kampfarenen warten etliche Bosskämpfe auf Kena, die sich allesamt unterschiedlich spielen und eine gute Kenntnis der eigenen Fähigkeiten erfordern, aber auch viele der bereits erwähnten Rätsel und Kletterpassagen die sich ganz wie in „Uncharted“ oder „Tomb Raider“ spielen. Darüber hinaus gibt es im ganzen Wald immer weitere Rot zu finden, die Kenas Fähigkeiten stärken und optische Accessoires für die Rot in Form von Hüten. Und diese sind der völlig überflüssige, aber herzerweichende Faktor der Rot. Mit jedem gefundenen Rot folgt ein weiterer sichtbar Kena im Verlauf des Spiels, was zu späteren Stunden eine wahre Horde an schwarzfelligen Wesen zu Kenas Füßen heranwächst. Und jeder dieser kleinen Racker lässt sich bei einem Hutstand mit den gefundenen Hüten ausstaffieren. Ein Kleeblatt auf dem Kopf? Einen Frosch? Eine Geistermaske? Oder ganz klassisch eine Baseballcap? Es tut rein spielerisch nichts zur Sache, aber die aufgeregten Kinder- oder Erwachsenenschreie sind garantiert, wenn ein neues, unglaublich amüsantes Hütchen gefunden wird, und Kena in den etlichen Momenten zwischen der Action mit genau jenem Rot interagiert.

Neben den atemberaubenden Zwischensequenzen und dem charmanten Dasein der Rot bleiben aber auch einige, kleine Wermutstropfen über. Während sich Kena insgesamt gut spielt, stellen sich einige der Rätsel, oder besser gesagt der Spielerführung durch diese, als verworrener dar, als es nötig wäre. Des Häufigeren findet man sich in einem Gebiet wieder, bei dem man erst mal fünf Minuten nach dem weiteren Fortgang forschen muss und man manchmal so recht gar nicht weiß, was überhaupt gerade zu tun ist, oder wohin man überhaupt als Spieler hin soll. Dabei wäre das Problem charmant und einfach gelöst, wenn die Rot per Knopfdruck beispielsweise einen Pfeil darstellen könnten, oder mit Interaktionen auf zu interagierende Objekte deuten. Darüber hinaus könnten das Jump-&-Running mehr Feinschliff oder eine leichter Überarbeitung vertragen, was gerade bei den Sprungpassagen garantiert häufiger für Frust sorgen wird. Kena verfügt über einen Doppelsprung, dessen „doppelter“ Sprung eher wie ein lachhafter Nachgedanke wirkt als tatsächlich nützlich zu sein. Nur ärgerlich, dass später etliche Passagen nur mit äußerster Feinarbeit mit jenem Doppelsprung erreichbar sind und viel Trial-&-Error mit sich bringen werden. Ebenso ist das Kampfgeschehen um Kena alles andere als schlecht oder unintuitiv, allerdings gilt auch hier dasselbe: Etwas mehr Tuning am Spielgefühl des Schlagens, Ausweichens und Co hätten große Wunder getan, denn so wirkt Kenas Steuerungsgefühl noch zu abgehackt und spürbar nach „Aktionen“, die Frame für Frame ausgeführt werden, statt nach einer dynamischen Figur.

So bleibt abschließend zu sagen, dass „Kena: Bridge of Spirits“ ein erneutes Aushängeschild für die konsolenexklusive Sonyfront ist, gerade was die atemberaubende und charmante Präsentation betrifft – und sich auch PC-Spieler gütlich daran tun können. Die jüngeren Spieler könnten mit den Rätseln, frickeligen Steuerung und den Bossmechaniken etwas überfordert sein, was aber trotzdem jeden „Avatar: Der Herr der Elemente“-Fan nicht davon abhalten sollte, etwas im Geiste Gleichgesinntes in Videospielform zu genießen. Aber für eine neue Adventure-IP stehen die kleinen Hütchen den Rot-Geistern trotzdem verdammt gut.
„Kena: Bridge of Spirits“ ist seit dem 21. September 2021 digital erhältlich und seit dem 19. November 2021 auch als physische Deluxe Edition für Playstation 4 und 5 sowie Windows.
Kena: Bridge of Spirits • Ember Lab • Adventure • PC/PS4/PS5
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