9. November 2017 3 Likes

Superfart Heroes

Das RPG „South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe“ lässt sogar den eigenen Vorgänger hinter sich

Lesezeit: 5 min.

Fürze! Immer wieder Fürze! Genau dieser Gedanke drängt sich in den gut 18-20 Spielstunden des für PS4, Xbox One und PC erschienenen, zweiten Rollenspiels zur Kultserie South Park immer wieder auf. Mit dem alles andere als subtilen Zusatztitel Die rektakuläre Zerreißprobe (im Englischen noch genialer bzw. runder: The Fraktured But Whole) gelang Ubisoft in enger Zusammenarbeit mit den TV-Machern der Serie ein RPG, das nahezu alle (ohnehin eher kleinen) Macken des Vorgängers ausmerzt und so als bester Fanservice im Bereich Game-Adaption durchgeht, den man sich vorstellen kann. Oder fällt jemandem in der ewigen Liste an schrottigen Adaptionen ein, das alle Kernaspekte der Vorlage so konsequent in ein Game überträgt, und dem es darüber hinaus aber dennoch ebenso gelingt, auch spielerisch zu überzeugen? Falls ja: Die Ausnahme bestätigt bekanntermaßen die Regel. 

Aber was hat das jetzt eigentlich mit Fürzen zu tun? In Die rektakuläre Zerreißprobe drehen sich Story wie Gameplay im Grunde dauernd um körpereigene Abgase, sodass wir froh sein sollten, noch ohne Geruchsbildschirme auskommen zu dürfen. Wie im Vorgänger Der Stab der Wahrheit erleben wir den üblichen South Park-Wahnsinn aus der Sicht eines stummen, letztlich charakterlich ziemlich leeren Avatars - der in der dt. Fassung entder der Neue oder einfach nur Arschlord genannt wird -, den wir im Verlauf des Abenteuers nach Lust und Laune optisch anpassen und jederzeit verändern können.

Im Kern dreht sich die Story um den bereits aus mehreren Staffeln der Serie bekannten Zwist zwischen Coon and Friends und den Freedom Pals, also den beiden Superhelden-Fraktionen, die Cartman, Kyle, Stan und Co im Stile von DC- und Marvel als konkurrierende Franchises betreiben und im Rahmen ihrer Kinderspiel-Sessions - wie gewohnt - völlig übertreiben. Wir geraten mit unserem Pseudohelden, dessen wichtigste Kraft tatsächlich darin besteht, mit seinen Fürzen Gegner zu schwächen, Hindernisse zu beseitigen, zu fliegen oder auch mal schlicht in der Zeit zu reisen, natürlich hoffnungslos zwischen die Fronten und bekommen es mit allerhand bekannten Figuren und Wesen aus dem South Park-Universum zu tun.

Die Story spielt dabei in der gesamten Kleinstadt und bemüht sich sehr gut darum, deren satirische wie geschmacklose Facetten inklusive ihrer abstrusen Bewohner allesamt einzufangen. Welcher Fan freut sich nicht darauf, sich mit einem völlig besoffenen Randy anzulegen, geklonten Wesen mit mehreren Ärschen im Genlabor zu entkommen, Morgan Freemans Taccos zu essen, um noch mehr Furzweisheit zu erlangen, für die Polizei Drogenbarone festzunehmen (was nichts anderes heißt als einfach nur reiche Schwarze einzubuchten und sie dann einer monströsen Gottheit im Polizeikeller zu opfern) oder Alufolienfiesling Professor Chaos mal wieder zu beweisen, dass kleine Hamster eben doch keine wirklich gefährlichen Lakeien sind. Weitere Aufzählungen ersparen wir uns spoilertechnisch, aber es dürfte ohnehin klar sein, dass hier eher Kenner auf ihre Kosten kommen, da nur sie mit den zahlreichen Querverweisen und Figuren etwas anfangen können. 

Neben der gelungenen Story wurde auch die Stadt erneut sehr gut designtechnisch bis ins Detail umgesetzt. Schnell findet man sich zurecht, schaltet Schnellreisepunkte frei und kann mit steigenden Fähigkeiten immer weitere Wege freischalten. Ähnlich Positives lässt sich über die technische Umsetzung sagen, die neben den Originalstimmen der Serie auch den Zeichentrickstil inklusive des typischen Gesamtflairs aufbietet, um so an der Stelle keine Wünsche offenzulassen.

Zugegeben: Das ist bei der Vorlage vielleicht nicht so schwierig, dennoch ist es löblich, dass die Entwickler selbst kleinere technische Störquellen wie Kantenflimmern oder längere Ladezeiten sehr gut in den Griff bekommen haben. Da die Karte übersichtlich gehalten ist und die zahlreichen Zwischensequenzen ohnehin eins zu eins wie in der Serie rüberkommen, gibt es an der Technik und Umsetzung nichts fundamental zu beanstanden. 

Kommen wir zum Gameplay, das ebenfalls einen insgesamt leicht besseren Eindruck hinterlässt als im Vorgänger. Grundsätzlich werden wir stets von einer Mission zur nächsten geschickt, wobei neben den Story- auch kleinere Sidequests warten, die wir optional und nach eigenem Gusto angehen können. Bis auf wenige größere Gebiete, die wir am Stück abklappern und mit einem krachenden Bossfight abschließen müssen, beschränken sich die Aufgaben auf Cutscenes gepaart mit kleineren Such- oder Kombinationsaufgaben und wenigen Kämpfen.

Da kaum eine Mission wirklich länger dauert, motiviert der Spielrhythmus umgemein. Dazu passt die Option, frei Speichern zu können. Die fair gesetzten Checkpoints inklusive eines jederzeit umstellbaren Schwierigkeitsgrades vermeiden zusätzlich jeden Frust, der sich aufgrund des moderaten Aufbaus der Kampagne und vieler konkreter Hinweise ohnehin kaum einstellen kann. 

Die Kämpfe laufen nach klassischem Rollenspiel-Muster rundenbasiert ab. Das bedeutet, dass wir in der Regel mit einer Party aus wechselnden Mitgliedern und unterschiedlicher Anzahl in die Gefechte ziehen und nach einer festen Reihenfolge unsere Aktionen zwischen Angriff, Verteidigung und Magie ausführen. Zu beachten ist allerdings vor allem die Positionierung auf dem unterteilten Kampffeld, denn sie bestimmt je nach Aktion unsere Reichweite oder auch die unserer Kontrahenten, womit eine weitere Prise Taktik in die Gefechte Einzug hält - gut so.

Da wir im Spielverlauf mehrere Klassen freischalten, wechseln und mit zusätzlichen Skills weiterentwickeln können, kommt auch hier trotz des etwas repetitiven Ablaufs nicht wirklich Langeweile auf. Das liegt vor allem am Design der Gegner, die selbst bei Standardkonfrontationen gegen Ninjas, ruppige Sechstklässler oder prollige Hinterwäldler immer mit witzigen Sprüchen und absurden Angriffen für Laune sorgen. Zusätzlich sorgen die vielen verschiedenen Partymitglieder mit ihren individuellen Superheldenfähigkeiten für Variabilität in den Battles. Dass hier ebenso teilweise extrem groteske Attacken warten, die uns zwischen Ekel und Loslachen alles abverlangen, liegt da selbstverständlich auf der Hand.

Optimalerweise können wir selbst bestimmen, ob wir die gut sichtbaren Gegner wirklich angreifen oder ihnen lieber aus dem Weg gehen wollen, wenn wir nicht auf Erfahrungspunkte-Tour sind. Dennoch könnte man an dieser Stelle den vielleicht einzigen Kritikpunkt mit Gewicht ansprechen: Ein wenig mehr Abwechslung hätte den Kämpfen, aber vor allem auch dem gesamten Gameplay gut getan.

Denn es gibt leider zu wenig andere Spielmechaniken, die den sich wiederholenden Kreislauf aus Crafting, Erkunden, Kämpfen und Furzen wirklich auflockern würden. Ein gelungenes Beispiel findet sich im Game etwa mit der kleinen 2D-Run-and-Shoot-Passage, in der wir eine Fischmama auf dem Rücken eines Einhorns in den Himmel leiten - bitte mehr davon! Zumal es gerade im Kontext South Park einfach passt und ohne Probleme zu integrieren wäre.

Fazit

Flair, Stil, Inszenierung oder Story. Die rektakuläre Zerreißprobe ist die ultimative und daher im Grunde (fast) perfekte Adaption des South Park-Universums. Wer auch nur halbwegs mit den Cartoon-Figuren von Trey Parker und Matt Stone etwas anfangen kann, sollte daher selbst als Nicht-Rollenspieler dem Titel eine Chance geben. Denn Die rektakuläre Zerreißprobe serviert allen Fans (und um die geht es bei diesem Titel primär!) genau das, was sie an der Serie lieben.

Und das auch noch mit einem mehr als soliden, abwechslungsreichen und witzigen Kampf-, Craft- und Skillsystem, das sogar eingefleischte RPG-Zocker anzusprechen vermag. Wenn nun noch ein paar weitere Gameplay-Mechaniken und zusätzliche Missionstypen ihren Weg in einen weiteren Ableger dieser Qualität finden, sind endgültig alle wesentlichen Punkte vom Tisch. Doch schon jetzt gilt - Es lebe der Furz!

South Park: Die Rektakuläre Zerreißprobe • Ubisoft • RPG

Abb. © Ubisoft

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