6. Januar 2020 2 Likes

Systemausfall #2

Eine Episode aus Martha Wells’ Roman „Tagebuch eines Killerbots“ als Seriennovelle – 2. Teil

Lesezeit: 47 min.

Martha Wells hat uns in ihrem Hugo-Award-gekrönten Roman „Tagebuch eines Killerbots“ (im Shop) einen Vorgeschmack auf das Innenleben von Robotern gegeben. Martha Wells: Tagebuch eines KillerbotsIn drei Folgen haben Sie nun Gelegenheit, „Systemausfall“, den ersten Teil des Romans, hier kostenlos zu lesen.

Worum geht’s?

In der fernen Zukunft hat sich die Menschheit in der gesamten Galaxis ausgebreitet. Interstellare Megakonzerne haben mithilfe von seelenlosen Kampfrobotern alles unter ihre Kontrolle gebracht. Einer dieser Bots wurde nun ausgemustert und wird als SecurityUnit für Menschen eingesetzt. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für den Bot, um die eigene Steuerung zu hacken, ein eigenes Bewusstsein zu erlangen und über die eigene Rolle im Universum nachzudenken …

(Lesen Sie Teil #1/3

 

SYSTEMAUSFALL
#2/3

 

4

Wir flogen die ganze Nacht hindurch. Die Menschen fertigten Luftbilder an und diskutierten das neue Gelände jenseits unseres Vermessungsgebiets. Nun, da wir wussten, dass wir uns auf unsere Karte kaum verlassen konnten, interessierte sie brennend, wie der Planet aussah.

Mensah teilte alle in Wachschichten ein, mich eingeschlossen. Das war neu, aber durchaus willkommen, denn es lief auf Zeitabschnitte hinaus, in denen niemand von mir erwartete, dass ich aufpasste und ich es auch nicht vortäuschen musste. Mensah, Pin-Lee und Overse wechselten sich außerdem im Cockpit ab, sodass mir einiges an Sorgen darüber erspart blieb, dass der Autopilot uns umbringen wollte, und ich auf Standby gehen und meinen heruntergeladenen Serienvorrat gucken konnte.

Wir waren schon eine ganze Weile in der Luft, Mensah am Steuer mit Pin-Lee als Copilotin, als Ratthi sich in seinem Sitz zu mir umdrehte und sagte: „Wir haben gehört – also, wenn wir das richtig verstehen, bestehen humanoide Roboteinheiten teilweise aus … geklontem Material.“

Vorsichtig hielt ich die Folge an, die ich gerade anschaute. Mir gefiel nicht, wo das hier vielleicht hinführen konnte. Das steht alles in der Datenbank Allgemeinwissen und dazu noch ein weiteres Mal in der Firmenbroschüre über die verschiedenen angebotenen Einheiten. Was er als Wissenschaftler wusste. Und er war auch nicht der Typ Mensch, der Sachen fragte, die er problemlos über Feed nachschlagen konnte. „Das stimmt“, sagte ich und achtete sorgfältig darauf, dass meine Stimme so neutral wie immer klang.

Ratthis Miene war beunruhigt. „Aber du hast doch bestimmt … du hast eindeutig Gefühle …“

Ich verzog das Gesicht. Ich konnte nicht anders.

Overse war im Feed mit einer Analyse der Daten aus den Erkundungen beschäftigt gewesen. Sie sah auf und runzelte die Stirn. „Ratthi, was machst du da?“

Er verzog schuldbewusst das Gesicht. „Ich weiß, Mensah sagt, wir sollen das nicht, aber …“ Er wedelte mit der Hand. „Du hast sie doch gesehen.“

Overse zog ihr Interface herunter. „Du regst sie auf“, sagte sie und bleckte die Zähne.

„Aber darum geht‘s doch gerade!“ Er gestikulierte frustriert. „Wie mit Roboteinheiten umgegangen wird, ist abscheulich. Es ist grauenhaft und läuft auf Sklaverei hinaus. Eine Einheit ist genauso wenig eine Maschine wie Gurathin …“

Overse erwiderte entgeistert: „Und du meinst, das weiß sie nicht?“

Ich soll die Klienten mit mir reden und machen lassen, wie es ihnen gefällt, und bei funktionierendem Chefmodul bliebe mir auch keine andere Wahl. Außerdem soll ich Klienten ausschließlich an die Firma verpfeifen, an niemand anderen. Aber die Alternative wäre gewesen, mich aus der Luke zu stürzen. Ich packte das Gespräch in den Feed und markierte es für Mensah.

Aus dem Cockpit kam ihr Ruf: „Ratthi! Das haben wir doch besprochen!“

Ich glitt aus dem Sitz und ging in den hinteren Teil des Hoppers, so weit weg wie möglich, mit dem Gesicht zu den Materialfächern und dem Klo. Das war ein Fehler; so etwas tat eine SecUnit mit intaktem Chefmodul nicht. Aber sie achteten gar nicht darauf.

„Ich entschuldige mich bei ihr“, erklärte Ratthi gerade.

„Nein, lass sie einfach in Ruhe“, sagte Mensah.

„Das würde es nur noch schlimmer machen“, fügte Overse hinzu.

Ich stand da, bis sie sich alle wieder beruhigten und niemand mehr etwas sagte, dann glitt ich in einen der hinteren Sitze und stellte meine Serie wieder an.

+

Mitten in der Nacht fiel der Feed aus.

Ich hatte ihn nicht benutzt, aber ich ließ die SecSystem-Feeds der Drohnen und der Innenkameras im Hintergrund laufen und versicherte mich ab und zu, dass alles in Ordnung war. Die Menschen im Habitat waren aktiver als sonst um diese Uhrzeit, wahrscheinlich aus Nervosität, weil sie sich fragten, auf was wir bei DeltFall stoßen würden. Ich hörte, wie Arada ab und zu herumlief, während Volescu in seiner Koje mal lauter und mal leiser schnarchte. Bharadwaj wohnte inzwischen wieder in ihrer Kabine, aber sie war unruhig und ging im Feed ihre Feldnotizen durch. Gurathin war in der Kuppel und bastelte irgendetwas an seinem persönlichen System. Ich fragte mich, was, und fing gerade an, mich via HabSystem zu ihm vorzutasten. Als der Feed ausfiel, fühlte sich das an, als hätte jemand dem organischen Teil meines Gehirns eins übergebraten.

Ich setzte mich auf. „Der Satellit ist ausgefallen.“

Alle außer Pin-Lee am Steuer griffen prompt nach ihren Interfaces. Ich sah ihre Mienen, als sie die Stille spürten. Mensah drückte sich aus ihrem Sitz hoch und kam nach hinten. „Bist du sicher, dass es am Satelliten liegt?“

„Absolut“, sagte ich. „Ich pinge ihn laufend an, und es kommt keine Antwort.“

Wir hatten immer noch unseren lokalen Feed, der auf dem System des Hoppers lief, also konnten wir weiterhin genauso gut darüber kommunizieren und Daten austauschen wie über Funk. Wir hatten nur deutlich weniger Daten zur Verfügung als bei einer bestehenden Verbindung zum HabSystem. Wir waren inzwischen so weit entfernt, dass wir den Funksatelliten als Relais brauchten. Ratthi schaltete sein Interface auf den Hopperfeed um und ging die Scanner durch. Sie zeigten nichts als leeren Himmel; ich hatte sie nach hinten gelegt, aber so eingestellt, dass sie mich bei auffälligen Energiequellen oder großen Lebensformen benachrichtigten. Er sagte: „Mich hat‘s gerade eiskalt überlaufen. Ging das noch jemandem so?“

„Ein bisschen“, gab Overse zu. „Das ist schon ein merkwürdiger Zufall, oder?“

„Der verfluchte Satellit fällt doch ständig aus“, widersprach Pin-Lee im Cockpit. „Wir brauchen ihn nur normalerweise nicht für die Kommunikation.“ Sie hatte recht. Ich soll mir regelmäßig die persönlichen Protokolle der Klienten ansehen, um sicherzustellen, dass sie nicht planen, die Firma zu betrügen oder einander umzubringen oder so, und als ich Pin-Lee das letzte Mal überprüft hatte, war sie gerade damit beschäftigt gewesen, die Störfälle des Satelliten in einer Tabelle zusammenzufassen und nach einem Muster zu suchen. Noch so ein Problem, das mir egal war, weil der Entertainmentfeed nur selten aktualisiert wurde und ich mir meine Sachen immer auf den lokalen Speicher runterlud.

Ratthi schüttelte den Kopf. „Aber jetzt sind wir zum ersten Mal so weit vom Habitat weg, dass wir auf ihn angewiesen sind, um Funkkontakt zu halten. Das ist schon komisch, und nicht lustig-komisch.“

Mensah sah sich unter ihnen um. „Möchte jemand, dass wir umkehren?“

Ich schon, aber ich durfte ja nicht mitbestimmen. Die anderen saßen stumm da, dann sagte Overse: „Wenn da wir nicht hinfliegen und hinterher erfahren, dass sie bei DeltFall Hilfe gebraucht hätten, wie geht es uns dann damit?“

„Wenn eine Chance besteht, dass wir Leben retten können, dann müssen wir sie auch nutzen“, stimmte Pin-Lee zu.

Ratthi seufzte. „Nein, ihr habt recht. Ich würde mir schreckliche Vorwürfe machen, wenn jemand stirbt, nur weil wir übervorsichtig waren.“

„Dann sind wir uns einig“, sagte Mensah. „Wir setzen unseren Flug fort.“

Ich hätte es lieber gehabt, sie wären übervorsichtig gewesen. Bei früheren Aufträgen war die Ausrüstung der Firma auch schon extrem anfällig für Fehler gewesen, aber diesmal schien mir doch mehr dahinterzustecken. Ich hatte nichts Greifbares, nur dieses Gefühl.

Bis zu meiner nächsten Wachschicht blieben noch vier Stunden, also ging ich auf Standby und vertiefte mich in meine Downloads.

+

Als wir ankamen, dämmerte es. DeltFall hatte ihr Lager in einem weiten Tal aufgeschlagen, das von hohen Bergen umgeben war. Ein Spinnennetz von Bachbetten durchschnitt das Gras, aus dem sich gedrungene Bäume erhoben. Ihre Operation war größer als unsere, sie verfügten über drei miteinander verbundene Habitate, einen Unterstand für Oberflächenfahrzeuge sowie eine Landefläche für zwei große Hopper, einen Lastenschlepper und drei kleine Hopper. Es handelte sich allerdings komplett um geleastes Firmengerät, das denselben Fehlfunktionen unterlag wie der Mist, den sie uns geliefert hatten.

Niemand war im Freien, nichts bewegte sich. Keine Hinweise auf Beschädigung oder auf die Annäherung feindlicher Fauna. Der Satellit war nach wie vor ausgefallen, aber Mensah hatte versucht, mit dem DeltFall-Habitat Funkverbindung aufzunehmen, seit wir in Reichweite waren.

„Fehlen Fahrzeuge?“, fragte Mensah.

Ratthi überprüfte das Verzeichnis ihres Fuhrparks, das ich vor unserem Abflug aus dem HabSystem kopiert hatte. „Nein, die Hopper sind alle da. Ihre Bodenfahrzeuge sind in diesem Unterstand, schätze ich.“

Ich war während unserer Annäherung nach vorn gegangen und stand nun hinter dem Pilotensitz. „Dr. Mensah, ich empfehle, Sie landen außerhalb des Perimeters.“ Ich schickte ihr über den lokalen Feed alle Infos, die ich hatte, nämlich dass ihre automatisierten Systeme auf die Pings des Hoppers reagierten, aber mehr auch nicht. Ihren Feed bekamen wir nicht rein, und das bedeutete, dass ihr HabSystem auf Standby war. Von ihren drei SecUnits kam gar nichts, nicht mal ein Ping.

Overse im Copilotensitz sah mich an. „Wieso?“

Ich musste die Frage beantworten, also sagte ich: „Sicherheitsprotokoll.“ Das klang gut, ohne mich festzulegen. Niemand draußen, niemand antwortete über Funk. Wenn sie nicht allesamt für einen Ausflug in ihre Oberflächenfahrzeuge gehüpft waren und vorher ihr HabSystem und ihre SecUnits runtergefahren hatten, dann waren sie tot. Pessimismus bestätigt.

Aber sicher wussten wir es nur, wenn wir nachsahen. Die Scanner des Hoppers können das Innere der Habitate wegen der Abschirmung, die eigentlich nur dazu dient, firmeneigene Daten zu schützen, nicht erkennen, also bekamen wir keinerlei Vitalzeichen oder energetische Messwerte rein.

Deshalb hatte ich gar nicht erst herkommen wollen. Ich hatte hier vier absolut gute, intakte Menschen und wollte nicht, dass sie durch dasselbe umkamen, das DeltFall ausgeschaltet hatte. Es ist nicht so, dass ich um sie persönlich Angst hatte, aber es würde sich schlecht in meiner Akte machen, und die sah schlimm genug aus.

„Wir sind einfach nur vorsichtig“, sagte Mensah zu Overse. Sie landete den Hopper am Rand des Tals, auf der gegenüberliegenden Seite der Bäche.

Ich gab Mensah über Feed ein paar Hinweise. Dass sie sich mit den Handwaffen aus der Krisenausrüstung bewaffnen sollten, dass Ratthi mit abgeriegelter und abgedichteter Luke im Hopper bleiben sollte, weil er kein einziges Schusswaffentraining mitgemacht hatte, und, am allerwichtigsten, dass ich vorgehen sollte. Sie waren still, gedämpft. Bis zu diesem Moment waren sie wahrscheinlich von irgendeiner Naturkatastrophe ausgegangen und hatten sich vorgestellt, Überlebende aus einem eingestürzten Habitat auszugraben oder dabei mitzuhelfen, eine Herde von Feind-eins-Kreaturen abzuwehren.

Hier war irgendetwas anderes passiert.

Mensah gab die Anweisungen, und wir stiefelten

los, ich vorneweg, die Menschen mit ein paar Schritten Abstand hinterher. Sie trugen ihre Schutzanzüge, komplett mit Helm, aber die waren auf Umweltrisiken ausgelegt, nicht auf schwerbewaffnete Menschen (oder freidrehende SecUnits), die es darauf anlegten, Leute zu killen. Ich war noch nervöser als Ratthi an seinen Scannern, der uns praktisch bei jedem zweiten Schritt über Funk ermahnte, dass wir bloß aufpassen sollten.

Ich hatte meine integrierten Energiewaffen und die große Projektilwaffe, die ich vor der Brust trug. Außerdem hatte ich sechs Drohnen aus der Ausstattung des Hoppers, die ich über seinen Feed steuerte. Es war die kleine Sorte, knapp einen Zentimeter Durchmesser, ohne Bewaffnung, nur Kameras. (Es gibt auch welche, die nicht viel größer sind und eine kleine Impulswaffe tragen, aber dafür braucht es eines der schickeren Leasingpakete, die für deutlich größere Projekte gedacht sind.) Ich sagte den Drohnen, dass sie aufsteigen sollten, und gab ihnen ein Aufklärungsschema.

Das tat ich, weil es mir vernünftig erschien, und nicht, weil ich wusste, was ich tat. Ich bin kein Kampfbot, ich bin Security. Ich hindere diverses Zeug daran, die Klienten anzugreifen, und ich versuche die Klienten mit sanftem Nachdruck davon abzuhalten, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen. In dieser Situation war ich mehr als überfragt, und auch aus diesem Grund hatte ich nicht gewollt, dass die Menschen mitkamen.

Wir überquerten die flachen Bäche und scheuchten einen Haufen wirbellose Wasserbewohner auf, die vor unseren Stiefeln davonwuselten. Die Bäume waren niedrig und so verstreut, dass ich aus diesem Blickwinkel gute Sicht auf das Lager hatte. Ich konnte keine einzige Securitydrohne von DeltFall ausmachen, weder optisch noch mit den Scannern meiner Drohnen. Ratthi im Hopper empfing ebenfalls nichts. Ich hätte wirklich sehr, sehr gern die Positionen der drei SecUnits bestimmt, aber von denen bekam ich nichts rein.

SecUnits empfinden nichts füreinander. Sie sind nicht auf dieselbe Weise miteinander befreundet wie die Figuren in den Serien oder meine Menschen. Wir dürfen einander nicht vertrauen, nicht einmal dann, wenn wir zusammenarbeiten. Nicht einmal dann, wenn wir Klienten haben, die uns niemals aus Langeweile befehlen würden, gegeneinander zu kämpfen.

Laut Messwerten waren die Perimetersensoren hinüber, und die Drohnen empfingen keine Warnhinweise. Das HabSystem von DeltFall war ausgefallen, also hatte da drin niemand Zugriff auf unseren Feed oder Funk. Theoretisch. Wir betraten das Gelände auf der Höhe des Landefelds. Ihre Hopper befanden sich zwischen uns und dem ersten Habitat, mit der Fahrzeughalle auf der einen Seite. Ich führte uns in einem spitzen Winkel hinein und versuchte, freie Sicht auf den Haupteingang zu bekommen, überprüfte gleichzeitig aber auch den Boden. Hier wuchs wegen der vielen Hopperlandungen und Fußgänger fast kein Gras mehr. Dem letzten Wetterbericht vor Ausfall des Satelliten nach hatte es hier vergangene Nacht geregnet, und der Schlamm war getrocknet. Seitdem keinerlei Aktivität.

Ich gab das über Feed an Mensah weiter, und sie sagte es den anderen. Pin-Lee antwortete mit leiser Stimme: „Was auch passiert ist, es war kurz nach unserem Funkkontakt.“

„Sie können nicht von jemandem angegriffen worden sein“, flüsterte Overse. Es gab keinen Grund zu flüstern, aber ich verstand den Impuls. „Auf diesem Planeten gibt es sonst niemanden.“

„Auf diesem Planeten sollte es sonst niemanden geben“, korrigierte Ratthi düster hinten im Hopper.

Auf diesem Planeten befanden sich außer mir noch drei Sec­Units, und das war gefährlich genug. Ich bekam freien Blick auf die Hauptschleuse des Habitats. Sie war geschlossen, und es gab keinerlei Hinweise auf gewaltsames Eindringen. Die Drohnen hatten inzwischen die gesamte Anlage umrundet und zeigten mir, dass die anderen Eingänge genauso aussahen. Soviel dazu. Feindliche Fauna trat nicht vor die Tür und fragte, ob sie reinkommen durfte. Ich schickte die Bilder an Mensahs Feed und sagte laut: „Dr. Mensah, es wäre besser, ich würde vorgehen.“

Sie zögerte und sah sich an, was ich ihr gerade geschickt hatte. Ihre Schultern spannten sich. Ich glaube, sie war gerade zu demselben Schluss wie ich gekommen. Oder hatte sich wenigstens eingestanden, dass es das wahrscheinlichste Szenario war. „Na schön. Wir warten hier. Stell sicher, dass wir alles mitansehen können“, sagte sie.

Sie hatte „wir“ gesagt, und das hätte sie nicht getan, wenn sie es nicht auch so meinen würde, im Gegensatz zu manchen Klienten, die ich sonst so hatte. Ich schickte den Feed meiner Feldkamera an alle vier und ging weiter.

Vier Drohnen rief ich zurück, die restlichen beiden sollten den Perimeter sichern. Im Vorbeigehen überprüfte ich die Fahrzeughalle. Sie war an der Seite offen, mit einigen verschlossenen Lagerschränken an der gegenüberliegenden Wand. Alle vier Oberflächenfahrzeuge standen abgeschaltet da, nirgendwo waren frische Reifenspuren zu sehen, also ging ich nicht hinein. Die Schränke würde ich mir erst ansehen, wenn die Phase mit dem Einsammeln sämtlicher Leichenteile begann.

Ich ging zu der Schleuse für das erste Habitat. Wir hatten keinen Zugangscode, also rechnete ich damit, die Tür sprengen zu müssen, aber als ich auf den Schalter drückte, glitt sie auf. Ich teilte Mensah über Feed mit, dass ich ab jetzt nicht mehr laut über Funk reden würde.

Sie tippte ihre Zustimmung in den Feed, und ich hörte, wie sie die anderen anwies, aus meinem Feed und meinem Funk zu gehen, weil ab jetzt nur noch sie mit mir reden würde, damit ich nicht abgelenkt wurde. Mensah unterschätzte meine Fähigkeit, Menschen zu ignorieren, aber ich wusste die Überlegung zu schätzen. „Pass auf dich auf“, flüsterte Ratthi und ging offline.

Beim Reingehen hatte ich die Waffe oben. Hinter dem Bereich mit den Anzugschränken kam der erste Korridor. „Der vollständige Satz von Anzügen“, sagte Mensah in meinem Ohr. Ich schickte die vier Drohnen mit einem Erkundungsschema für Innenräume voraus. Dieses Habitat war schöner als unseres, neuer und mit breiteren Gängen. Aber auch leer und still. Durch meine Helmfilter drang der Geruch von verwesendem Fleisch. Ich bewegte mich auf die Kuppel zu, dort musste der eigentliche Mannschaftsbereich liegen.

Licht war noch an, und die Lüftungsschlitze zischten leise, aber da der Feed tot war, kam ich auch nicht ins SecSystem. Mir fehlten meine Kameras.

Bei der Tür zur Kuppel fand ich die erste SecUnit. Sie lag hingestreckt auf dem Rücken. Der Panzer wies über der Brust ein Loch von vielleicht zehn Zentimetern Durchmesser und mindestens derselben Tiefe auf. Wir sind nicht so leicht totzukriegen, aber damit schon. Ich untersuchte die Einheit kurz, um sicherzugehen, dass sie nicht mehr reagierte, dann trat ich über sie hinweg und ging zum Mannschaftsbereich durch.

In der Kuppel elf übel zugerichtete menschliche Leichen auf dem Boden und in den Sesseln. Die Beobachtungsstationen und Projektionsflächen hinter ihnen zeigten Aufschlagschäden von Projektil- und Energiewaffenfeuer. Ich tippte den Feed an und bat Mensah, sich zum Hopper zurückzuziehen. Sie bestätigte, und meine Perimeterdrohnen zeigten mir, dass die Menschen sich entfernten.

Ich trat durch die gegenüberliegende Tür in einen Korridor, der zu Messe, Krankenstation und Kabinen führte. Die Drohnen sagten mir, dass der Grundriss ganz ähnlich wie bei unserem Habitat war, abgesehen davon, dass ab und zu eine tote Person in den Gängen lag. Die Waffe, mit der die SecUnit erledigt worden war, befand sich nirgends in der Kuppel, und sie war mit dem Rücken zur Tür gestorben. Die Menschen von DeltFall hatten eine gewisse Vorwarnzeit gehabt, genug, um aufzustehen und zu den anderen Ausgängen zu eilen, aber aus dieser Richtung war noch etwas anderes gekommen und hatte sie in der Falle gehabt. Ich überlegte, dass die SecUnit bei dem Versuch getötet worden war, die Kuppel zu schützen.

Was darauf hinauslief, dass ich gerade nach den anderen beiden SecUnits suchte.

Vielleicht waren diese Klienten abscheuliche Missbraucher gewesen, vielleicht hatten sie es verdient. Es war mir egal. Niemand vergriff sich an meinen Menschen. Um das sicherzustellen, musste ich diese beiden freidrehenden Einheiten töten. Ich hätte mich an diesem Punkt zurückziehen, die Hopper sabotieren und meine Menschen da rausschaffen können, dann hätten die freidrehenden Einheiten auf der anderen Seite des Ozeans festgesessen. Das wäre die vernünftige Vorgehensweise gewesen.

Aber ich wollte sie töten.

Eine meiner Drohnen stieß in der Messe auf zwei tote Menschen. Keine Vorwarnung, sie hatten gerade Speisepackungen aus dem Aufwärmer genommen und die Tische für eine Mahlzeit vorbereitet.

Während ich mich durch die Korridore und Räume bewegte, glich ich die Brustverletzung der toten Einheit mit der Ausrüstungsdatenbank des Hoppers ab. Sie war wahrscheinlich mit einem Werkzeug für die Suche nach Mineralien getötet worden, einem Pressluft- oder Schallbohrer. Wir hatten einen im Hopper, er gehörte zur Standardausrüstung. Wer damit einen Panzer durchdringen wollte, musste dicht herankommen, fast bis auf einen Meter.

Weil unsereins nämlich schlecht innerhalb des Habitats mit gezückter panzersprengender Projektil- oder Energiewaffe auf einen anderen Killerbot zukommen kann, ohne sich verdächtig zu machen. Mit einem Werkzeug, das wir vielleicht gerade einem Menschen bringen sollen, allerdings schon.

Als ich auf der anderen Seite des Habitats angelangte, hatten die Drohnen es vollständig durchsucht. Ich stand in der Schleuse vor dem schmalen Korridor, der hinüber ins zweite Habitat führte. An seinem anderen Ende lag ein Mensch halb innerhalb und halb außerhalb der offenen Schleuse. Um nach nebenan zu gelangen, würde ich über die Frau hinwegtreten und die Tür ganz aufschieben müssen. Ich merkte bereits, dass an der Lage der Leiche etwas nicht stimmte. Ich zoomte mit der Feldkamera heran und sah mir die Haut am ausgestreckten Arm genauer an. Die Blässe war falsch; die Frau hatte nach einem Treffer ins Gesicht oder in die Brust eine Zeitlang auf dem Rücken gelegen und war erst kürzlich an diese Stelle geschafft worden. Wahrscheinlich sobald auf unserem Weg hierher unsere Hoppersignale durchgekommen waren.

Über Feed sagte ich Mensah, was sie für mich tun musste. Sie stellte keine Fragen. Sie hatte alles über meine Feldkamera gesehen und wusste inzwischen, womit wir es zu tun hatten. Sie tippte zur Bestätigung zurück und sagte dann laut über Funk: „Sec­Unit, ich will, dass du auf Position bleibst, bis ich dort bin.“

„Jawohl, Dr. Mensah“, sagte ich und schlich zurück durch die Schleuse. Ich bewegte mich schnell nach hinten zum Securitybereitschaftsraum.

Es war schön, zur Abwechslung einmal mit einem hinreichend klugen Menschen zusammenzuarbeiten.

Unser Habitatmodell hatte keinen, aber die größeren verfügten über einen Zugang zum Dach, und meine Drohnen draußen konnten ihn gut einsehen.

Ich stieg die Leiter hoch und warf die Dachluke auf. Die Panzerstiefel sind mit magnetischen Klettereisen ausgestattet, und mit ihrer Hilfe ging ich die gerundeten Dächer entlang zum dritten Habitat und näherte mich den feindlichen SecUnits von hinten. Nicht einmal diese beiden Exemplare konnten so blöd sein, dass sie das Knarren ignoriert hätten, wenn ich die schnelle Route genau über ihre Position hinweg genommen hätte.

(Dass sie nicht die hellsten waren, stand fest, denn sie hatten den Boden des Verbindungskorridors nach dem Platzieren der Toten gereinigt, um ihre Fußabdrücke verschwinden zu lassen. Sehr unauffällig, wenn alle anderen Böden staubbedeckt waren und von Fußabdrücken wimmelten.)

Ich öffnete die Dachluke zum zweiten Habitat und schickte zunächst meine Drohnen nach unten in den Securitybereitschaftsraum. Sobald sie die Schlafzellen überprüft und sichergestellt hatten, dass niemand zu Hause war, sprang ich die Leiter runter. Ein Großteil der Ausrüstung war noch da, unter anderem die Drohnen. Es gab auch eine hübsche Schachtel mit neuen, aber die waren ohne das HabSystem von DeltFall nicht zu gebrauchen. Entweder war es wirklich hin oder erweckte lediglich den Anschein, es liefe nicht länger. Ich wandte ihm durchgehend einen Teil meiner Aufmerksamkeit zu; wenn es plötzlich hochfuhr und die Securitykameras reaktivierte, würden abrupt andere Spielregeln herrschen.

Ich behielt die Drohnen bei mir, nahm den Korridor ins Innere und bewegte mich still an der gesprengten Schleuse zur Krankenstation vorbei. Drei Leichen lagen dort übereinander, wo die Menschen bei dem Versuch, die Station zu sichern, in der Falle gesessen hatten, als ihre eigenen SecUnits die Tür in die Luft gejagt hatten, um sie niederzumetzeln.

Als ich mich dem Korridor mit der Schleuse näherte, wo die beiden Einheiten darauf warteten, dass Dr. Mensah und ich hereinspaziert kamen, schickte ich die Drohnen für einen vorsichtigen Blick herum. Alles klar, da waren sie.

Ohne bewaffnete Drohnen blieb mir nur rasches Vorgehen. Also warf ich mich um die letzte Ecke, knallte gegen die gegenüberliegende Wand, kam wieder zurück und ging weiter, wobei ich auf ihre Positionen feuerte.

Die erste traf ich mit drei Explosivbolzen in den Rücken und mit einem ins Visier, als sie sich zu mir umdrehte. Sie stürzte nieder. Der anderen neutralisierte ich mit einem Streifschuss den Arm, worauf sie den Fehler beging, ihre Hauptwaffe erst in die andere Hand zu wechseln. Ich nutzte den Vorsprung und schaltete auf Schnellfeuer, damit sie nicht das Gleichgewicht zurückgewann, dann wieder auf Explosivbolzen. Das gab ihr den Rest.

Ich brauchte einen Moment der Erholung und schlug der Länge nach hin.

Ich hatte mindestens ein Dutzend Treffer aus beiden Energiewaffen eingesteckt, während ich die erste Einheit erledigte, aber die Explosivbolzen hatten mich verfehlt und hinter mir den Korridor in Trümmer gelegt. Trotz des Panzers fühlten sich Teile von mir taub an, aber ich hatte bloß drei Projektile in die rechte Schulter und vier in die linke Hüfte bekommen. Das ist unsere Art zu kämpfen: Wir stürzen uns aufeinander und schauen, wessen Teile zuerst ausfallen.

Beide Einheiten lebten noch. Aber sie waren nicht fähig, in ihre Zellen im Bereitschaftsraum zurückzukehren, und ich hatte definitiv nicht vor, ihnen dabei unter die Arme zu greifen.

Drei meiner Drohnen waren ebenfalls hin; sie waren in den Gefechtsmodus gewechselt und vor mir hergeflogen, um Feuer auf sich zu ziehen. Eine hatte eine Entladung abbekommen und taumelte hinter mir im Korridor umher. Ich überprüfte routinemäßig meine beiden Perimeterdrohnen, schaltete meinen Funk ein und sagte Dr. Mensah, dass ich erst noch den Rest des Habitats freigeben und die vorgeschriebene Suche nach Überlebenden beenden musste.

Die Drohne hinter mir ging mit einem Zischen aus, das ich über Feed hörte und sah. Ich glaube, ich begriff sofort, was das bedeutete, aber vielleicht gab es auch eine Verzögerung von einer halben Sekunde oder so. Aber ich stand bereits, als mich etwas so hart traf, dass ich ruckzuck wieder auf dem Boden lag, auf dem Rücken diesmal und mit versagenden Systemen.

+

Als ich wieder online kam, hatte ich weder Bild noch Ton und konnte mich auch nicht bewegen. Feed und Funk waren tot. Unschön, Killerbot, sehr unschön.

Plötzlich erhielt ich ein paar merkwürdige kurze Sinneseindrücke, allesamt von meinen organischen Teilen. Luft am Gesicht, an den Armen, durch Risse in meinem Anzug. An der brennenden Wunde in meiner Schulter. Jemand hatte mir den Helm und den oberen Teil des Panzers abgenommen. Die Eindrücke waren immer nur sekundenweise da. Es war verwirrend, und ich hätte am liebsten geschrien. Vielleicht fühlte es sich so an, wenn ein Killerbot starb. Du verlierst Funktionen, fährst runter, aber Teile von dir arbeiten noch, organische Stücke, die von der nachlassenden Ladung in deinen Akkus am Leben erhalten werden.

Dann begriff ich, dass mich jemand bewegte, und da wollte ich wirklich schreien.

Ich bezwang die Panik und bekam noch einige Sinneseindrücke mehr. Ich war nicht tot. Ich steckte nur richtig tief in der Scheiße.

Ich wartete verzweifelt, desorientiert und voller Angst darauf, dass wieder irgendwas funktionierte, und fragte mich, warum sie mir kein Loch in die Brust gejagt hatten. Zuerst kehrte der Ton zurück, und ich begriff, dass sich jemand über mich beugte. Leise Geräusche der Gelenke besagten, dass es sich um eine SecUnit handelte. Aber es gab doch nur drei. Ich hatte mir die technischen Daten von DeltFall vor dem Flug angesehen. Ich mogelte mich manchmal nur durch, na schön, meistens, aber Pin-Lee hatte ebenfalls nachgesehen, und die war gründlich.

Dann ließ die Taubheit nach, und meine organischen Teile begannen zu kribbeln. Ich war darauf ausgelegt, dass meine organischen und meine Maschinenteile gleichzeitig arbeiteten und der sensorische Input ausgeglichen war. Ohne diesen Ausgleich kam ich mir vor wie ein Luftballon im Wind. Aber der organische Teil meiner Brust war in Kontakt mit einer festen Oberfläche, und das rückte abrupt meine Position in den Fokus. Ich lag mit dem Gesicht nach unten, und ein Arm hing herab. Die hatten mich auf einen Tisch gelegt?

Das war definitiv sehr unschön.

Druck auf meinen Rücken, dann auf meinen Kopf. Der Rest von mir kehrte ganz, ganz langsam zurück. Ich tastete nach dem Feed, kam aber nicht an ihn heran. Dann stach mich etwas in den Nacken.

Der besteht aus organischem Material, und da der Rest von mir runter war, hatte ich nichts, um den Input meines Nervensystems zu beherrschen. Es fühlte sich an, als würden sie mir den Kopf absäbeln.

Ein Schock durchlief mich, und plötzlich war der Rest von mir wieder online. Ich kugelte mir den linken Arm aus, damit ich ihn auf eine Weise benutzen konnte, die einem Menschen, augmentierten Menschen oder Killerbot sonst nicht zur Verfügung stand. Ich griff nach oben zu dem Druck und den Schmerzen an meinem Nacken und bekam ein gepanzertes Handgelenk zu fassen. Ich wälzte mich herum und brachte uns beide vom Tisch runter.

Wir schlugen auf dem Boden auf, und ich umklammerte die andere Einheit mit den Beinen, während wir uns wälzten. Sie versuchte, ihre Unterarmwaffe auszulösen, aber meine Reaktionsgeschwindigkeit war jenseits von Gut und Böse, und ich umklammerte mit der Hand ihre Schießöffnung, die nun nicht komplett aufgehen konnte. Meine Sicht war wieder da, und ich konnte den undurchsichtigen Helm direkt vor mir sehen. Ich trug bis zur Gürtellinie keinen Panzer mehr, und das machte mich nur noch wütender.

Ich stieß der Einheit ihre Hand unters Kinn und nahm den Druck von ihrer Waffe. Ihr blieb noch ein Sekundenbruchteil für den Versuch, den Schießbefehl abzubrechen, doch das reichte nicht. Die Entladung ging durch meine Hand und die Verbindungsstelle zwischen Helm und Halsstück. Die Einheit riss den Kopf zurück und verfiel in Zuckungen. Ich ließ sie lange genug los, um auf die Knie zu kommen, meinen intakten Arm um ihren Hals zu legen und ihn zu verdrehen.

Als die mechanischen und organischen Verbindungen barsten, hörte ich auf.

Ich sah hoch. In der Tür stand noch eine weitere SecUnit und legte gerade eine große Projektilwaffe auf mich an.

Wie viele dieser Drecksdinger gab es hier denn noch? Es spielte keine Rolle, weil ich zwar versuchte, mich aufzurichten, aber nicht schnell genug reagieren konnte. Dann zuckte die Einheit, ließ die Waffe fallen und kippte nach vorne um. Ich sah zweierlei: das Zehnzentimeterloch in ihrem Rücken und Mensah, die hinter ihr stand und etwas hielt, das mich sehr an den Schallbohrer aus unserem Hopper erinnerte.

„Dr. Mensah“, sagte ich, „dies stellt eine Verletzung der bergbaubetrieblichen Sicherheitsrichtlinien dar, und ich bin vertraglich verpflichtet, es aufzuzeichnen und zu melden …“ Der Satz befand sich im Puffer, der Rest meines Gehirns war leer.

Sie ging nicht darauf ein, sondern sagte über Funk etwas zu Pin-Lee, kam herein und zog an meinem Arm. Ich war zu schwer für sie, also richtete ich mich auf, damit sie sich nicht verletzte. Allmählich bekam ich den Eindruck, Dr. Mensah könnte glatt eine unerschrockene galaktische Forscherin sein, auch wenn sie nicht so aussah wie die im Entertainmentfeed.

Sie zog mich immer weiter, also bewegte ich mich auch immer weiter. Irgendetwas stimmte mit meinem Hüftgelenk nicht. Ach ja, klar, da war ich angeschossen worden. Blut lief meine zerfetzte Anzughaut hinab, und ich griff mir an den Nacken. Ich rechnete fest mit einem klaffenden Loch, doch stattdessen steckte da irgendwas. „Dr. Mensah, es gibt vielleicht noch mehr freidrehende Einheiten, das wissen wir nicht …“

„Deshalb müssen wir schnell machen“, sagte sie und zog mich weiter. Sie hatte die beiden letzten Drohnen von draußen mitgebracht, doch die kreisten nur sinnlos um ihren Kopf herum. Menschen haben nicht genug Zugang zum Feed, um sie zu lenken und gleichzeitig noch etwas anderes zu machen, etwa gehen und reden. Ich versuchte, die Drohnen zu erreichen, bekam aber immer noch keine anständige Verbindung zum Hopperfeed.

Wir bogen in den nächsten Korridor, und in der Außenschleuse wartete Overse. Sie hatte uns kaum gesehen, da schlug sie auf den Öffner. Sie hatte ihre Handwaffe gezogen, und nun fiel mir auf, dass Mensah meine Waffe unter dem anderen Arm klemmen hatte. „Dr. Mensah, ich brauche meine Waffe.“

„Dir fehlt eine Hand und ein Teil der Schulter“, fauchte sie. Overse packte eine Handvoll meiner Anzughaut und half mir durch die Schleuse. Staub wirbelte durch die Luft, als in zwei Metern Entfernung der Hopper aufsetzte und fast das ausziehbare Dach des Habitats gestreift hätte.

„Ja, ich weiß, aber …“ Die Luke ging auf, und Ratthi beugte sich raus, packte den Kragen meiner Anzughaut und zog uns alle drei hoch in die Kabine.

Als wir abhoben, knallte ich aufs Deck. Ich musste mich dringend um das Hüftgelenk kümmern. Ich wollte mir den Scan ansehen, um sicherzugehen, dass unten am Boden niemand war, der auf uns schoss, doch selbst hier war meine Verbindung zum System des Hoppers so wackelig und gestört, dass ich keinerlei Berichte von den Instrumenten sehen konnte, als würde irgendetwas sie blockieren …

Oha.

Ich tastete wieder nach meinem Nacken. Der größere Teil dieses Stopfens war weg, dafür spürte ich jetzt etwas im Port. In meinem Datenport.

Die SecUnits von DeltFall hatten überhaupt nicht freigedreht, sondern jemand hatte ihnen Gefechtsmodule reingesteckt. Solche Module geben einem Individuum die Kontrolle über eine Einheit und machen aus dem überwiegend autonom agierenden Konstrukt eine bewaffnete Marionette. Die ist dann vom Feed abgeschnitten und wird über Funk gelenkt, aber ihre Effizienz sinkt mit zunehmender Komplexität der Befehle. „Töte die Menschen“ ist kein komplexer Befehl.

Mensah stand über mir, Ratthi beugte sich über einen Sitz und sah zu DeltFall raus, Overse öffnete ein Staufach. Sie sagten irgendwas zueinander, aber es war mir zu hoch. Ich setzte mich auf und sagte: „Mensah, Sie müssen mich sofort abschalten.“

„Was?“ Sie sah zu mir runter. „Wir wollen gerade … Notreparatur …“

Der Ton brach zusammen. Das war der Download, der mein System flutete, denn meine organischen Teile waren es nicht gewöhnt, so viele Daten zu verarbeiten. „Die unbekannte SecUnit hat mir einen Datenträger eingesteckt, ein Gefechtsmodul. Es lädt gerade Anweisungen in mich runter und überschreibt gleich mein System. Deshalb sind die beiden DeltFall-Einheiten gemeingefährlich geworden. Sie müssen mich aufhalten.“ Ich habe keine Ahnung, wieso ich um das Wort herumeierte. Vielleicht weil ich dachte, dass sie es nicht hören wollte. Sie hatte gerade eine schwerbewaffnete SecUnit mit einem Bergbaubohrer gekillt, um mich da rauszuholen; also wollte sie mich wohl behalten. „Sie müssen mich töten.“

Sie brauchten ewig, um zu begreifen, was ich gesagt hatte, und es mit dem in Deckung zu bringen, was sie im Feed meiner Feldkamera gesehen haben mussten; andererseits war auch meine Zeitwahrnehmung gestört.

„Nein.“ Ratthi sah mich voller Grauen an. „Nein, wir können dich doch nicht …“

Mensah sagte: „Werden wir auch nicht. Pin-Lee …“

Overse ließ das Reparaturpack fallen und kletterte nach Pin-Lee rufend über zwei Sitzreihen. Klar, sie wollte zum Cockpit und die Steuerung übernehmen, damit Pin-Lee an mir arbeiten konnte. Ebenso klar, dass die Zeit nicht reichen würde, um mich wieder hinzukriegen. Und außerdem klar, dass ich selbst mit kaputtem Hüftgelenk und nur einem funktionierenden Arm alle an Bord des Hoppers töten konnte.

Also schnappte ich mir die Handwaffe, die auf dem Sitz lag, richtete sie auf meine Brust und drückte ab.

Leistungszuverlässigkeit bei 10% fallend 

Abschaltung eingeleitet

 

5

Ich kam wieder online, um festzustellen, dass ich mich nicht bewegen konnte, aber allmählich eine Aufwachphase durchlief. Ich war aufgewühlt, meine sämtlichen Level versagten, und ich hatte keine Ahnung, wieso. Ich spielte mein persönliches Protokoll zurück. Ach ja, klar.

Ich sollte gerade eigentlich gar nicht aufwachen. Hoffentlich waren sie nicht so blöd gewesen und hatten es nicht übers Herz gebracht, mich zu töten.

Bitte beachten, dass ich die Waffe nicht auf meinen Kopf gerichtet habe. Ich hatte mich nicht selbst töten wollen, aber nötig war mein Tod trotzdem. Ich hätte mich auch auf andere Weise aus dem Verkehr ziehen können, aber ehrlich gesagt hatte ich nicht mitanhören wollen, wie sie einander überzeugten, dass ihnen leider nichts anderes übrigblieb.

Eine Diagnose startete und informierte mich, dass das Gefechtsmodul entfernt worden war. Für eine Sekunde wollte ich es nicht glauben. Ich öffnete meinen Securityfeed und fand eine Kamera für die Krankenstation. Ich lag ungepanzert und nur in den Überresten meiner Anzughaut auf dem Operationstisch, um den die Menschen versammelt standen. Ein eher albtraumhafter Anblick. Aber meine Schulter, Hand und Hüfte waren inzwischen repariert, also hatte ich irgendwann in meiner Schlafzelle gelegen. Ich sprang ein Stück zurück und sah, wie Pin-Lee und Overse mit Hilfe der OP-Suite zügig das Gefechtsmodul hinten aus meinem Kopf entfernten. Meine Erleichterung war so groß, dass ich mir die Aufnahme gleich zweimal ansah und dann eine Diagnose laufen ließ. Meine Protokolle waren sauber; sie zeigten den Stand, auf dem ich mich vor Betreten des DeltFall-Habitats befunden hatte.

Meine Klienten sind die besten.

Dann kam der Ton online.

„Ich habe sie durch HabSystem ruhigstellen lassen“, sagte Gurathin.

Uff. Das erklärte einiges. Ich hatte immer noch die Kontrolle über SecSystem und wies es an, HabSystems Zugang zu seinem Feed zu sperren und mein Notfallprogramm laufen zu lassen. Dabei handelte es sich um eine von mir eingebaute Funktion, die anstelle der Video- und Audioaufnahmen, die HabSystem anfertigte, für ungefähr eine Stunde Habitatumgebungsgeräusche einfügte. Für alle, die uns über HabSystem zuhörten oder versuchten, die Aufnahme zurückzuspielen, würde es sich einfach so anhören, als hätten alle plötzlich zu reden aufgehört.

Was Gurathin sagte, stellte eindeutig eine Überraschung dar, denn andere Stimmen protestierten, vor allem Ratthi, Volescu und Arada. Pin-Lee erklärte ungeduldig: „Sie ist in keiner Weise gefährlich. Als sie die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat, ist der Download abgebrochen. Ich konnte die wenigen Fragmente des Schadcodes entfernen, die herüberkopiert worden waren.“

„Möchtest du deine eigene Diagnose durchführen, weil …“, begann Overse.

Ich konnte sie im Raum und über Securityfeed hören, also schaltete ich das Bild der Kamera hinzu. Mensah hatte mit erhobener Hand um Stille gebeten. „Gurathin, wo liegt das Problem?“, fragte sie.

„Als sie offline war, konnte ich über HabSystem ansatzweise auf ihr internes System und Protokoll zugreifen. Ich wollte einige Anomalien untersuchen, die mir über Feed aufgefallen waren.“ Er deutete zu mir. „Diese Einheit dreht längst frei. Sie hat ein gehacktes Chefmodul“, erklärte Gurathin.

Im Entertainmentfeed heißt so etwas Ach-du-Kacke-Moment.

Über die Securitykameras sah ich, dass sie verwirrt, aber nicht bestürzt waren. Noch nicht.

Pin-Lee, die anscheinend nur in meinem lokalen System herumgegraben hatte, verschränkte die Arme. Ihre Miene war schlau und skeptisch. „Es fällt mir schwer, das zu glauben.“ Sie fügte kein „du Arsch“ hinzu, doch es schwang mit. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand ihre Fachkenntnis in Frage stellte.

„Sie muss unseren Anweisungen nicht Folge leisten; ihr Verhalten lässt sich nicht steuern.“ Gurathin klang allmählich ungehalten. Er konnte es ebenfalls nicht ausstehen, wenn jemand seine Fachkenntnis in Frage stellte, nur ließ er es im Gegensatz zu Pin-Lee nicht raushängen. „Ich habe Volescu meine Auswertung gezeigt, und er stimmt mir zu.“

Einen Moment lang kam ich mir hintergangen vor, was dumm war. Volescu war mein Klient; ich hatte ihm das Leben gerettet, weil das meine Aufgabe war, und nicht etwa, weil ich ihn mochte. Aber dann sagte Volescu: „Ich stimme dir nicht zu.“

„Dann funktioniert das Chefmodul?“, fragte Mensah und sah stirnrunzelnd vom einen zum anderen.

„Nein, es wurde definitiv gehackt“, erklärte Volescu. Wenn er nicht gerade von Riesenfauna angegriffen wurde, hatte er wirklich die Ruhe weg. „Ein Teil seiner Verbindungen zum restlichen System der SecUnit wurde durchtrennt. Das Modul kann Befehle schicken, aber es kann sie weder durchsetzen noch das Verhalten kontrollieren oder Strafmittel anwenden. Aber ich finde, die Tatsache, dass die Einheit aktiv unsere Leben geschützt und sich um uns gekümmert hat, während sie frei handeln konnte, gibt uns nur noch einen Grund mehr, ihr zu vertrauen.“

Na gut, ich mochte ihn.

Gurathin beharrte: „Wir sind seit unserer Ankunft sabotiert worden. Der unvollständige Gefahrenbericht, die lückenhafte Karte. Da fügt sich die SecUnit doch sauber ein. Sie handelt für die Firma; dort wollen sie aus irgendeinem Grund nicht, dass dieser Planet erkundet wird. Siehe das, was mit DeltFall passiert ist.“

Ratthi hatte schon darauf gewartet, dass Gurathin Luft holte. „Hier läuft definitiv irgendwas Seltsames. Im Datenblatt von DeltFall stehen nur drei SecUnits, in ihrem Habitat waren aber fünf. Irgendjemand sabotiert uns; ich glaube nur nicht, dass unsere Sec­Unit etwas damit zu tun hat.“

Bharadwaj erklärte mit Entschiedenheit: „Volescu und Ratthi haben recht. Hätte die Firma der SecUnit befohlen, uns zu töten, würde von uns niemand mehr leben.“

Overse klang stinkwütend. „Sie hat uns von dem Gefechtsmodul erzählt, sie hat gewollt, dass wir sie töten. Warum zur Hölle sollte sie das tun, wenn sie uns schaden wollte?“

Overse mochte ich auch. Und obwohl ich absolut keine Lust hatte, mich in das Gespräch einzuschalten, wurde es Zeit, selbst für mich zu sprechen.

Ich ließ die Augen geschlossen und sah die Menschen über die Securitykamera an, weil das leichter war. Ich sagte mit Mühe: „Die Firma versucht nicht, Sie zu töten.“

Das ließ sie hochschrecken. Gurathin wollte etwas sagen, und Pin-Lee brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. Mensah trat vor und betrachtete mich mit sorgenvoller Miene. Sie stand dicht bei mir, während Gurathin und die anderen sich in einem lockeren Halbkreis um sie sammelten. Bharadwaj saß in einem Stuhl und war am weitesten weg. „SecUnit, woher willst du das wissen?“, fragte Mensah.

Selbst über Kamera war es hart. Ich versuchte mir einzureden, ich läge drüben in meiner Schlafzelle. „Wenn die Firma Sie sabotieren wollte, würde sie über die Recyclingsysteme Ihre Vorräte vergiften. Die Firma dürfte eher versehentlich für Ihren Tod sorgen.“

Kurz schwiegen alle, weil sie daran dachten, wie leicht es für die Firma gewesen wäre, die eigenen Umwelteinstellungen zu sabotieren. Ratthi hob an: „Aber das hätte doch sicher …“

Gurathins Miene war noch gezwungener als sonst. „Diese Einheit hat schon früher Menschen getötet. Menschen, die sie hatte beschützen sollen. Sie hat siebenundfünfzig Mitglieder eines Bergbauprojekts niedergemetzelt.“

Erinnern Sie sich, wie ich anfangs sagte, dass ich mein Chefmodul gehackt habe, aber nicht zum Massenmörder geworden bin? Es stimmt nur bedingt. Ich war längst ein Massenmörder.

Ich hatte keine Lust, es zu erklären. Aber ich musste. Ich sagte: „Ich habe mein Chefmodul nicht gehackt, um meine Klienten zu töten. Mein Chefmodul hat fehlerhaft gearbeitet, weil die Firma in ihrer großen Idiotie nur die allerbilligsten Komponenten einkauft. Es hat versagt, und ich habe die Kontrolle über meine Systeme verloren und diese Menschen getötet. Die Firma hat mich geborgen und ein neues Chefmodul installiert. Das habe ich gehackt, damit so etwas nicht noch einmal passiert.“

Ich bilde mir jedenfalls ein, dass es so gelaufen ist. Sicher weiß ich nur, dass seit dem Hacken des Moduls nichts dergleichen mehr passiert ist. Und so herum gibt es eine bessere Geschichte ab. Ich schaue genug Serien, um zu wissen, wie so eine Geschichte laufen muss.

Volescu guckte traurig. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Meine Durchsicht des persönlichen Protokolls der Einheit, auf das Gurathin zugreifen konnte, bestätigt das.“

Gurathin wandte sich ungeduldig zu ihm um. „Das Protokoll bestätigt es, weil die Einheit glaubt, dass es sich so abgespielt hat.“

Bharadwaj seufzte. „Und doch sitze ich hier und erfreue mich meines Lebens.“

Diesmal war die Stille schlimmer. Über Feed sah ich, dass Pin-Lee sich unsicher bewegte und zu Overse und Arada sah. Ratthi rieb sich das Gesicht. Dann fragte Mensah leise: „SecUnit, hast du einen Namen?“

Ich wusste nicht recht, was sie von mir wollte. „Nein.“

„Sie nennt sich ‚Killerbot‘“, sagte Gurathin.

Ich öffnete die Augen und sah ihn an; ich konnte nicht anders. Ihren Gesichtsausdrücken entnahm ich, dass mir anzusehen war, was ich empfand, und ich hasste das. „Das war vertraulich“, brachte ich rau heraus.

Diesmal dauerte die Stille länger.

Dann sagte Volescu: „Gurathin, du hattest wissen wollen, womit sie ihre Zeit verbringt. Deshalb hattest du ursprünglich in die Protokolle geschaut. Sag es ihnen.“

Mensah zog die Augenbrauen hoch. „Ja?“

Gurathin zögerte. „Sie hat sich seit unserer Ankunft siebenhundert Stunden Entertainmentprogramme runtergeladen. Vor allem Serien. Vor allem eine namens Waldmond.“ Er verwarf das Ganze mit einem Kopfschütteln. „Wahrscheinlich hat sie damit Daten für die Firma verschlüsselt. Sie kann sich das unmöglich alles angesehen haben. Nicht in dieser Menge, das hätten wir gemerkt.“

Ich schnaubte. Er unterschätzte mich.

Ratthi fragte: „Wisst ihr noch, diese eine Folge, wo die Rechtsreferentin der Kolonie den Terraformingbeauftragten tötet, der auch der Sekundärspender für das Implantat ihres Kindes gewesen ist?“

Wieder konnte ich nicht anders. „So ein Blödsinn, sie tötet ihn doch gar nicht.“

Ratthi wandte sich zu Mensah um. „Und ob sie sich das angesehen hat.“

Pin-Lee fragte mit faszinierter Miene: „Aber dein eigenes Chefmodul zu hacken, wie hast du das angestellt?“

„Die Firmengeräte sind doch alle gleich.“ Ich hatte irgendwann einen Download bekommen, der sämtliche technische Daten für Firmensysteme enthielt. Wenn du in einer Schlafzelle festhängst und nichts zu tun hast, kannst du damit ebenso gut die Codes für das Chefmodul austüfteln.

Gurathin zog ein verkniffenes Gesicht, sagte aber nichts. Mehr hatte er offensichtlich nicht auf Lager, also war jetzt ich an der Reihe. „Sie irren sich. HabSystem hat Sie mein Log lesen lassen, damit Sie von dem gehackten Chefmodul erfahren. Das gehört mit zur Sabotage. Sie sollen aufhören, mir zu vertrauen, weil ich versuche, Sie am Leben zu erhalten“, sagte ich.

„Dir zu vertrauen, ist gar nicht nötig. Du bleibst einfach weiterhin ruhiggestellt, und damit ist die Sache erledigt“, erwiderte Gurathin.

Richtig, das war ja auch noch so eine merkwürdige Angelegenheit. „Das wird nicht funktionieren.“

„Und wieso nicht?“

Ich rollte mich vom Tisch, packte Gurathin bei der Kehle und schob ihn an die Wand. Es ging schnell, zu schnell, als dass sie hätten reagieren können. Ich gab ihnen eine Sekunde, um zu begreifen, was gerade passierte, und nach Luft zu schnappen beziehungsweise – in Volescus Fall – einen Kiekser auszustoßen. „Weil HabSystem Sie angelogen hat. Ich bin gar nicht ruhiggestellt.“

Gurathin lief rot an, aber nicht so rot, wie er gewesen wäre, wenn ich Druck ausgeübt hätte. Bevor jemand von den anderen sich auch nur rührte, sagte Mensah ruhig und gleichmäßig: „Sec­Unit, ich würde es begrüßen, wenn du Gurathin wieder runterlässt, bitte.“

Sie ist wirklich eine gute Teamleiterin. Ich hacke demnächst mal ihre Akte und schreibe das da rein. Wäre sie zornig geworden, hätte sie geschrien und die anderen in Panik versetzt, ich weiß nicht, was dann passiert wäre.

Ich sagte zu Gurathin: „Sie kann ich nicht ausstehen. Aber die anderen mag ich, und aus irgendeinem mir unverständlichen Grund mögen die Sie.“ Dann ließ ich ihn runter.

Ich trat nach hinten. Overse wollte zu ihm, und Volescu ergriff seine Schulter, doch Gurathin winkte ab. Ich hatte nicht einmal eine Druckstelle an seinem Hals hinterlassen.

Ich beobachtete sie weiterhin durch die Kamera, weil das leichter war, als sie direkt anzusehen. Meine Anzughaut war zerfetzt und enthüllte einige Verbindungsstellen zwischen meinen organischen und meinen unorganischen Teilen. Ich hasse das. Alle waren immer noch erstarrt, geschockt, unsicher. Dann holte Mensah scharf Luft. „SecUnit, kannst du HabSystem daran hindern, auf die Securityaufnahmen dieses Raums zuzugreifen?“, wollte sie wissen.

Ich sah auf die Wand neben ihrem Kopf. „Ich habe es abgetrennt, als Gurathin gesagt hat, dass mein Chefmodul gehackt ist, und diesen Teil dann gelöscht. Ich lasse den Video- und Audiotransfer von SecSystem zu HabSystem mit einer Verzögerung von fünf Sekunden laufen.“

„Gut.“ Mensah nickte. Sie versuchte, Blickkontakt herzustellen, aber das hatte ich gerade nicht drauf. „Ohne das Chefmodul brauchst du unseren Anweisungen, oder überhaupt irgendwelchen Anweisungen, nicht Folge zu leisten. Aber so verhält sich das schon, seit wir überhaupt hier sind.“

Die anderen waren still, und mir wurde klar, dass sie es ebenso sehr zu ihnen wie zu mir sagte.

Sie fuhr fort. „Ich möchte gern, dass du Teil unserer Gruppe bleibst – zumindest so lange, bis wir diesen Planeten verlassen haben und irgendwo in Sicherheit sind. Dann können wir besprechen, was du machen möchtest. Aber ich verspreche dir, ich sage weder der Firma noch sonst jemandem außerhalb dieses Raums etwas von dir oder deinem kaputten Modul.“

Ich seufzte und schaffte es, den Großteil intern zu lassen. Sie musste das natürlich sagen. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig. Ich versuchte zu entscheiden, ob ich ihr glaubte oder nicht beziehungsweise ob das eine Rolle spielte, als ein fettes Ist doch egal in mir aufstieg. Und es war wirklich egal. „Okay“, sagte ich schließlich.

Im Kamerafeed wechselten Ratthi und Pin-Lee einen Blick. Gurathin verzog das Gesicht und dünstete Skepsis aus. Mensah fragte nur: „Besteht die Möglichkeit, dass HabSystem von deinem Chefmodul weiß?“

Ich gab es nur ungern zu, aber sie mussten es wissen. Mich selbst zu hacken, war das Eine, aber ich hatte noch andere Systeme gehackt, und ich wusste nicht, wie sie darauf reagieren würden. „Könnte sein. Ich habe HabSystem gleich bei unserer Ankunft gehackt, damit es nicht merkt, dass seine Befehle ans Chefmodul nicht immer befolgt werden, aber wenn HabSystem da schon durch einen äußeren Akteur infiltriert worden war, weiß ich nicht, ob das funktioniert hat. Aber dass Sie jetzt Bescheid wissen, dürfte HabSystem nicht mitbekommen haben.“

Ratthi verschränkte die Arme und zog unbehaglich die Schultern hoch. „Da hilft nur plattmachen, sonst gehen wir alle drauf.“ Dann verzog er das Gesicht und sah mich an. „Sorry, also HabSystem, meinte ich.“

„Alles gut“, gab ich zurück.

„Wir gehen also davon aus, dass HabSystem durch einen äußeren Akteur infiltriert worden ist“, sagte Bharadwaj langsam und schien noch nicht recht überzeugt. „Können wir sicher sein, dass nicht die Firma dahintersteckt?“

Ich fragte: „Ist die Bake von DeltFall denn ausgelöst worden?“

Mensah runzelte die Stirn, und Ratthi machte wieder ein nachdenkliches Gesicht. „Wir haben sie auf dem Rückweg überprüft, sobald wir dich stabilisiert hatten. Jemand hat sie zerstört. Dazu hätten die Angreifer keinen Grund gehabt, wenn die Firma mit ihnen unter einer Decke stecken würde“, sagte er.

Niemand rührte sich, niemand sagte etwas. Ihren Mienen war zu entnehmen, dass sie konzentriert nachdachten. Das System, das ihr Habitat regelte und von dem sie hinsichtlich Ernährung, Unterkunft, gereinigter Luft und Wasser abhängig waren, versuchte sie umzubringen. Und sie hatten nur Killerbot auf ihrer Seite, der eigentlich bloß wollte, dass ihn alle in Ruhe ließen, damit er den lieben langen Tag seine Serien glotzen konnte.

Dann kam Arada und tätschelte meine Schulter. „Es tut mir leid. Das muss sehr verstörend für dich sein. Nach dem, was dir die andere Einheit angetan hat … Geht es dir gut?“

So viel Aufmerksamkeit konnte ich nicht gebrauchen. Ich ging rüber in eine Ecke, das Gesicht zur Wand. „Soweit ich weiß, gab es noch zwei andere Fälle von versuchter Sabotage. Als Feind eins Dr. Bharadwaj und Dr. Volescu angegriffen hat, kam über mein Chefmodul ein Abbruchbefehl von HabSystem. Ich hielt es für einen Computerfehler, den das MedSystem verursacht hat, als es versuchte, HabSystem zu überschreiben. Und als wir mit dem kleinen Hopper unterwegs waren, um die Kartenanomalie zu überprüfen, fiel der Autopilot genau dann aus, als wir ein Gebirge überflogen haben.“ Ich glaube, das war es. Ach nein, eins noch. „Und dann hat HabSystem ein Upgrade für mich vom Satelliten runtergeladen, bevor wir nach DeltFall aufgebrochen sind. Ich habe es nicht gestartet. Sie sollten sich vielleicht besser anschauen, welche Befehle ich damit erhalten hätte.“

„Pin-Lee, Gurathin, könnt ihr HabSystem abschalten, ohne die Umweltsysteme zu gefährden? Und unsere Bake auslösen, ohne dass es dazwischengeht?“, fragte Mensah.

Pin-Lee sah kurz zu Gurathin. „Hängt davon ab, welchen Zustand du erwartest, wenn wir fertig sind.“

„Sagen wir, ihr sollt es nicht schrotten, aber ihr braucht auch keine Samthandschuhe anzuziehen.“

Pin-Lee nickte. „Dann schaffen wir es.“

Gurathin räusperte sich. „Es wird merken, was wir treiben. Aber wenn es keine Anweisung hat, uns an einem solchen Versuch zu hindern, unternimmt es vielleicht trotzdem nichts.“

Bharadwaj beugte sich stirnrunzelnd vor. „Aber melden wird es das. Wenn es eine Gelegenheit bekommt, sie zu warnen, dass wir es abschalten, könnten sie Anweisungen schicken.“

„Versuchen müssen wir es.“ Mensah nickte ihnen zu. „Legt los.“

Pin-Lee ging zur Tür, aber Gurathin fragte Mensah: „Und bei euch ist soweit alles gut hier?“

Er meinte, ob mit mir bei ihnen soweit alles gut sein würde. Ich verdrehte die Augen.

„Alles bestens“, sagte Mensah entschieden, und es schwang nur ein ganz leises Nun macht schon mit.

Ich behielt ihn mit den Securitykameras im Auge, während Pin-Lee und er gingen, nur für den Fall, dass er irgendwas versuchte.

Volescu regte sich. „Wir müssen uns auch diesen Download vom Satelliten ansehen. Wenn wir wissen, was SecUnit machen sollte, könnte uns das einiges verraten.“

Bharadwaj stand auf und war noch recht wacklig auf den Beinen. „MedSystem ist von HabSystem isoliert, richtig? Deshalb gab es dort keine Störungen. Du könntest den Download darüber entpacken.“

Volescu nahm sie beim Arm, und sie gingen in die Nachbarkabine zur dortigen Display-Oberfläche.

Schweigen machte sich breit. Die anderen konnten uns über Feed immer noch hören, aber sie waren wenigstens nicht im Raum, und die Anspannung in Rücken und Schultern ließ spürbar nach. Es fiel mir leichter, nachzudenken. Ich war froh, dass Mensah sie angewiesen hatte, unsere Notbake auszulösen. Zwar hatten einige von ihnen vielleicht immer noch die Firma im Verdacht, aber anders kamen wir von diesem Planeten nicht weg.

Arada nahm Overses Hand. „Wenn nicht die Firma dahintersteckt, wer dann?“, fragte sie.

„Es muss hier noch eine weitere Partei geben.“ Mensah rieb sich die Stirn und verzog vor lauter Grübeln das Gesicht. „Diese beiden zusätzlichen Einheiten bei DeltFall müssen ja irgendwo hergekommen sein. SecUnit, ich gehe davon aus, dass die Firma sich bestechen ließe, die Anwesenheit eines dritten Prospektionsteams auf diesem Planeten zu verschleiern.“

„Die Firma ließe sich bestechen, die Anwesenheit mehrerer hundert Teams auf diesem Planeten zu verschleiern“, antwortete ich. Prospektionsteams, ganze Städte, verschwundene Kolonien, Wanderzirkusse, solange sie dort nur glaubten, sie könnten damit durchkommen. Mir leuchtete bloß nicht ein, wie sie damit durchkommen sollten, ein Team zu beseitigen – beziehungsweise gleich zwei. Oder wieso sie auf eine solche Idee kommen sollten. Es gab zu viele Finanzierungsgesellschaften da draußen, zu viele Mitbewerber. Tote Klienten waren schlecht fürs Geschäft. „Ich glaube nicht, dass die Firma der einen Klientengruppe heimlich dabei helfen würde, zwei andere Klientengruppen zu ermorden. Laut Finanzierungsvereinbarung garantiert Ihnen die Firma Ihre Sicherheit oder leistet im Todes- oder Verletzungsfall Kompensation. Selbst wenn die Firma für Ihren Tod nicht verantwortlich oder teilverantwortlich gemacht werden kann, müsste sie trotzdem Ihren Hinterbliebenen Entschädigungszahlungen zukommen lassen. DeltFall war eine große Operation. Allein die Todesfallzahlung dürfte gewaltig sein.“ Und die Firma hasste es, Geld auszugeben. Das sah man schon mit einem Blick auf die geflickten Polster der Sitzmöbel im Habitat. „Und wenn alles darauf hindeutet, dass die Klienten durch defekte SecUnits getötet wurden, trudeln massenhaft Klagen ein, und die Angelegenheit wird noch teurer.“

Über die Kameras konnte ich sehen, wie sie nickten und nachdenkliche Gesichter zogen, während das sackte. Und wie ihnen einfiel, dass ich Erfahrung darin hatte, was passierte, wenn SecUnits durchdrehten und Klienten töteten.

„Also hat die Firma sich bestechen lassen, dieses dritte Prospektionsteam geheim zu halten, aber nicht zugelassen, dass sie uns töten“, sagte Overse. Das Gute an Klienten aus der Wissenschaft ist, dass sie schnell umdenken können. „Das bedeutet, wir müssen so lange am Leben bleiben, bis der Abholtransport eintrudelt.“

„Aber wer steckt dahinter?“ Arada wedelte mit den Händen. „Wer immer es ist, fest steht jedenfalls, dass sie den Satelliten gehackt haben müssen.“ Über Securitykamera sah ich, dass sie in meine Richtung blickte. „Haben sie so Kontrolle über die SecUnits von DeltFall bekommen? Durch einen Download?“

Gute Frage. Ich sagte: „Wäre möglich. Aber das erklärt nicht, wieso eine der drei Einheiten außerhalb der Kuppel mit einem Minenbohrer getötet worden ist.“ Wir waren eigentlich so ausgelegt, dass wir Downloads nicht ablehnen konnten, und ich bezweifelte, dass noch andere Einheiten heimlich ihr Chefmodul gehackt hatten. „Wenn die DeltFall-Gruppe den Download für ihre SecUnits abgelehnt hat, weil sie die gleiche Zunahme an versagender Ausrüstung erlebt hat wie wir, dann könnten die beiden unidentifizierten Einheiten losgeschickt worden sein, um die DeltFall-Einheiten manuell zu infizieren.“

Ratthi starrte ins Leere, und über Feed sah ich, dass er sich das Video meiner Feldkamera vom DeltFall-Habitat ansah. Er zeigte in meine Richtung und nickte. „Ich stimme zu, aber das würde bedeuten, dass die DeltFall-Gruppe die unbekannten Einheiten in ihr Habitat gelassen hat.“

Da war was dran. Wir hatten uns davon überzeugt, dass ihre Hopper alle da waren, aber es ließ sich unmöglich sagen, ob irgendwann ein weiterer gelandet und wieder weggeflogen war. Apropos, ich überprüfte besser kurz den Securityfeed, um zu sehen, was unser Perimeter so machte. Die Drohnen sicherten fleißig, und unsere Warnsensoren reagierten alle aufs Anpingen.

„Aber wieso? Wieso eine fremde Gruppe ins Habitat lassen? Eine Gruppe, deren Existenz vor ihnen geheim gehalten worden ist?“, fragte Overse.

„Sie würden das auch machen“, sagte ich. Ich hätte besser den Mund gehalten, damit sie mich als ihre normale brave SecUnit betrachteten, anstatt sie an meinen wahren Zustand zu erinnern. Aber ich wollte, dass sie vorsichtig waren. „Wenn hier ein fremdes Prospektionsteam landen würde, alle furchtbar nett, und sagen würde, sie wären gerade angekommen, und ach ja, mit unserer Ausrüstung stimmt was nicht oder unser MedSystem ist ausgefallen, und wir brauchen Hilfe, dann würden Sie sie reinlassen. Sogar wenn ich Ihnen davon abraten würde, weil es gegen die Sicherheitsvorschriften der Firma verstößt.“ Nicht, dass ich verbittert wäre oder so. Viele Vorschriften der Firma sind beknackt oder dienen einfach nur der Kostenersparnis, aber manche gibt es auch aus gutem Grund. Dazu zählt, keine Fremden ins Habitat zu lassen.

Arada und Ratthi wechselten einen spöttischen Blick. Overse gab klein bei. „Kann gut sein, ja.“

Mensah hatte uns ruhig zugehört. Nun sagte sie: „Ich glaube, das ging noch viel leichter. Die haben sich einfach für uns ausgegeben.“

Das leuchtete dermaßen ein, dass ich mich umwandte und sie direkt ansah. Ihre Stirn war in Falten gelegt. Sie überlegte weiter. „Also landen sie, sagen, sie wären wir und dass sie Hilfe brauchen. Wenn sie auf unser HabSystem zugreifen können, wäre es kein Problem, unsere Kommunikation mitzuhören.“

„Wenn sie hierherkommen, gehen sie das anders an“, sagte ich. Es hing alles davon ab, wie dieses andere Prospektionsteam ausgerüstet war, ob sie von vornherein darauf aus gewesen waren, sich Konkurrenz vom Hals zu schaffen oder dies erst nach ihrer Ankunft beschlossen hatten. Sie konnten über bewaffnete Luftfahrzeuge verfügen, über Combat-SecUnits, über bewaffnete Drohnen. Ich rief ein paar Beispiele aus der Datenbank auf und packte sie den Menschen zum Ansehen in den Feed.

MedSystem informierte mich, dass bei Ratthi, Overse und Arada gerade der Puls anstieg. Bei Mensah nicht, denn die hatte längst daran gedacht. Deshalb hatte sie auch Pin-Lee und Gurathin losgeschickt, damit sie HabSystem abstellten. Nervös fragte Ratthi: „Was machen wir, wenn sie herkommen?“

Ich sagte: „Woanders sein.“

+

Es mag merkwürdig erscheinen, dass von den Menschen allein Mensah daran dachte, das Habitat zu verlassen, während wir darauf warteten, dass die Bake Hilfe herbeirief, aber wie ich schon sagte, dies waren keine unerschrockenen galaktischen Forschungsreisenden. Sondern Leute, die einfach nur ihren Job machten und sich plötzlich in einer schlimmen Lage wiederfanden.

Und von der Einweisung vor Reiseantritt über die Verzichtserklärungen, die sie unterschreiben mussten, bis hin zu ihrem Vor-Ort-Briefing durch ihre SecUnit war ihnen eingehämmert worden, dass es sich hier um eine unbekannte, potenziell gefährliche Gegend auf einem größtenteils nicht erkundeten Planeten handelte. Sie sollten das Habitat nur unter Sicherheitsvorkehrungen verlassen, und wir blieben selbst bei Erkundungsflügen nicht über Nacht fort. Ihnen wollte die Vorstellung, die beiden Hopper mit Notfallausrüstung vollzupacken und abzuhauen, nur schwer in den Kopf; erst recht, dass sie draußen sicherer sein sollten als im Habitat.

Aber während Pin-Lee und Gurathin HabSystem plattmachten und Volescu den für mich bestimmten Satellitendownload entpackte, begriffen sie es doch recht schnell.

Bharadwaj umriss das Update für uns über Funk, während ich in meine letzte Ersatz-Anzughaut schlüpfte und meinen Panzer wieder anlegte. „Es hätte die Kontrolle über SecUnit übernehmen sollen, und die Anweisungen sind sehr detailliert“, endete sie. „Als Erstes hätte sie ihnen Zugriff auf MedSystem und SecSystem geben sollen.“

Ich setzte meinen Helm auf und stellte ihn undurchsichtig. Die Erleichterung war gewaltig, praktisch genauso groß wie nach Entfernen des Gefechtsmoduls. Ich liebe dich, Panzer, und ich verlasse dich nie wieder.

Mensah meldete sich über Funk. „Pin-Lee, wie sieht es mit der Bake aus?“

„Beim Auslösen des Starts habe ich ein Signal bekommen.“ Pin-Lee klang noch genervter als sonst immer. „Aber eine richtiggehende Bestätigung ist mit runtergefahrenem HabSystem nicht drin.“

Ich erklärte über Feed, dass ich zur Überprüfung eine Drohne losschicken konnte. Dass die Bake sauber abgehoben hatte, war gerade ziemlich entscheidend. Mensah gab ihr Okay, und ich leitete den Befehl an eine meiner Drohnen weiter.

Unsere Bake stand aus Sicherheitsgründen einige Kilometer vom Habitat entfernt, aber eigentlich hätten wir ihren Start doch kaum überhören können. Bildete ich mir jedenfalls ein; bisher hatte ich ja noch nie eine losschicken müssen.

Mensah hatte die Menschen bereits zur Arbeit eingeteilt und losgeschickt, und sobald ich meine Waffen und Ersatzdrohnen eingeladen hatte, schnappte ich mir ein paar Kisten. Über die Securitykameras bekam ich immer wieder kleine Bruchstücke von Gesprächen mit.

(„Du musst sie dir als Individuum vorstellen“, sagte Pin-Lee zu Gurathin.

„Sie ist ein Individuum“, beharrte Arada.)

Ratthi und Arada rannten mit Medizinbedarf und Ersatzakkus an mir vorbei. Ich hatte unseren Drohnenparameter maximal ausgeweitet. Wir mussten davon ausgehen, dass diejenigen, die DeltFall angegriffen hatten, jede Sekunde hier aufkreuzen konnten. Gurathin war ebenfalls bereits draußen und überprüfte die Systeme der beiden Hopper, um sicherzustellen, dass außer uns niemand auf sie zugreifen konnte und HabSystem nicht an ihrem Code herumgepfuscht hatte. Ich behielt ihn über eine Drohne im Auge. Er sah immer wieder zu mir beziehungsweise versuchte, nicht zu mir zu sehen, was schlimmer war. Ich konnte diese Ablenkung jetzt nicht gebrauchen. Wenn der nächste Angriff kam, dann schlagartig.

(„Ich stelle sie mir durchaus als Individuum vor“, sagte Gurathin. „Als wütendes, schwerbewaffnetes Individuum, das keinen Grund hat, uns zu vertrauen.“

„Dann hör auf, gemein zu ihr zu sein“, empfahl Ratthi. „Das könnte helfen.“)

„Sie wissen, dass ihre SecUnits unserer SecUnit erfolgreich das Gefechtsmodul eingesteckt haben“, sagte Mensah gerade über Funk. „Und wir müssen davon ausgehen, dass sie noch genug Daten von HabSystem bekommen haben, um zu wissen, dass wir es entfernt haben. Sie wissen jedoch nicht, dass wir ihre Existenz abgeleitet haben. Als SecUnit HabSystem ausgesperrt hat, sind wir noch von der Vermutung ausgegangen, dass es sich um Sabotage seitens der Firma handelt. Dass wir wissen, dass sie kommen, können sie sich kaum denken.“

Und aus diesem Grund mussten wir in Bewegung bleiben. Ratthi und Ara blieben stehen, um eine Frage wegen der Akkus für die medizinischen Geräte zu klären, und ich scheuchte sie für die nächste Fuhre zurück ins Habitat.

Ich stand vor einem Problem. Wir Killerbots kämpfen, indem wir uns auf das Ziel stürzen und einfach versuchen, es plattzumachen, da wir wissen, dass neunzig Prozent unserer Körper in einer Schlafzelle nachwachsen oder ersetzt werden können. Da ist keinerlei Raffinesse erforderlich.

Wenn wir das Habitat verließen, hatte ich zur Schlafzelle keinen Zugang mehr. Wir hatten keine Ahnung, wie sie sich zerlegen ließ, außerdem hätte sie dann immer noch nicht in den Hopper gepasst und benötigte zu viel Leistung.

Und dann besaßen die außerdem vielleicht richtige Kampfroboter und nicht nur Securityroboter wie mich. In diesem Fall bestand unsere einzige Chance darin, so lange von der Bildfläche zu verschwinden, bis der Abholtransport eintraf. Vorausgesetzt, das andere Prospektionsteam hatte nicht Leute in der Firma bestochen, die nun für eine Verspätung sorgten. Diese Möglichkeit hatte ich bis jetzt noch gar nicht angesprochen.

Es war fast alles eingeladen, als Pin-Lee über Funk verkündete: „Ich hab‘s gefunden! Sie hatten in HabSystem eine Zugriffsroutine versteckt. Es hat ihnen zwar nicht unsere Audio- oder Videodaten geschickt oder zugelassen, dass sie unseren Feed sehen, aber es hat regelmäßig ihre Befehle umgesetzt. Auf diese Weise hat es Daten aus unserem Info- und Kartenpaket entfernt und dem Autopiloten des kleinen Hoppers Anweisung gegeben, auszufallen.“

„Beide Hopper sind so weit, Vorflugkontrolle ist eingeleitet“, fügte Gurathin hinzu.

Mensah sagte etwas, aber ich hatte eben eine Warnung von SecSystem reinbekommen. Eine Drohne schickte mir ein Notsignal.

Eine Sekunde später bekam ich das Video der Drohne von der Abschussposition unserer Bake. Der dreibeinige Abschussständer lag auf der Seite, drum herum Bruchstücke der Kapsel.

Ich verschob es in den allgemeinen Feed, und die Menschen verstummten. Ratthi sagte leise: „Ach du Scheiße.“

„Wir machen weiter.“ Mensah über Funk, mit rauer Stimme.

Mit abgeschaltetem HabSystem besaßen wir keine aktiven Scanner, aber ich hatte den Perimeter größtmöglich ausgeweitet. Und SecSystem hatte gerade den Kontakt zu einer Drohne unten im Süden verloren. Ich warf die letzte Kiste in den Frachtraum, gab den Drohnen ihre Befehle und rief über Funk: „Sie kommen! Wir müssen sofort starten!“

Es war unerwartet stressig, vor den Hoppern auf und ab zu laufen und auf meine Menschen zu warten. Volescu kam mit Bharadwaj raus und half ihr über den sandigen Boden. Dann, mit Schultertaschen beladen, Overse und Arada, die Ratthi hinter ihnen zubrüllten, er solle sich beeilen. Gurathin war bereits im großen Hopper, Mensah und Pin-Lee kamen als Letzte.

Sie verteilten sich. Pin-Lee, Volescu und Bharadwaj eilten zum kleinen Hopper und die anderen zum großen. Ich vergewisserte mich, dass Bharadwaj mit der Rampe zurechtkam. An der Luke des großen Hoppers bekamen wir ein Problem, als Mensah und ich beide zuletzt reinwollten. Als Kompromiss fasste ich sie um die Taille und schwang uns beide hoch in die Luke, während hinter uns die Rampe eingezogen wurde. Ich stellte Mensah hin, die „Danke, SecUnit“ sagte, und die anderen glotzten.

Der Helm machte es ein wenig leichter, doch mir fehlte der angenehme Puffer der Securitykameras.

Ich blieb stehen und hielt mich oben an der Haltestange fest, während die anderen sich anschnallten und Mensah zum Cockpit ging. Der kleine Hopper stieg zuerst auf, und sie wartete, bis er weit genug weg war, bevor sie den großen ebenfalls hochzog.

Wir handelten auf der Grundlage einer Annahme – dass SIE, wer immer SIE waren, ein einzelnes Schiff schickten, weil sie schließlich nicht ahnen konnten, dass wir von ihnen wussten. Sie mussten davon ausgehen, uns im Habitat zu erwischen, also hatten sie vor, erst die Hopper zu zerstören, damit wir nicht wegkonnten, und sich dann die Leute vorzuknöpfen. Da wir nun wussten, dass sie von Süden kamen, konnten wir uns auch für eine Richtung entscheiden. Der kleine Hopper kurvte nach Westen davon, und wir folgten ihm.

Ich konnte nur hoffen, dass ihr Hopper keine höhere Reichweite für seine Scanner hatte als unsere.

Die meisten meiner Drohnen sah ich im Feed des Hoppers, sie bildeten in den drei Dimensionen der Karte einen hellen Tupfen. Gruppe eins tat, was ich ihr gesagt hatte, und sammelte sich an einem Treffpunkt in der Nähe des Habitats. Ich ließ eine Berechnung laufen, mit der ich die Ankunftszeit des Feindflugzeugs abschätzte. Kurz bevor wir die Reichweite der Drohnen verließen, wies ich sie an, nach Nordosten zu fliegen. Binnen weniger Momente verschwanden sie von der Karte. Sie würden den letzten Befehl so lange befolgen, bis ihre Akkus erschöpft waren.

Ich baute darauf, dass das andere Erkundungsteam sie ortete und ihnen folgte. Sobald sie ein Bild unseres Habitats bekamen, würden sie sehen, dass die Hopper fehlten, und wissen, dass wir uns abgesetzt hatten. Sie hielten vielleicht an, um das Habitat zu durchsuchen, aber vielleicht suchten sie auch lieber nach unserer Fluchtroute. Was von beiden, ließ sich unmöglich abschätzen.

Aber während wir in einer Kurve auf die fernen Berge zuhielten, folgte uns nichts.

++

Fortsetzung in Teil #3/3 

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