20. Mai 2018 1 Likes

Es war eine Lust, Feuer zu legen

Ray Bradburys legendärer Klassiker „Fahrenheit 451“

Lesezeit: 2 min.

Beinahe jedes Kind kennt die Geschichte von Guy Montag, dem Feuerwehrmann, der im Namen eines repressiven Staates auszieht, um Bücher zu verbrennen und schließlich selbst zum Leser und damit zum Rebellen, zum Ausgestoßenen wird. Schließlich gehört „Fahrenheit 451“ (im Shop) nicht nur zum Kanon der Weltliteratur, sondern ist seit Jahrzehnten Schullektüre und wird am 19. Mai 2018 als großes TV-Ereignis bei HBO ausgestrahlt.

„Es war eine Lust Feuer zu legen. Es war eine besondere Lust, zu sehen, wie etwas verzehrt wurde, wie es schwarz wurde und zu etwas anderem wurde. Das Stahlrohr in der Hand, die Mündung dieser mächtigen Schlange, die ihr giftiges Kerosin in die Welt hinausspie, fühlte er das Blut in seinen Schläfen pochen und seine Hände waren die eines erstaunlichen Dirigenten, der eine Symphonie des Sengens und des Brennens aufführte, um die kärglichen Reste der Kulturgeschichte vollends auszutilgen.“

Als Ray Bradbury 1950 seine Novelle „Der Feuerwehrmann“ schrieb, die er drei Jahre später auf Anfragen des Verlags Ballantine zum seinem berühmten Roman umarbeitete, waren die Bilder der Bücherverbrennungen der Nazis im Bewusstsein der Menschen noch allzu präsent und das beklemmende politische Klima der McCarthy-Ära gehörte zum Alltag des Lebens in den USA. Damals war „Fahrenheit 451“ ein treffender Kommentar zum Zeitgeschehen. Liest man den Roman heute, läuft einem angesichts von Bradburys visionärem Weitblick fast ein Schauer über den Rücken. Wie ein Rezensent in der Zeit schrieb, „ist (…) nicht das Inferno erschreckend, nicht der Flammenterror, sondern das von unserer Wirklichkeit weitgehend eingeholte Komfortszenario“.

Facebook, Google und Pinterest, die den Menschen - noch bevor sie es selbst wissen - sagen, was sie zu liken, zu kaufen, ja zu wollen haben, sind nicht mehr weit von der Welt entfernt, in der Montags Frau Mildred ihren Mann bittet, doch endlich eine vierte Videoleinwand im Wohnzimmer einzuziehen, damit sie sich voll und ganz in die virtuelle Realität flüchten kann. Dagegen wirkt, das Geständnis der jungen Clarisse, dass sie manchmal den Mond betrachte, geradezu schockierend – und man fragt sich unweigerlich, wann man selbst zum letzten Mal einfach nur in den Himmel geschaut hat.

„Fahrenheit 451“ berührt seine Leser und Leserinnen seit fast siebzig Jahren und wird es vermutlich auch noch die nächsten siebzig Jahre tun. Weil der Roman immer aktuell ist, und weil er uns dazu bringt, das zu tun, was seinen Protagonisten verwehrt ist: Lesen und Nachdenken.

Ray Bradbury: „Fahrenheit 451“ • Roman • Mit der Originalgeschichte „Der Feuerwehrmann“ und einem Nachwort von Sascha Mamczak • Aus dem Amerikanischen von Fritz Güttinger • Wilhelm Heyne Verlag, München 2010 • 304 Seiten • Preis € 12,99 (im Shop)

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