22. Juli 2017 2 Likes

Zeitreisen sind die Pest

Connie Willis‘ Roman „Die Jahre des Schwarzen Todes“ wirft einen Blick in die Zukunft und die Vergangenheit

Lesezeit: 2 min.

Zeitreiseromane sind faszinierend. Egal, ob die Helden nun wie in Michael J. Sullivans „Zeitfuge“ (im Shop) in der fernen Zukunft landen, wie in Wesley Chus „Zeitkurier“ (ab dem 14.8.2017 im Shop) aus der Zukunft in die Gegenwart kommen oder wie in Connie Willis „Die Jahre des Schwarzen Todes“ (im Shop) in die Vergangenheit reisen – Zeitsprünge sind das ideale Vehikel, um unseren sozialen, politischen und privaten Alltag aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Das literarische Äquivalent zu John Keatings Schreibtisch, wenn der kurze Verweis auf die legendäre Szene aus dem Film „Der Club der toten Dichter“ gestattet ist.

Ein Perspektivwechsel, den Connie Willis in ihrem mehrfach preisgekrönten Buch „Die Jahre des Schwarzen Todes“ – der Roman wurde unter anderem mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet –, gleich von zwei Seiten vornimmt. Die Geschichte beginnt im Oxford der Zukunft, im Dezember des Jahres 2055 um genau zu sein. Eine revolutionäre neue Technologie ermöglicht es Historikern, in die Vergangenheit zu reisen, um vor Ort das Leben der Zeitgenossen zu erforschen. Gegen den Willen ihres Professors und väterlichen Freundes James Dunworthy entschließt sich die Studentin Kivrin Engle, die Reise ins Jahr 1320 anzutreten – eine Epoche, die bisher als zu gefährlich eingestuft und für Historiker gesperrt war.

Es kommt, wie es kommen muss: Bei der riskanten Operation geht etwas schief, und Kivrin wird im Mittelalter mit ungeahnten Problemen konfrontiert. Der bestialische Gestank und die aus moderner Sicht fragwürdige Lebenseinstellung der Zeitgenossen sind dabei noch die geringsten Sorgen der jungen Historikerin. Der zweite Handlungsstrang begleitet den in der Zukunft zurückgebliebenen James Dunworthy, der sich kurz nach Kivrins Abreise mit dem Ausbruch einer katastrophalen Seuche konfrontiert sieht. Intelligent und eindringlich verknüpft Connie Willis die beiden Zeitebenen miteinander und stellt dabei die wichtigen Fragen des Lebens: Was bedeutet Mitmenschlichkeit? Wie verhalten wir uns in Krisensituationen? Ist die Angst vor dem Unbekannten ein Grund sich abzuschotten oder nicht vielmehr eine Chance zur humanitären Weiterentwicklung? Und wenn im England des Jahres 2055 die angesichts der rasch um sich greifenden Epidemie panisch gewordenen Demonstranten den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Gemeinschaft fordern, dann möchte man der Autorin fast schon hellseherische Fähigkeiten unterstellen – immerhin erschien „Die Jahre des Schwarzen Todes“ bereits 1992!

Connie Willis hat mit ihrem Roman nicht nur eine faszinierende Vision der Zukunft, sondern auch ein lebendiges Porträt der Vergangenheit entworfen, die den Leser voller Staunen zurücklassen. Öffnen Sie Ihren Geist und treten Sie eine Reise durch die Zeiten an – es lohnt sich!

Connie Willis: „Die Jahre des Schwarzen Todes“ ∙ Roman ∙ Aus dem Amerikanischen von Walter Brumm ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2011 ∙ 784 Seiten ∙ Preis des E-Books € 8,99 (im Shop)

 

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