30. Juni 2015 1 Likes 1

Widerliche Dinge

In „Das Nachtleben auf Cissalda“ lässt Harlan Ellison die Hosen runter

Lesezeit: 2 min.

In „Das Nachtleben auf Cissalda“, auf Deutsch entweder als E-Only-Einzelstory (im Shop) oder im Sammelband „Ich muss schreien und habe keinen Mund“ (im Shop) erhältlich, geht es kurz gesagt um Sex und das Ende der Welt. Nein, nicht ums „Liebe machen“ oder „zusammen sein“, wie Ellison es in einem berühmten Vorwort zu dieser Story formulierte, sondern ums … Ficken. Und die manchmal zerstörerische Kraft, die unser Begehren sein kann, sowohl für den Einzelnen als auch für die Menschheit als Ganzes. Und sie ist ziemlich witzig.

Die Story dreht sich um den Temponauten Enoch Mirren, der in ein anderes Zeit/Universum geschickt wurde. Seine Rückkehr zur Erde verläuft allerdings nicht wie geplant: „Als sie die Zeitkapsel aufschraubten und dem Temponauten Enoch Mirren beim Aussteigen helfen wollten, sahen sie, dass er etwas Widerliches mit einem widerlichen Ding trieb.“

Mirren hatte offensichtlich im anderen Zeit/Universum erfolgreich Erstkontakt mit einem Alien hergestellt, dem er sich jetzt, sagen wir, verbunden fühlt. Nachdem ein Spezialist, der so wichtig ist, dass der Präsident ihn mit dem roten Telefon anruft, festgestellt hat, dass Temponaut Mirren ununterbrochen Koitus mit dem widerlichen, kugelförmigen Ding hat, bleibt nichts unversucht, um die Wahrheit zu vertuschen und Temponaut und Alien voneinander zu trennen. Schließlich gelingt letzteres, und Mirren berichtet, dass es sich um einen Cissaldaner handelt, ein Wesen mit telepathischen Fähigkeiten, dessen einziger Wunsch es ist, ein anderes Wesen, das vorzugsweise kein Cissaldaner ist, sexuell zu befriedigen. Und das Beste: Es hat eine Menge Freunde. Und die kommen gerne vorbei, um sich jedes einzelnen Menschen anzunehmen. Oder Tieres.

Die Cissaldanische Invasion, exemplarisch abgehandelt an einer Reihe Prominenter aus Politik und Showbusiness, ist entweder die Apokalypse oder die größte planetarische Orgie, je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet. Dabei ist „Das Nachtleben auf Cissalda“ keineswegs einfach nur eine Aneinanderreihung obszöner Witze, wie man jetzt meinen könnte. Ellison zeigt, was so ein herrlich unzuverlässiger Erzähler alles drauf hat, etwa, wenn er beschreibt, wie Enoch Mirren aus der Isolierzelle entkommt, nachdem die Apokalypsenorgie ausgebrochen ist …

Sieht man einmal von Harlan Ellisons eher pessimistischen Behauptung, dass der Mensch für einen guten Fick alles aufgeben würde - selbst Essen, Trinken und sein eigenes Leben -, ab, ist „Das Nachtleben auf Cissalda“ vor allem eines: eine clevere und verdammt lustige Story!

Harlan Ellison: „Das Nachtleben auf Cissalda“ · Kurzgeschichte · Aus dem Amerikanischen von Eva Malsch · Wilhelm Heyne Verlag, München 2015 · € 1,99 (im Shop)

Kommentare

Bild des Benutzers Shrike

Ich hab geschrien beim Lesen. Gut, dass ich einen Mund habe.

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