27. Januar 2018 3 Likes

Das Geheimnis des Mond-Kondoms

Eine exklusive Sneak-Preview zu Andy Weirs neuem Roman „Artemis“

Lesezeit: 4 min.

Bald hat das Warten ein Ende – am 26. Februar erscheint Andy Weirs neuer Roman „Artemis“ (im Shop) endlich auf Deutsch. In der Geschichte um die so sympathische wie durchtriebene Kleinkriminelle Jazz Bashara, die versucht, in Artemis, der ersten und einzigen Stadt auf dem Mond, das große Geld zu machen, punktet Andy Weir mit den gleichen Qualitäten, die auch seinen Debütroman „Der Marsianer“ (im Shop) zu einem unvergesslichen Leseerlebnis machten: wissenschaftliche Fakten, eingebettet in eine spannende Story, und eine ordentliche Portion Humor. Kleiner Vorgeschmack gefällig? In der folgenden Leseprobe – einem Gespräch zwischen Ich-Erzählerin Jazz und ihrem ukrainischen Ingenieurskumpel Svoboda – erfahren Sie alles, was Sie schon immer über die Kondom-Produktion auf dem Mond wissen wollten …

 

Er stand auf und winkte mir, ihm zu folgen. Ich begleitete ihn in die hintere Ecke des Labors, wo er seine Schwarzarbeit verrichtete. Warum Geräte kaufen, wenn einen Europas Steuerzahler kostenlos damit ausrüsteten?

„Schau her!“ Er deutete auf den Tisch.

Der Gegenstand in der Mitte war nichts Besonderes. Nur eine kleine, durchsichtige Plastikschachtel, in der sich etwas befand. Ich sah es mir näher an. „Ist das ein Kondom?“

„Ja!“, bestätigte er stolz. „Meine neueste Erfindung!“

„Die Chinesen sind dir siebenhundert Jahre zuvorgekommen.“

„Das ist kein alltägliches Kondom!“ Er schob einen Behälter in der Größe einer Thermoskanne zu mir herüber. Sie hatte ein Stromkabel und einen aufklappbaren Deckel. „Das hier gehört dazu.“

Ich öffnete den Behälter. In den Wänden waren winzige Löcher, in der Mitte befand sich ein runder Metallzylinder, der am Boden befestigt war. „Äh, ja … und?“

„Ich kann eine Menge Geld verdienen, wenn ich diese Apparate für dreitausend Motten pro Stück verkaufe.“

„Kondome kosten nur fünfzig Motten. Warum sollte jemand so etwas kaufen?“

Er grinste. „Es ist wiederverwendbar.“

Ich blinzelte. „Willst du mich verarschen?“

„Keineswegs! Es besteht aus einem dünnen, aber beständigen Material. Man kann es mehrere Hundert Mal benutzen.“ Er deutete auf den runden Stift in dem Behälter. „Nach jedem Gebrauch drehst du das Kondom auf links und schiebst es über den Zylinder …“

„Igitt!“

„Dann schaltest du den Reiniger ein. Zuerst wird das Kondom mit einer Reinigungsflüssigkeit behandelt, dann wird es zehn Minuten lang stark erhitzt. Danach ist es steril und kann noch einmal benutzt werden …“

„O Gott, nein!“

„Vorher sollte man es natürlich abspülen …“

„Hör auf!“, sagte ich. „Ehrlich, warum sollte jemand so etwas kaufen?“

„Weil es langfristig Geld spart und weniger anfällig ist als ein normales Kondom.“

Ich sah ihn mehr als zweifelnd an.

„Rechne doch nach“, fuhr er fort. „Normale Kondome kosten viel zu viel. Es gibt hier keine Produzenten, weil wir keine Möglichkeit haben, Kautschuk herzustellen. Auf dem Mond gibt es die nötigen Rohstoffe nicht. Aber mein Produkt übersteht mindestens zweihundert Benutzungen. Damit sparst du zehntausend Motten.“

„Äh …“ Jetzt redete er in meiner Sprache. „Na gut, vielleicht ist das doch nicht ganz so verrückt. Aber ich habe nicht genug Geld, um zu investieren …“

„Oh, ich suche keine Investoren. Ich brauche jemanden, der es testet.“

„Und du glaubst, ich hätte den passenden Schwanz dazu?“

Er verdrehte die Augen. „Ich muss wissen, wie es sich für eine Frau anfühlt.“

„Ich will keinen Sex mit dir.“

„Nein, nein!“ Er zuckte zusammen. „Du sollst es das nächste Mal benutzen, wenn du Sex hast. Sag mir, wie es sich auf dein Erleben auswirkt.“

„Warum vögelst du nicht ein Mädchen und fragst sie selbst?“

Er heftete den Blick auf die Schuhspitzen. „Ich habe keine Freundin und komme mit Frauen nicht so gut zurecht.“

„In Aldrin gibt es jede Menge Bordelle! Teuer, billig, was immer du willst.“

„Das bringt nichts.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich brauche Daten von einer Frau, die zum Vergnügen Sex hat. Die Frau muss sexuell erfahren sein, was zweifellos auf dich zutrifft …“

„Vorsicht!“

„Und sie sollte in der nächsten Zeit Sex haben, was ebenfalls wahrscheinlich …“

„Wähle deine Worte mit Bedacht!“

Er hielt inne. „Jedenfalls weißt du jetzt, worauf ich hinauswill.“

Ich stöhnte. „Kann ich dir nicht einfach zweitausend Motten geben?“

„Ich will kein Geld. Ich brauche jemanden, der meine Erfindung testet.“

Ich starrte das Kondom an. Es sah völlig normal aus. „Funktioniert es denn richtig? Bist du sicher, dass es nicht reißt oder so?“

„Oh, da bin ich völlig sicher. Ich habe eine ganze Reihe von Tests durchgeführt. Dehnung, Druck, Reibung, was immer du dir vorstellen kannst.“

Da kam mir ein beunruhigender Gedanke. „Warte mal, hast du das hier schon einmal benutzt?“

„Nein, aber das würde keine Rolle spielen. Nach der Reinigung ist es völlig steril.“

„Machst du W…“ Ich hielt inne und holte tief Luft. Dann sagte ich so ruhig, wie ich nur konnte: „Es spielt durchaus eine Rolle, Svoboda. Vielleicht nicht biologisch, aber psychologisch auf jeden Fall.“

Er zuckte mit den Achseln.

Ich dachte noch einen Moment darüber nach und willigte schließlich ein. „Na gut, abgemacht. Aber ich verspreche dir nicht, herumzulaufen und den nächstbesten Kerl flachzulegen.“

„Sicher, sicher“, entgegnete er. „Benutz es einfach nur … wenn sich es das nächste Mal von selbst ergibt, ja?“

„Ja, in Ordnung.“

„Ausgezeichnet!“ Er nahm die Kondomschachtel und das Reinigungsgerät und übergab mir beides. „Ruf mich an, wenn du noch Fragen hast.“

Schaudernd nahm ich die Sachen entgegen. Das war nicht der stolzeste Augenblick meines Lebens, aber rein logisch gesehen war alles in Ordnung. Schließlich wirkte ich nur bei einem Produkttest mit. Daran war doch nichts Komisches, oder?

Oder?

 

Andy Weir: „Artemis“ ∙ Roman ∙ Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski ∙ Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 ∙ 432 Seiten ∙ Preis des E-Books € 11,99 (im Shop)

 

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