30. Juni 2018

Das schöne, hässliche Spiel

Lektüre für Weltmeister: Die Fußball-Krimis von Philip Kerr

Lesezeit: 2 min.

Anfang des Jahres verstarb der schottische Autor Philip Kerr im Alter von 62 Jahren. Er verfasste viele historische Romane über den Detektiv Bernie Gunther, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin spielen, aber auch Science-Fiction-Titel wie „Das Wittgensteinprogramm“, „Game over“ oder „Geheimmission Mond“, wobei er futuristische Techno-Thriller ebenso abdeckte wie Young-Adult-Alternativweltstoffe. Und während er unter dem Pseudonym P. B. Kerr sogar eine Dschinn-Fantasy-Serie schrieb, legte er unter seinem richtigen Namen noch eine richtig gute Fußball-Krimi-Trilogie vor, die man als perfekte Lektüre zur laufenden Weltmeisterschaft in Russland bezeichnen kann.

Denn Kerr, der ein begeisterter Anhänger von Arsenal London war, zeigt in seinen drei Romanen die schönen, die unglaublichen und die schmutzigen Seiten des modernen Profifußballs auf, in dessen Umfeld Leidenschaft, Athletik, Kommerz, Rassismus, Kameradschaft, Hass, Gewalt und Korruption blühen. Der Schotte wirf einen kenntnisreichen Blick auf den Platz und auf die Maschinerie hinter dem schönen Spiel mit der hässlichen Visage. Als Vehikel für diese Rundreise durch den Fußball von Heute, der genauso Sport wie Industrie ist, dient Ich-Erzähler Scott Manson. Der dunkelhäutige Schotte mit deutschen Wurzeln arbeitet als Trainer für den fiktiven, von einem zwielichtig-reichen Ukrainer finanzierten Premier League-Club London City, wobei sich Manson in den Romanen „Der Wintertransfer“, „Die Hand Gottes“ und „Die falsche Neun“ immer wieder als Amateurdetektiv betätigt und selbst in Sachen Mord ermittelt.

Der Leser merkt schnell: Kerr liebte den Fußball und seinen Kult und feierte bereitwillig seine schönsten Momente und mitreißendsten Aspekte – und verschloss dennoch nicht die Augen vor seinen Untiefen und Schattenseiten. Es gibt einige Romane über den beliebtesten Sport der Deutschen, der Spanier und der Engländer, doch Kerrs Werke führen die Tabelle an. Der zweite Band beginnt übrigens mit einer kritischen Bestandaufnahme Russlands, was für die aktuelle WM nicht uninteressant ist, ehe sich die überraschende Handlung mutig ins Griechenland zur Zeit der europäischen Finanzkrise verlagert.

Wer gebannt durch diese sympathischen, süffigen Fußball-Romane stürmt, kriegt nicht die besten Whodunnits aller Zeiten, jedoch gut geschriebene, leicht wegzulesende Sport-Krimis – und weiß hinterher mehr über den modernen Fußball als vorher. Das macht die Trilogie zum literarischen Hattrick, die Bücher zur idealen Feierabendlektüre, zum coolen Mitbringsel zur WM-Grillparty oder einfach zur unterhaltsamen Alternative zu einem der unvermeidlichen Grottenkicks im TV. Selbst genervte Fußball-Hater und WM-Muffel dürften sich von diesen Romanen begeistern lassen.

Philip Kerr: Der WintertransferTropen, Stuttgart 2017 • 425 Seiten • Taschenbuch: 9,95 Euro

Philip Kerr: Die Hand GottesTropen, Stuttgart 2017 • 397 Seiten • Taschenbuch: 9,95 Euro

Philip Kerr: Die falsche NeunTropen, Stuttgart 2016 • 367 Seiten • Paperback: 14,95 Euro (Taschenbuch ab September, alle drei Bände aktuell als E-Book-Sammelband erhältlich)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.