20. März 2014

Lucius Shepard: 1947–2014

Zum Tod des amerikanischen Autors („Das Leben im Krieg“)

Lesezeit: 3 min.

Lucius Shepard ist tot. Bereits 2012 musste der amerikanische Edelstilist unter den zeitgenössischen Genre-Autoren im Krankenhaus behandelt werden, konnte jedoch im Folgejahr wie gewohnt agil durch die ganze Welt reisen und obendrein neue Romane und Geschichten angehen. Im Sommer 2013 erlitt Shepard allerdings einen Schlaganfall und brauchte lange, um sich davon zu erholen. Als er am 1. Januar 2014 schließlich erstmals wieder bei Facebook auftauchte („new energy, new vigor […] now it’s time for work and no bullshit“), machte das seinen Followern, Freunden und Fans Mut, obwohl bekannt war, dass Shepard auf Reha nur schwer sprechen oder lesen und überhaupt nicht schreiben hat können. Im Februar wurde Shepard aufgrund einer Infektion nun erneut ins Krankenhaus eingeliefert. Am 18. März 2014 ist der amerikanische Autor im Alter von 66 Jahren gestorben.

Mit Lucius Shepard ist es ähnlich wie mit dem im Vorjahr verstorbenen Richard Matheson: Beide waren sie herausragende Autoren, die in den USA zurecht in hohen Ehren gehalten werden, wohingegen ihnen hierzulande Ruhm und Erfolg größtenteils versagt blieben. Dabei war und ist es so leicht und schon nach der Lektüre weniger Seiten aus seinem Schaffen möglich, den auf Deutsch bei Heyne, Bastei und in der Edition Phantasia veröffentlichten Lucius Shepard als einen der Besten aus der abseits des Mainstreams glänzenden Garde zu identifizieren. Als einen, der zwischen Science-Fiction, Horror und Fantasy gehaltvolle Geschichten von großer sprachlicher Schönheit, thematischer Vielfalt und psychologischer Tiefe verfasst hat.

Shepard wurde am 21. August 1947 in Lynchburg, Virginia geboren. Er wuchs in Florida auf und bereiste mit seiner Familie mehrere mittelamerikanische Länder. Auch in späteren Jahren zeigte sich Shepard stets reisefreudig und besuchte Europa, Afrika, Asien und Südamerika, was sein Werk als Autor ebenso beeinflussen sollte wie seine extrem kritische Sicht des gegenwärtigen Amerikas. Mit 20 veröffentlichte Shepard, der als Englischlehrer, Journalist, Buchhändler, Rockmusiker und Bordell-Rausschmeißer gearbeitet hat, Lyrik im Stil der Beat-Poeten, ehe ab Mitte der 80er Jahre vornehmlich vom magischen Realismus gespeiste Prosa-Geschichten aus den fantastischen Gefilden folgten.

Er hinterlässt Novellen und Romane, die das Zeugnis eines offenen, wachen, weit herumgekommenen Geistes und dessen intellektueller Schärfe sind, darunter Titel wie „Das Leben im Krieg“, „Grüne Augen“, „Endstation Lousiana“, „Aztech“ und „Ein Handbuch amerikanischer Gebete“. Shepard schrieb über Vampire letztlich genauso brillant wie über den Dschungelkrieg der Zukunft, halluzinogene Drogen, südamerikanische Götter oder einen neuzeitlichen Messias – und ignorierte die Genre-Grenzen dabei komplett (wenn er sie nicht gar kurzerhand verschob). Nicht zu vergessen sein berühmter Erzählzyklus um den gigantischen, von der Landschaft absorbierten und in den Mittelpunkt einer Zivilisation gerückten Drachen Griaule, der seinen Ursprung in einem Eintrag im Notizbuch des jungen Shepard hatte, wo dieser noch vor seiner Zeit als professioneller Autor eines Tages nach einem Joint im Freien als Gedankenbrücke für eine neue Geschichte lediglich notierte: „Big Fucking Dragon.“

Als großen Drachen konnte man Lucius Shepard im deutschsprachigen Raum nur bedingt wahrnehmen, trotz Nebula, World Fantasy und vieler anderer englischsprachiger Awards und obwohl er 1990 sogar mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet wurde. Nichtsdestotrotz verstarb mit ihm einer der modernen fantastischen Meister fernab der Bestsellerlisten, dessen sympathische Art und dessen Tiefsinnigkeit, Beobachtungsgabe und Stil vermisst werden.

Bild: rsfblog.canalblog.com

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