20. Dezember 2021 1 Likes

Ein Dämon kommt selten allein

Die Dämonen-Reihe von Robert Asprin als Neuausgabe bei Blanvalet

Lesezeit: 7 min.

Die Dämonen-Reihe von US-Autor Robert Asprin hat einen besonderen Platz in meinem Herzen. Neben J. R. R. Tolkiens Mittelerde-Werken und Terry Pratchetts Scheibenwelt-Zyklus war sie die erste Buchserie, die ich bewusst, begeistert und begierig sammelte – zu einer Zeit, da viele Bände auf Deutsch nur antiquarisch zu kriegen waren, während ich als Teenager Ende der 1990er, Anfang der 2000er noch nicht in meinem persönlichen Internetzeitalter angekommen war (ein paar Jahre später pflegte ich dafür eine E-Mail-Freundschaft mit Bob, was mir als Fan mit eigenen Schreibambitionen viel bedeutet hat). Natürlich hatte die analoge Jagd auf die schmalen Bastei-Büchlein ihren eigenen Reiz (bei einem Antiquar hier im Dorf tauschte ich sogar uralte Telefonbücher aus der Kommode meiner Oma gegen gut erhaltene Second-Hand-Asprins, die er vermutlich übers Netz beschaffte). Zwischendurch gab es mal Sammelbände der Dämonen-Reihe, doch das ist auch schon wieder eine Weile her. Jetzt startet bei Blanvalet mit dem ersten Roman Ein Dämon zu viel eine Neuausgabe dieser Lieblingsserie. Ein willkommener Anlass, sich mal wieder mit den alten Freunden aus diversen Dimensionen und mehr als zwei Genres zu treffen und ein 2005 entstandenes Interview mit ihrem Schöpfer hervorzukramen, der leider nicht mehr unter uns weilt.

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Robert Asprin. Foto: Jody Lynn Nye

Robert Lynn Asprin (im Shop) wurde 1946 in St. Johns, Michigan geboren. Seine Kindheit verbrachte der Sohn philippinisch-irischen Einwanderer in Ann Arbor. Nach seiner Zeit an der Universität Michigan, in der Army und als Buchhalter debütierte er 1975 als Genre-Autor. Am Anfang veröffentlichte er erst einmal Science-Fiction, darunter „Der Weltkrieg-Konzern“, „Tambu“ und „Die Käferkriege“. Seine berühmte Dämonen-Reihe zwischen klassischer Fantasy und pfiffiger Science-Fantasy erschien ab 1978. Früh adaptierte Künstler Phil Foglio die Bücher als Comics. Ende der 1970er, Anfang der 1980er machte sich Mr. Asprin indes als Herausgeber der Shared-World-Anthologie-Reihe Geschichten aus der Diebeswelt einen Namen. Er war zudem ein Veteran der Con-Szene, Mitbegründer der Reenactment-Truppe namens Dunkle Horde und innerhalb der Gesellschaft für kreativen Anachronismus als Yang der Widerliche bekannt. Später arbeitete er häufig mit Co-Autoren und Co-Autorinnen zusammen, etwa mit Linda Evans an der Time Scout-Zeitreise-Serie oder mit Peter J. Heck an den lustigen SF-Büchern um die Phule’s Company. Robert Asprin starb 2008 im Alter von 61 Jahren auf der Couch an einem Herzinfarkt in seiner Wohnung im French Quarter von New Orleans, einen Fantasy-Roman auf der Brust.

Mit seiner Dämonen-Reihe leistete Bob einen wichtigen Beitrag zur Etablierung der Funny Fantasy. Denn als 1978 der erste Band erschien, gab es noch nicht viel witzige Fantasy auf dem Markt – eigentlich hatte nur Piers Anthony mit seiner Xanth-Reihe Erfolg, Douglas Adams startete Per Anhalter durch die Galaxie parallel im britischen Radio, und Terry Pratchetts Scheibenwelt-Serie sollte sich erst ab 1983 ins Bild schieben.

Bob erinnerte sich 2005 in unserem Interview an diese Zeit: „Als ich damals zu schreiben begonnen habe und mich erstmals mit der Dämonen-Reihe beschäftigte, war kein Verleger so richtig an humorvoller Fantasy interessiert. Die bis dahin einzige Möglichkeit, die Romane zu veröffentlichen, ergab sich erst durch einen alten Freund von mir, Frank Kelly Freas, der von dem kleinen Verlag Donning angeheuert wurde, um dort eine neue Reihe mit dem Namen Starblaze zu starten. Er rief mich eines Tages an und fragte, ob ich nicht irgendetwas unverkauft herumliegen hätte. Da mein Agent mir ständig gesagt hat, dass die Idee zur Dämonen-Reihe nicht zu verkaufen war, schickte ich Frank schließlich den Vorschlag. Als der Band dann herauskam, machte er sich in der gebundenen, großformatigen Erstauflage recht ordentlich, und auch die später erscheinende Taschenbuchausgabe verkaufte sich ziemlich gut; doch die Verleger waren immer noch nicht an der Reihe interessiert – bis ich Erfolg mit der Diebeswelt hatte. Erst dann waren sie bereit, dem ganzen eine Chance zu geben, wie sie es ausdrückten.“ Deshalb ärgerte es Bob noch Jahre später ein wenig, wenn man ihn als Commercial Writer sah. „Das ist jemand, der auf fahrende Züge bzw. existierende Trends aufspringt und nur kassiert“, grollte er.

 

Diebe und Dämonen

Er war sowohl mit der Dämonenreihe als auch der Diebeswelt ein Pionier. Die 14 Bände umfassende Serie um die Thieve’s World alias Geschichten aus der Diebeswelt brachte er ab 1979 – teils zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Lynn Abbey – heraus. Die Anthologien behandelten die Fantasy-Stadt Freistatt, wobei neben Asprin und Abbey z. B. Poul Anderson (im Shop), Andrew Offutt, C. J. Cherryh (im Shop), John Brunner (im Shop), Diane Duane (im Shop), Janet Morris und andere die mal mehr, mal weniger stark verzahnten, immer sehr stimmungsvollen Sword-and-Sorcery-Kurzgeschichten lieferten – und das fast zehn Jahre vor George R. R. Martins Wild Cards-Shared-World-Serie (im Shop). Asprin, Abbey und der spätere Ausnahmezeichner Tim Sale fertigten obendrein Comics über Freistatt und die Diebeswelt an.

Aber zurück zur Dämonen-Reihe. Für den Sound und die Mechanik der Serie hatte Bob prominente multimediale Vorbilder, wie er verriet: „Ich war schon immer ein großer Fan von Conan, doch da es schon hinreichend Nachahmer der Geschichten von Robert E. Howard gab, entschied ich mich dazu, eine humorvolle Parodie zu versuchen. Eine Parodie der heroischen Fantasy, erzählt aus dem Blickwinkel eines Zauberers – und nicht aus dem eines schwertschwingenden Barbaren. Außerdem war ich immer ein Freund der Bob Hope/Bing Crosby-Roadmovies. Als ich diese Vorliebe dann mit meiner Vorstellung burlesker heroischer Fantasy verschmelzen ließ, kamen am Ende die Bücher der Dämonen-Reihe heraus.“

Deren erster Roman Ein Dämon zu viel (im Shop) erzählt, wie der junge Zauberlehrling Skeeve einen humanoiden grünhäutigen Dämon trifft – gerade als sein eigentlicher Meister von Attentätern umgebracht wird. Dämon bezeichnet in zurückgebliebenen, mittelalterlich anmutenden Welten wie der von Skeeve aber schlicht Dimensionsreisende (im englischsprachigen Original spielen die Titel der Romane übrigens alle mit dem Wort Myth statt Dämon). Bei Skeeves Dämon handelt es sich um Aahz, einen ziemlichen Arsch, wie der Name schon suggeriert, und von Geburt an abgebrühten Perversen – pardon – Perfekten aus der fortschrittlicheren Dimension Perv. Aahz und Skeeve, seiner Magie beraubter Mentor und wenig magischer Adept, ziehen fortan zusammen durch die Königreiche und Dimensionen, stolpern in Schlamassel und nehmen gierig Questen und Aufträge an. Ihre Truppe wächst schnell, etwa um den süßen Babydrachen Gliep, Kampfeinhorn Butterblume oder Troll-Traumfrau Tananda. Später vervollständigen die schlaue Mobster-Mieze Bunny, die Mafia-Schläger Guido und Nunzio und andere Skeeves Crew, die als interdimensionale Problemlöser von der Chaos GmbH bekannt werden.

 

Humor in Übersetzung

Zur deutschsprachigen Übersetzung seiner Bücher hatte Bob immer ein besonderes Verhältnis. „Die deutschen Ausgaben waren meine ersten ausländischen Übersetzungen“, erinnerte er sich 2005. „Humor in eine andere Sprache zu übersetzen ist nicht einfach, und ich beneide niemanden darum, der es tun muss. Genau genommen habe ich sogar einen Heidenrespekt vor diesen Menschen; deshalb habe ich auch einen meiner Dämonen-Reihe-Romane, Ein Dämon dreht durch, einst Bastei Lübbe und den Übersetzern dort gewidmet.“

Für die Neuausgabe bei Blanvalet nutzt man eine leicht bearbeitete Übersetzung, und gleich im ersten Band scheint man mit ein paar Anpassungen und Verstärkungen ein Missgeschick korrigieren wollen, das Bob immer beschäftigt hat: „Normalerweise habe ich kein Interesse daran, eine meiner früheren Arbeiten nochmals zu überarbeiten oder umzuändern.“ Doch es gab etwas an Ein Dämon zu viel, das er immer bereute. „Ich habe den Roman in einem seriösen, ja, fast schon ernsten Ton begonnen, und erst im zweiten Kapitel die humorvollen und possenhaften Elemente eingebracht. Rückblickend betrachtet bedeutet das, dass jemand das Buch in die Hand nehmen, die ersten Seiten durchblättern und es wieder zurücklegen könnte, ohne verstanden zu haben, dass es ein humorvolles Buch ist. Schlechtes Marketing. Glücklicherweise gibt es den Klappentext und das Titelbild, die es hinkriegen, die humorvolle Message zu übermitteln. Aber für das erste Buch in der Serie war es nicht gerade die weiseste Vorgehensweise.“

 

Lesen, Hören und Lachen

Es hat Leserinnen und Leser allerdings nicht davon abgehalten, den Auftaktband zu mögen und viele Sequels zu verschlingen. Die Dämonen-Reihe ist, bei allem Fantum und aller Liebe, sicherlich keine hohe Literatur – das könnte man nicht einmal als glühendster Anhänger behaupten. Doch darauf kommt es gar nicht an. Denn dafür haben viele Abenteuer von Skeeve und der Gang diesen wahnsinnig hohen Sympathie-, Wohlfühl- und Fun-Faktor. Die auf simple Weise charmanten und packenden, satirisch-witzigen Romane sind ungeheuer unterhaltsam, ihre liebenswerten Figuren wachsen einem schnell ans Herz. Noch heute gefällt außerdem die Mischung der Genre-Persiflage, die klassische Fantasy mit SF-Elementen (wie einem Hightech-Stab zum Dimensions-Hüpfen, sollte man keine Magik beherrschen) und anachronistischen Aspekten unserer Moderne kombiniert. Im Mixen von Fantasy und Science-Fiction war Bob genauso stark wie im Beschreiben sozialer Strukturen und ökonomischer Motivationen, dem Seifenoper-Faktor und den Charakterentwicklungen.

Bei Blanvalet sind für 2022 bereits die Folgebände „Als Dämon kriegst du nie genug“ (März, im Shop), „Ein Dämon auf Abwegen“ (Juni, im Shop) und „Ein Dämon kommt selten allein“ (September, im Shop) angekündigt. Sollte es so fix weiterlaufen, gäbe es diesmal immerhin keine lange Wartehölle zwischen den angenehm schmalen Bänden. Nach zehn Romanen lag die Serie ab 1993 nämlich lange auf Eis – Bob hatte eine massive Schreibblockade, an der Probleme mit der Steuerbehörde nicht ganz unschuldig gewesen sein sollen. Trotz eines fiesen Cliffhangers am Ende von „Ein Dämon wollte Hochzeit machen“ ging es erst in den frühen 2000ern mit neuen Myth/Dämonen-Romanen weiter, nun mit Co-Autorin Jody Lynn Nye, die nach Bobs Tod noch eine Zeitlang alleine weitermachte. Am Ende wurden es 22 Romane und eine Storysammlung, nicht alle kamen auf Deutsch. Es wäre großartig, würden nun alle Bücher wieder verfügbar sein und eine Handvoll Erstveröffentlichungen hinzukommen. Darüber hinaus gibt es dank der Neuausgabe erstmals E-Books und eine Vertonung als Hörbuch-Download (im Shop).

Mehr als genug Gründe und Gelegenheiten, damit Skeeve, Aahz, Tanda, Gliep und Co. mit ihren Eskapaden zwischen Fantasy, Science-Fiction und allen aberwitzigen Dimensionen eine neue Generation Fantastik-Fans erobern.

Robert Asprin: Ein Dämon zu viel (Die Dämonen-Reihe Bd. 1) • Roman • Blanvalet, München 2021 • 224 Seiten • Erhältlich als Taschenbuch, Hörbuch-Download und E-Book • Preis des E-Books: € 8,99 • im Shop

[bookpreview] 978-3-641-26892-3

 

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