25. Februar 2017 2 Likes

Große Gürtler

„The Expanse“ nimmt es auch in Sachen Biologie mit der Wissenschaft etwas genauer als viele anderen Serien

Lesezeit: 4 min.

The Expanse hat spätestens seit dem TV-Serienstart letztes Jahr (hierzulande auf Netflix) unsere Geek-Herzen im Sturm erobert – und das mit gutem Grund: die actiongeladene Space-Opera, die auf den nicht minder spannenden Romanen von James Corey (im Shop) basiert, zeigt uns eine Zukunft, die verdammt echt aussieht (und klingt). Das liegt vor allen an den vielen, vielen Details, von nicht-aerodynamischen Schiffen bis hin zum U-Bahn-System auf Ceres, die das Expanse-Universum so aussehen lassen, als könnte es schon übermorgen Wirklichkeit sein. Dabei haben sich die beiden Autoren Daniel Abraham und Ty Franck, die zusammen unter dem Pseudonym James Corey nicht nur für die Romane, sondern auch für die TV-Serie zuständig sind, natürlich einige kreative Freiheiten genommen – aber dabei trotzdem die Wissenschaft nicht aus dem Blick verloren. Für die Serienadaption hat man zudem Naren Shankar (Star Trek: Deep Space Nine, Star Trek: Voyager) als wissenschaftlichen Berater mit an Bord geholt, der einen Doktor in Elektrotechnik und angewandter Physik von der Cornell University hat.

Eines dieser faszinierenden Details im Expanse-Kosmos ist die Physiologie der Menschen, die in geringer Schwerkraft geboren wurden und aufgewachsen sind: den Beltern. Die Körper der Gürtel-Siedler haben sich gravierend verändert, sodass sie ans Leben unter geringer Schwerkraft angepasst sind. Die jüngste Generation unterscheidet sich deutlich von den Bewohnern der Erde: sie sind größer und sehr dünn, weil sie weniger Muskelmasse brauchen als ihre Verwandten auf Erde und Mars. Große, dürre Bohnenstangen aus dem All sind keine neue Idee: Wissenschaftler wie SF-Autoren spekulieren seit Jahren, dass weniger Schwerkraft gleich größere Menschen sein könnte. Einiges deutet darauf hin, dass diese Theorie stimmen könnte. Der US-Astronaut Scott Kelly war bei seiner Rückkehr nach einem Jahr auf der ISS fast fünf Zentimeter größer als beim Start. In der Schwerelosigkeit dehnte sich sein Rückgrat – ein Effekt, der in Kellys Fall nicht von Dauer ist, für Menschen, die in zweiter oder dritter Generation unter niedriger Schwerkraft leben, aber wahrscheinlich schon.

Mit der Darstellung eines ganzen Volkes riesiger, dürrer Menschen tun sich die Romane natürlich leichter. Für die RV-Serie musste man sich einiges einfallen lassen. Auf Spezialeffekte wollte man dabei verzichten, und nur Menschen mit einer Körpergröße von über zwei Metern zu casten, kam auch nicht infrage. Deswegen entschied man sich dafür, den Beltern andere Attribute mitzugeben, die ihre „Stammeszugehörigkeit“ unterstreichen, von Frisuren über Tattoos und natürlich die Sprache. Insofern ist die Serie hier den Romanen so treu wie möglich geblieben.

Ein zweiter biologischer Effekt des Lebens in geringer Schwerkraft ist die geringere Knochendichte der Belter. Darauf wird schon in der allerersten Folge der Serie, „Dulcinea“, hingewiesen: die Gürtelbewohner leiden in der Erdschwerkraft. Sie können sich kaum bewegen, und das Atmen fällt ihnen schwer, weil sie ihren Brustkorb nicht weit genug ausdehnen können. Auch das unterscheidet sich nicht von dem, was Astronauten, die längere Zeit im All verbringen, tatsächlich erleben. Deswegen müssen sie an Bord der ISS im Schnitt zwei Stunden am Tag trainieren, damit Muskeln, Knochen und Kreislauf nicht zu stark abbauen.

Worüber wir hingegen noch sehr wenig wissen, sind die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf unser Immunsystem. Vor allem die hochenergetische Strahlung, von der wir auf der Erde durch unsere Atmosphäre geschützt werden, die uns im All jedoch sehr viel stärker beeinflusst dürfte, lässt vermuten, dass dieser Teil unserer Körperfunktionen Schwierigkeiten bereiten dürfte. An Mäusen durchgeführte Studien weisen jedenfalls darauf hin, dass Röntgen und Gamma-Strahlung dem Immunsystem auf Dauer schaden. Shankar hat angekündigt, dass wird darüber in der zweiten Staffel mehr erfahren werden, wenn wir Ganymed Station besuchen.

Strahlung ist aber nur eine der Gefahrenquellen für die Belter. Das Leben im All wirkt sich auf alles aus, von unseren Gehirnen bis hin zum genetischen Code. Das zeigen eine Reihe Studien, die auf der ISS durchgeführt werden. In einer davon haben Wissenschaftler an der University of Michigan unlängst herausgefunden, dass das Leben in der Schwerelosigkeit das Volumen der Grauen Substanz unseres Zentralen Nervensystems verändert: in einigen Bereichen wird sie mehr, in anderen hingegen weniger. Die Graue Substanz ist für eine Reihe von Schlüsselfunktionen zuständig, zum Beispiel für Muskelkontrolle und Erinnerung. Mögliche Langzeit-Auswirkungen dieser Veränderungen auf unsere kognitiven Funktionen sind noch unklar, aber wenn schon verhältnismäßig kurze Aufenthalte im Weltraum sich so sehr auf unsere Gehirne auswirken, sind drastischere Veränderungen in der Struktur des Zentralen Nervensystems bei Menschen, die im All aufwachsen, sehr wahrscheinlich.

Ein anderes Ergebnis von Kellys einjährigem Aufenthalt im All, mit dem so niemand gerechnet hatte, war eine Veränderung seiner Telomere, also der Enden der Chromosomen. Diese Endstücke werden mit dem biologischen Alterungsprozess in Zusammenhang gebracht. Bei Scott Kelly haben sie sich nach einem Jahr im All verlängert. Was das genau bedeutet, weiß (noch) niemand – wie bei vielen anderen Befunden bei Astronauten müssen wir vermutlich abwarten, was die Zeit bringt. Wir stehen mit unserem Wissen um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den menschlichen Körper gerade erst am Anfang. Deswegen schließt Shankar auch nicht aus, dass neuere Forschungsergebnisse Eingang in die TV-Serie finden könnten.

Mehr Infos zur TV-Serie finden Sie unter www.syfy.com/theexpanse. Die Expanse-Romane finden Sie in unserem Shop

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