25. Februar 2023 1 Likes

Pat Cadigan/William Gibson: „Alien 3“

„Alien 3“ neu erleben!

Lesezeit: 3 min.

Dass es bei der Herstellung von Kinofilmen hinter den Kulissen häufig heftig kracht, ist bekannt, aber die Produktionshölle der 1992 veröffentlichten zweiten Fortsetzung zu Ridley Scotts Klassiker „Alien“ (1979) hat ein faszinierendes Eigenleben entwickelt. Das lag nicht nur, aber vor allem daran, dass sich ganze 10 (!) Autoren am Drehbuch versuchen durften. Der erste war Science-Fiction-Legende William Gibson („Neuromancer“), der schon bald nach dem Start von James Camerons Fortsetzung „Aliens“ (1986) einen ersten Entwurf für einen weiteren Film vorlegte, der aber, genauso wie eine zweite Version, vom Studio abgelehnt wurde. Das lag vor allem daran, dass Gibson die von Sigourney Weaver so grandios verkörperte, ikonische Protagonistin Ellen Ripley zu einer Nebenfigur machte und dafür Corporal Dwayne Hicks ins Rampenlicht holte. Weiterhin durften sich unter anderem Eric Red (Regisseur und Autor des Psychothriller-Evergreens „Hitcher, der Highway Killer“, 1986), David Twohy (kreierte ab 2000 mit „Pitch Black“ eine eigene Sci-Fi-Franchise) und Vincent Ward („Der Navigator - Eine bizarre Reise durch Zeit und Raum“, 1988) ausprobieren.

Lange Rede, kurzer Sinn: Heraus kam ein höchst durchwachsener Film, den niemand so richtig mochte, am allerwenigsten der heutige Star-Regisseur David Fincher, der mit noch weiteren Problemen wie Zensur zu kämpfen hatte und „Alien 3“ deswegen bis heute abgrundtief hasst. Fincher verweigerte sogar die Erstellung eines Director’s Cut, worauf das Studio 20th Century Fox 2003 einen so genannten „Assembly Cut“ mit einer 30 Minuten längeren Laufzeit veröffentlichte, der auf den Notizen von Fincher basiert und Kritiker wie Publikum einigermaßen wieder versöhnte, aber halt nicht so ganz hundertprozentig zufriedenstellte. Doch damit war das Thema „Alien 3“ längst noch nicht abgehakt, denn Fans bauten sich selbst ihre Wunschfassungen zusammen, kombinierten zum Beispiel Finchers Arbeitsfassung, die geleaked wurde, mit dem Assembly Cut (es kursieren mindestens vier von Fans erstellte Alternativfassungen). Und auch einige der Drehbuchversionen gelangten an die Öffentlichkeit, wodurch vor allem Gibsons und Wards Varianten unheimlich viel Zuspruch bekamen. Das führte dazu, dass vom US-Verlag Dark Horse Comics zwischen November 2018 und März 2019 eine Comic-Adaption von Gibsons zweitem Drehbuch publiziert wurde (in Deutschland bisher noch nicht herausgekommen).


Pat Cadigan. Foto © C. Lawrie

Nun liegt die von Pat Cadigan (zum Interview!) geschriebene Romanfassung von Gibsons erstem Drehbuch vor – Alien 3 – Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson; im Shop – und man muss schon sagen: Das ist eine ausgesprochen faszinierende Angelegenheit, denn Gibsons Geschichte hat mit dem allseits bekannten Film (egal welche Fassung) nur wenig zu tun. In Finchers Film befinden sich Ripley, Newt, Hicks und Bishop nach ihrer Flucht vom Mond LV 426 auf dem Weg zur Erde, als an Bord ihres Raumschiffs USS Sulaco ein Feuer ausbricht, weswegen sie mit einer Rettungskapsel auf dem Planeten Fiorina notlanden und dort in einer Strafkolonie für Schwerbrecher landen, allerdings eines der mordlüsternen Aliens einschleppen. Besonders sauer stieß dem Publikum auf, dass Newt, Hicks und Bishop gleich zu Anfang umkommen, was in Gibsons Version nicht der Fall ist. Hier werden die sich im Kälteschlaf befindlichen Helden von der Weltraum-Station Anchorpoint aufgelesen – doch im Raumschiff des Quartetts befindet sich ein blinder Passagier, wie die Colonial Marines bei dessen Erkundung feststellen müssen: ein Alien. Während der brutalen Konfrontation mit dem mordlüsternen Wesen wird Ripleys Cyrokammer schwer beschädigt und sie fällt in ein Koma. Hicks jedoch überlebt – muss aber kurze Zeit später erfahren, dass der Weyland-Yutani-Konzern mit den unheimlichen Killern auf Anchorpoint dubiose Experimente durchführen will …

Obwohl Ripley wie erwähnt an den Rand gedrängt wird, ist es kein Wunder, dass sich Gibsons Entwurf mittlerweile zu einem Fan-Liebling gemausert hat. Denn abgesehen vom Austausch der Hauptfiguren liegt seine Version in ihrem recht actionlastigen Stil nahe an Camerons „Aliens“, was durch Cadigans ballastfreien und flotten Erzählstil gut herausgearbeitet und mit einer Prise sarkastischen Humor noch verfeinert wird. Gerade wenn man Finchers Film nicht mag, sollte man sich das Buch holen, man entdeckt „Alien 3“ wirklich komplett neu, aber auch wer den Film mag, sollte zugreifen, denn das ist schon eine verdammt unterhaltsame Alternative.

Pat Cadigan: Alien 3 • Roman • Aus dem Englischen von Kristof Kurz, Stefanie Adam • Wilhelm Heyne Verlag, München 2023 • 448 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 17,00 • im Shop

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