Von der Erde ins All und wieder zurück

Wenn sich das Jahr zu Ende neigt, sind Rückblicke nicht weit. Manche Titel gehen dabei leicht unter ‒ und es wäre viel zu schade, sie nicht zu empfehlen. Es folgen ein Buch-, ein Comic- und ein Hörbuchtipp für lange Winterabende.

Der Weg in den Weltraum

Hand aufs Herz: Wer hat als Kind nicht davon geträumt, einmal zu den Sternen zu fliegen? Den wenigsten von uns ist es vergönnt. Umso mehr faszinieren uns alle, die es geschafft haben. Während aus Deutschland zuletzt Matthias Maurer diese Reise antreten konnte, hat Samantha Cristoforetti sie bereits zwei Mal unternommen. Die gebürtige Mailänderin sticht aus mehreren Gründen aus dem europäischen Raumfahrtcorps heraus: Sie war die erste Italienerin im All, hält den Rekord für den längsten ununterbrochenen Raumflug einer europäischen Frau und wurde dieses Jahr zu Europas erster Kommandantin an Bord der ISS ernannt. Acht Jahre zuvor flog die ehemalige Kampfpilotin zum ersten Mal ins All. Von ihrer Ausbildung damals, den Flugvorbereitungen, dem Einsatz und dem Rückflug erzählt sie in „Die lange Reise. Tagebuch einer Astronautin“ (im Shop). In ihrem Buch rekapituliert sie die wichtigsten Ereignisse sowie die damit verbundenen Herausforderungen. Dabei lässt sie ihre Leser:innen teilhaben an den großen und kleinen Freuden, an ihren Ängsten und Gedanken. Selbst zum Schmunzeln gibt es etwas: Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass sich die russische Übersetzung von „Harry Potter und der Stein der Weisen“ dafür eignen kann, die eingerosteten Sprachkenntnisse aufzupolieren? Samantha Cristoforettis „Die lange Reise“ ist ein faszinierender, unterhaltsamer und informativer Bericht über die Ausbildung und die Arbeit von Astronaut:innen. Er bietet aber auch einen persönlichen Einblick in das Leben der Italienerin, ihrem Wunsch ins All zu reisen ‒ und wie es sich anfühlt, wenn der Traum endlich in Erfüllung geht. Lesenswert.

Samantha Cristoforetti : Die lange Reise.Tagebuch einer Astronautin • Aus dem Italienischen von Christine Ammann und Walter Kögler • Penguin Verlag, München, 2022 • 496 Seiten • 12,00 € • im Shop • Auch als Hardcover erhältlich (im Shop).

Unter Mörderinnen

Fans epischer Science Fiction, aufgepasst: Da draußen gibt es eine kleine, feine Comicserie für Liebhaber:innen bunter Bildergeschichten. „Decorum“ ist Unterhaltung auf hohem Niveau. Texter Jonathan Hickman („House of X“, „Power of X“, Marvel) und Zeichner Mike Huddleston („Harley Quinn“, „Batgirl“, DC Comics) entführen ihre Leser:innen in eine ferne Zukunft in einer noch weiter entfernten Galaxie. Hier hält sich die junge Neha Nori Sood als Kurierin über Wasser. Ihr größter Wunsch: Genug Geld zu verdienen, um ihre im Kyroschlaf liegende Familie von einer tödlichen Seuche heilen zu können. Ihren neuesten Auftrag kann sie daher nicht ablehnen. Und so landet sie mitten in einem Disput zwischen der Assassinin Imogen Smith-Morley und einer Bande grobschlächtiger Typen ‒ letztere ohne Chance gegen die Attentäterin. Imogen nimmt Neha danach unter ihre Fittiche und bringt sie zur Schwesternschaft der Menschen, einem Ausbildungszentrum und Hauptquartier für die gut organisierten, manierlichen Meuchelmörderinnen. Neha ist die ganze Sache zwar nicht geheuer, sie nimmt die Herausforderung aber an. Doch die größte wartet noch auf die Schülerin und ihre Mentorin, als die Kirche der Singularität ‒ eine künstliche Intelligenz ‒ der Schwesternschaft ein Angebot macht, das sie nicht ausschlagen kann. „Decorum“ ist eine Wucht. Hickman hat sich ein komplexes Universum erdacht, das er den Leser:innen mithilfe vieler minimalistischer Schaubilder am Anfang jedes Kapitels stückweise näher bringt. Viel beeindruckender ist aber die bunte Schar an Assasininnen, die Mike Huddleston genauso fantastisch in Szene setzt wie Architektur und Landschaften. Dabei legt er sich nicht auf einen Stil fest: Malerische Panels wechseln sich mit skizzenhaften ab, Rasterfolien kommen hier genauso zum Einsatz wie einfarbige Hintergründe. Ein echter Hingucker.

Jonathan Hickman, Mike Huddleston: Decorum • Aus dem Englischen von Christian Heiss • Cross Cult, Ludwigsburg, 2022 • 408 Seiten • 48,00 €

Auf der Jagd

Keine Lust zu lesen? Wie wäre es mit etwas für die Ohren? Und das auch noch von einem preisgekrönten Duo? Nichts leichter als das! Die Hugo-Award-Preisträger:innen Brandon Sanderson („Die Sturmlich-Chroniken“, Heyne, im Shop) und Mary Robinette Kowal („Die Berechnung der Sterne“, Piper) haben sich für eine Geschichte zusammengetan, die exklusiv als Hörbuch erschienen ist: „Das Original“ (im Shop). Darin porträtieren die beiden eine Gesellschaft in der nahen Zukunft, in der dank Nanotechnologie vieles möglich geworden ist. So halten etwa kleine Bots im Körper diesen jung und am Leben. Viel besser noch: Wer stirbt lässt sich einfach klonen und lebt mit den Erinnerungen seines früheren Ichs weiter. Natürlich hat das alles auch seinen Preis ‒ und den muss Ich-Erzählerin Holly Winseed nun bezahlen. Die Heldin wider Willen ist kein Klon, sondern ein provisorisches Replikat, dessen DNA zum Töten umprogrammiert wurde. Als solches ist sie die letzte Möglichkeit der Regierung, Hollys Original zu finden. Denn sie soll ihren Ehemann Jonathan ermordet haben. Aber stimmt das, oder steckt mehr dahinter? Es ist an dem Replikat, das Original zu suchen und zu töten. Schafft sie es nicht binnen vier Tagen, verweigern die Bots in ihrem Körper den Dienst und sie stirbt. Für Holly beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um die Wahrheit hinter dem Verbrechen herausfinden. „Das Original“ ist ein fesselnder Science-Fiction-Thriller, der nicht nur Fans von Geschichten wie „Mickey 7. Der letzte Klon“ (im Shop) begeistern dürfte. Ein Grund dafür: Die bravouröse Sprecherin Yesim Meisheit, die Holly eine starke Stimme gibt. Perfektes Kopfkino.

Brandon Sanderson, Mary Robinette Kowal: Das Original • Ungekürzte Lesung mit Yesim Meisheit • Aus dem Englischen von Michael Siefener • Random House Audio, München, 2022 • 3h 46min Laufzeit • 7,95 € • Hörbuch Download • im Shop