11. Juni 2023

„How to Blow Up a Pipeline“ – Kein Klebstoff, dafür Bombe

Packendes, anarchistisch-subversives Statement für den Öko-Terrorismus

Lesezeit: 4 min.

Ein Film wie ein Donnerhall, aber ebenso ein Film, der wohl nur in ganz, ganz wenigen Kinos laufen wird, denn zu sehr wird hier mit großer anarchistisch-subversiver Lust am zumindest hierzulande herrschenden Konsens gekratzt, dass der Klimaschutz zwar eine unbedingt notwendige Sache ist, aber der zivile Ungehorsam von Aktivistengruppe wie „Letzte Generation“, laut Alexander Dobrindt von der CSU eine „Klima-RAF“, abzulehnen sei.

How to Blow Up A Pipeline“ von Daniel Goldhaber stellt tatsächlich eine Art „Klima-RAF“ in den Mittelpunkt, eine Gruppe von Umweltaktivisten, die zwar keine Menschen tötet, denen aber Klebstoff deutlich zu lahm ist. Und so plant die – die dank absolut hervorragender Besetzung – ausnahmslos sympathische, charismatische Gruppe einen Anschlag auf eine Ölpipeline mit dem Ziel, die Märkte in Panik zu versetzen und einen gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen.

Goldhabers Film basiert auf dem 2020 erschienenen, gleichnamigen Buch des schwedischen Humanökologen Andreas Malm, der sich darin wundert, wieso die Klimaschutzbewegungen immer noch so harmlos sind und sich für „kontrollierte politische Gewalt“ aussprach. Die Veröffentlichung wurde breit diskutiert und bekam im Juni 2022 durch einen Scherz von Luisa Neubauer dank der stets zuverlässigen Erregungsdynamik der sozialen Netze noch mal einen ordentlichen PR-Schub. Um die Verfilmung wurde sich dennoch nicht gerade gerissen: Nachdem Regisseur Goldhabers Agentur auf Schweigen im Walde stieß, warfen er und Co-Autorin und Darstellerin Ariela Barer ihre Ersparnisse in einen Topf, flogen nach Cannes, kassierten Absagen von Netflix, Apple und dem Sundance Film Festival, fanden dann aber schlussendlich dann doch Produzenten, denen der Stoff nicht zu heikel war, die eine Low-Budget-Produktion ermöglichten.

Natürlich konnte Malms Streitschrift in dieser Form nicht verfilmt werden, weswegen der terroristische Akt im Mittelpunkt steht, unterbrochen von kleinen Rückblenden, die die unterschiedlichen Motive der jungen Menschen nachvollziehbar machen. Da ist Theo, die an Leukämie leidet, vermutlich ausgelöst durch die Abgase einer Öl-Raffinerie, in deren Nähe sie aufwuchs. Da ist Xochitl, die ihre Mutter durch eine brutale Hitzewelle verloren hat, als deren Ursache die junge Frau ganz klar die Klimakrise sieht. Dwayne, ein kerniger Texaner, der eine Waffe trägt und Tabak kaut, hat eine Mordswut im Bauch, er wurde enteignet, um Platz für den Bau einer Pipeline zu schaffen, Michael wiederum fühlt sich grundsätzlich von der weißen Mehrheitsgesellschaft unterdrückt, das Punk-Pärchen Rowan und Logan entgegen verfolgt eine ganz eigene Agenda, die zu einem überraschende Ende führen wird. Sie alle treffen sich in einer abgelegenen Hütte um nach einer Anleitung, die offenbar im Internet gefunden wurden, Bomben zu bauen.

Goldhabers Film orientiert sich an dem klassischen Strickmuster eines „Heist“-Films, im Prinzip hat man es mit einer Öko-Oceans-11 zu tun, allerdings ohne deren coole Eleganz, es geht eine Menge schief, und mit viel mehr Wut und grimmiger Entschlossenheit. Der auf 16 mm gedrehte und mit einem sensationellen Synthesizer-Soundtrack ausgerüstete Film, dessen dokumentarisch anmutende Bilder fast wie ausgewaschen wirken, begegnet, auch wenn die Filmemacher betonen, dass es sich um keine Propaganda handelt, seinen Protagonisten mit unverhohlener Sympathie, ohne sie allerdings so wirklich zu idealisieren, weshalb am Rande der Einfluss von Religion und ein gewisser Hang zur Überheblichkeit im Aktivismus thematisiert wird. Das eigentlich aufrührerische, irritierende aber ist, dass „How To Blow Up A Pipeline“ die Gewaltfrage nicht, wie andere Filme, in den Mittelpunkt stellt, sondern sie sich zu eigen macht, Aspekte wie Verhältnismäßigkeit oder Auswirkungen (die durch die Erschütterung der Märkte ansteigenden Preise treffen natürlich in erster Linie die normale Bevölkerung und nicht diejenigen, die eigentlich abgestraft werden wollten) eher unbeachtet lässt und gleichzeitig eine gewisse Faszination für ein Leben am Abgrund aufkommen lässt.

Der Film ist durchdrungen von einer ungestümen Kraft, der man sich kaum entziehen kann. Radikales Kino, das wie aus den 1960/1970ern gepurzelt wirkt und in den USA so ernst wie schon lange kein Film mehr genommen wurde: Da man befürchtete, dass der Öko-Thriller zur Radikalisierung von Klimaaktivisten beitragen könnte, wurden zum Kinostart von 23 Bundes- und Landesbehören 35 Warnungen herausgegeben, genauso äußerten das FBI und die Energieregulierungsbehörde von Alberta ihre Bedenken an. Hier wurde einem fiktiven Werk wohl etwas zuviel Wirkmacht im realen Leben zugeschrieben, passiert ist bisher nichts, was aber nicht ist, kann jederzeit kommen.

So ungemein einnehmend wie „How To Blow Up A Pipeline“ ist, dürfte sich der ein oder andere Zuschauer, und sei er noch so pazifistisch, eventuell mit aktuellen Bildern aus New York im Hinterkopf, wohl bei dem Gedanken ertappen, dass eine Bombe vielleicht doch ein Klacks ist, im Vergleich mit dem, was uns noch erwartet und täglich näher rückt.

How to Blow Up a Pipeline (USA 2022) • Regie: Daniel Goldhaber • Darsteller: Ariela Barer, Kristine Froseth, Forrest Goodluck, Sasha Lane, Jayme Lawson, Marcus Sribner, Jake Weary • im guten alten Kino

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