Puppengore, Virenterror und ein Zombie in der Grube
Science-Fiction auf dem 9. Hard:Line International Film Festival
Auch dieses Jahr war Regensburg Anlaufpunkt für Liebhaber von besonderen Filmen, denn das Hard:Line-Festival eröffnete zum neunten Mal die Pforten. Etwas ungeschickt war, dass man dem Fantasy Filmfest terminlich erneut eng auf die Pelle rückte beziehungsweise mit dessen Terminen zu den „Nights“ teilweise überlappte. Zuschauer, die Interesse an beidem hatten, standen teilweise vor einem Problem. Wobei im Zweifelsfall die Entscheidung klar für die Hard:Line fallen sollte, denn die Atmosphäre ist deutlich gemütlicher, es gibt Gäste und ein kleines Rahmenprogramm und die Filmauswahl ist alles in einem ein gutes Stück spezieller. Vieles beim Fantasy Filmfest erscheint kurz darauf regulär im Kino oder auf dem Homevideo-Markt, beim Hard:Line-Festival ist das nicht unbedingt der Fall. Und klar, man konnte dem Festival dieses Jahr wieder online beiwohnen, allerdings wurde im Internet nur ein abgespecktes Programm gezeigt.
Nun aber zu den für uns relevanten Filmen …
1. Frank & Zed (USA 2020)
Worum geht’s? Frank und Zed, ein frankensteinartiges Monster und ein Zombie, leben in einer effizienten WG. Damit ihre verrotteten Körper funktionieren, müssen sie sich regelmäßig gegenseitig zusammenflicken. Dass sie dafür Frischfleisch brauchen, nehmen die beiden Wankenden gerne in Kauf. Als jedoch ein Magistrat aus dem nahe gelegenen Dorf die Bürger dazu aufstachelt, Frank und Zeds Burgruine zu stürmen, ist’s vorbei mit dem schaurigen Idyll. Eine uralte Prophezeiung steht ins Haus: die Blutorgie …
Lohnt sich? Nicht wirklich. Leider. Es schmerzt regelrecht, das sagen zu müssen. Sollte man sich aber trotzdem mal antun, denn: So was gibt’s wahrlich nicht alle Tage zu sehen. Man glaubt jederzeit, dass Regisseur und Drehbuchautor Jesse Blanchard sechs Jahre an seinem äußerst splattrigen Puppenhorrorfilm gearbeitet hat, den man vielleicht am ehesten noch mit Peter Jacksons „Meet The Feebles“ (1989) vergleichen kann. Die Charaktere, die Kulissen, die Effekte – alles wurde mit viel, viel Liebe zum Detail gestaltet und sieht absolut fantastisch aus, man versinkt sofort in die einzigartige Welt, die hier aufgefächert wird. Nur leider ist das Drehbuch alles andere als einzigartig. Sind die ersten Minuten, die die morbide Idylle von Frank und Zed schildern (Frank versorgt Zed mit frischen Hirnen, Zed erweckt Frank jede Nacht via Elektrizität wieder zum Leben – natürlich eine schöne Referenz zur legendären „Frankenstein“-Verfilmung von 1931) noch unheimlich charmant, wirkt Blanchards Film mit zunehmender Laufzeit immer überladener: Zu viele Figuren kommen dazu, wild werden Genres wie Tonarten gewechselt, aber auf inhaltlicher Ebene kommt „Frank & Zed“ über eine durchschnittliche 80er-Jahre-Cartoon-Episode trotzdem kaum heraus. Als Kurzfilm wäre das Ganze soviel besser gewesen.

2. Hall (Kanada 2020)
Worum geht’s? Es hätte so schön sein können. Doch mit Branden an ihrer Seite wird selbst der schönste Urlaub zur Hölle. Val hätte dieses traurige Kapitel schon lange zuschlagen sollen, wäre da nicht die gemeinsame Tochter Kelly. Doch Branden wird bald schon Vals geringstes Problem sein, denn das Hotel ist Ground Zero eines Virusausbruches. Der Erreger zerfrisst seinen Wirt von innen und die Infizierten quälen sich von Atemzug zu Atemzug. Val und Kelly müssen raus, doch draußen lauern Verderben und Wahnsinn …
Lohnt sich? Leider nein. „Hall“ ist richtig schlimm. Er fängt richtig gut an, wird aber leider ungefähr ab der Hälfte der Laufzeit urplötzlich richtig schlecht. Und das ist schlimmer als schlecht, denn man ärgert sich noch mehr als bei einem einfach nur schlechten Film über die komplett verschwendete Lebenszeit. Regisseur und Story-Lieferant Francesco Giannini schafft das Kunststück aus der zigfach da gewesenen Grundidee eines Virenausbruchs anfänglich mit wenigen Mitteln ein Bedrohungsszenario aufzubauen, das durch den Kniff, den Ausbruch mit einer schwer dysfunktionalen Beziehung zu koppeln, auf das Äußerste verdichtet wird. Was auch den tollen Darstellern zu verdanken ist: Mit zurückhaltendem Schauspiel strahlt Mark Gibson („Vicious Fun“, 2020) als psychotischer Ehemann vom ersten Moment an latente Aggressivität aus und mit ebenso leisen Tönen verkörpert Carolina Bartczak („Moonfall“, 2021) die still leidende Val, was zu intensiven Szenen im Hotelzimmer der Familie und einer spannenden Fluchtsequenz führt, als Val entdeckt, dass Branden gewalttätig gegenüber deren kleinen Tochter geworden ist. Parallel dazu wird von Zimmernachbarin Naomi erzählt, die ebenfalls unter einer toxischen Beziehung leidet, sich aber bereits abgesetzt hat. Jedenfalls lässt dieser Ansatz zuerst vermuten, dass Giannini den Virenhorror ein stückweit als eine Art Metapher begreift. Doch urplötzlich purzelt irritierenderweise eine hochgradig alberne Szene mit Julian Richings („Kingdom Hospital“, 2004) rein, der einen mysteriöse Fremden spielt, der sich als Schöpfer des Virus herausstellt, irgendeinen diffusen Unsinn von sich gibt und im Rest des Films dann nicht mehr auftaucht, was vermuten lässt, dass die Szene eigens ins Skript geschrieben wurde, um mit Richings einen bekannteren Namen fürs Plakat unterzubringen. Aber vielleicht hatte man einfach eine gute Idee und dann keinen so rechten Plan mehr, wie weitermachen, denn nach Richings Auftauchen kracht „Hall“ völlig in sich zusammen, wird zu einem inhalts- und spannungslosen Horror-Allerlei (Val und ihre Tochter machen sich halt auf den nicht allzu gefährlichen Weg zum Ausgang des Hotels), das in ein abruptes Ende und einer so geschwätzig wie sinnlosen Szene nach den Credits mündet. Es ist schon seltsam: Beide Hälften fühlen sich tonal völlig unterschiedlich an – was ist hier passiert? Wirklich bedauerlich, zumal sich der in gedämpften Farben ausgeleuchtete und mit einem interessanten Score ausgestattete Film auf der handwerklichen Seite keine Blöße gibt.

3. Aporia (Aserbaidschan 2020)
Worum geht’s? Möchte gar nicht mal so viel verraten: Pärchen entkommt einer Massenhinrichtung und landet in einer metertiefen Grube, aus der ein Entkommen unmöglich ist. Blöd. Noch blöder: In der Grube taucht plötzlich ein Zombie auf…
Lohnt sich? Nicht ganz perfekt: misslungene, aber Gott sei dank nur wenige Digi-Effekte trüben das Bild und am Timing hätte man durchaus noch etwas schleifen können, aber unterm Strich schon sehr sehenswert: Minimalistisch, existenzialistisch, dreckig, bitterböse. Am besten keinen Trailer gucken. Einfach Film einschalten (wird mit Sicherheit bald irgendwo auf Scheibe auftauchen) und sich mitreißen lassen.

4. Slumber Party Massacre (USA, Südafrika 2021)
Worum geht’s? Fünf Mädels, dazu noch Pizza und Alkohol – so muss eine echte Party aussehen. Als das Auto allerdings Probleme macht, wird ein Zwischenstopp irgendwo im Nirgendwo nötig. Zum Glück hat die schrullige Alte von der Tankstelle eine Hütte zu vermieten. Weit draußen am See, wo einen niemanden schreien hört. Idealer Ort zum abfeiern also. Pizza in den Ofen, Bierflaschen auf, Pyjamas raus und los geht’s. Doch plötzlich taucht ein ungebetener Gast auf: Ein Finsterling mit einem ein Meter langen Bohrer …
Lohnt sich? Bekommt hier ausnahmsweise eine Erwähnung, weil’s eine gute Gelegenheit ist noch mal auf die Kurzbesprechung von Danishka Esterhazys sehenswerten „Level 16“ hinzuweisen, der in der monatlichen Flut von Homevideo-Veröffentlichungen leider ziemlich abgesoffen ist. Esterhazys Reboot der 1980er-Jahre-Slasher-Serie „Slumber Party Massacre“ ist ein bisschen der Film, den Ti West mit „X“ wohl gerne gedreht hätte, wenn er nicht ständig über sich selbst stolpern würde: Ein rasanter, pfiffiger, humorvoller und angemessen blutiger Spaß, der ein altes, stupides Subgenre in die Moderne holt und bei allen sicherlich nicht gerade subtilen, aber charmanten Metaebenen-Spielereien jederzeit die große Liebe zur Vorlage erkennen lässt und nie vergisst, wieso das Publikum eigentlich eingeschaltet hat. Leider geht dem Ganzen – wie schon „Level 16“ – in letzten Viertel spürbar die Puste aus und etwas mehr Budget hätte nicht geschadet, die glatten Fernsehbilder (es handelt sich um eine Produktion für den Sender Syfy) sind nicht so schön Trotzdem: Top.
Abb. ganz oben: „Frank & Zed“
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