19. Juni 2025

„Save Our Souls“: Flüchtlingsrettung hautnah

Zutiefst humanistische Doku in eindrucksvollen Bildern

Lesezeit: 3 min.

Wie bereits Anfang 2024 zu „Green Border“ geschrieben: Migration beziehungsweise Flucht ist nicht nur ohnehin Dauerthema, sondern wird eins der ganz großen Zukunftsthemen werden, und die UNO-Flüchtlingshilfe hat dieser Aussage Ende des Jahres noch zusätzliches Gewicht gegeben, denn die Zahl der weltweit aufgrund Gewalt, Konflikten oder Auswirkungen des Klimawandels Vertriebenen ist weiter angestiegen, wobei die Hauptlast – anders als man es angesichts des Sirenensounds der Medien vermuten möchte – allerdings nicht Europa trägt. Von den mehr als 120 Millionen Flüchtigen gelten 60 Prozent als Binnenvertriebene, die innerhalb der eigenen Landesgrenzen die Flucht ergreifen mussten, nur ca. 30% der Flüchtlinge, die keinen Binnenflüchtlinge sind, suchen Schutz in europäischen Ländern.

Wobei Flüchtlinge nicht nur von außen kommen, Europa ist auch im Inneren nicht vor dieser Problematik sicher. Man hat dank des Ukrainekriegs erst vor wenigen Jahren eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen, wie schnell große Fluchtbewegungen entstehen können. Es ist zudem durchaus möglich, dass eines Tages vermehrt Fluchtbewegungen innerhalb Europas stattfinden, vielleicht weil wir uns selbst auf den Weg machen müssen („Families Like Ours“ hat ein solches Szenario erst neulich durchgespielt), denn Europa entwickelt sich langsam aber sicher zum Hotspot der Klimakrise, was aktuell besonders Urlaubsziele im Süden betrifft.

Die ultimative Lösung hab ich auch nicht, aber eins weiß ich: Angesichts dessen, dass die Politik die Thematik für immer fiesere Hetzereien missbraucht und sich in immer bizarrere, im großen Stil steuergeldvernichtende Kasperltheater versteigt, um Gefahren für Leib und Leben zu suggerieren, wenn da so anders aussehende Personen zu uns kommen, kann’s nicht genug Filme geben, die zumindest einen Funken Empathie auslösen. Natürlich, über Lösungen muss nachgedacht werden (wir haben übrigens eine Reihe von Migrationsexperten in Deutschland, just sayin), ansonsten aber bitte tief durchatmen, zurücklehnen und immer dran denken: Das sind einfach nur Menschen!

Und die stehen sowohl in „Green Border“ als auch in „Save Our Souls“ im Mittelpunkt – Regisseur Jean-Baptiste Bonnet weiß, dass das Thema Seenotrettung in den letzten Jahren rauf- und runter diskutiert wurde und versucht mit seiner Dokumentation greifbar zu machen, worüber die ganze Zeit geredet wird: Wie läuft so eine Seenotrettung eigentlich ab und was sind das für Leute, die gerettet werden und viel zu oft von Statistiken verschluckt werden?

Sechs Wochen begleitete Bonnet dafür die Seenotretter der von der NGO SOS Méditerranée gecharterten „Ocean Viking“, herausgekommen ist ein Film, dessen Einfachheit und Zurückgenommenheit, ihn groß machen. Es gibt keinen Offsprecher, keine emotionalisierende Musik, keine dramatischen Zuspitzungen, dafür eine Kamera, die mit ruhigem Interesse die Vorgänge dokumentiert und große Bilder einer Heterotopie einfängt, in der die zeitliche Ordnung aufgehoben scheint. Und immer wieder die respektvolle Neugierde auf die Menschen: Gesichter werden erkundet und es wird mit aufrichtigem Interesse zugehört, wenn erzählt wird, von Schlägen, Vergewaltigungen, Tod, vom Gefühl, dass die Welt erodiert.

So leise der Film sich gibt, so still endet er. Die Geretteten werden nach Italien gebracht, die „Ocean Viking“ fährt wieder ab. 40.000 Personen wurden seit 2016 in Sicherheit gebracht. In der letzten Einstellung blickt einer der Crewmitglieder aufs Meer. Auf zum nächsten Einsatz.

Die große kleine Erkenntnis: Menschen vor dem Ertrinken retten sollte vor allem eins sein: normal.

(mit Dank an Claudia Hagan)

Save Our Souls Frankreich 2024 • Regie: Jean-Baptiste Bonnet • Abb. Drop-Out Cinema • Im Kino (ab sofort Previews zum Weltflüchtlingstag, regulärer Kinostart: 09.10.2025, Liste mit Spielorten)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.