„28 Years Later“ – Diesmal heißen die Untoten tatsächlich Zombies
Die späte Fortsetzung hat viele Ideen, vielleicht zu viele
Dass es zwar nicht 28, aber doch immerhin 23 Jahre gedauert hat, bis sich mit Regisseur Danny Boyle und Autor Alex Garland die beiden Kreativen hinter „28 Days Later“ zu einer Fortsetzung zusammengefunden haben, lässt den Verdacht aufkommen, das es hier vor allem um einen sicheren Hit geht, den vor allem Boyle dringen gebrauchen könnte. Lange Jahre konnte der Brite wenig falsch machen, gewann für „Slumdog Millionär“ einen Haufen Oscars, auch das Kletter-Drama „127 Hours“ und der Thriller „Trance“ konnten noch überraschen, danach war es mit der Herrlichkeit vorbei. Sein Drehbuchautor Alex Garland dagegen begann bald selbst Regie zu führen, auf „Ex Machina“ folgte die inhaltlich ambitionierte Serie „Devs“, zuletzt der fast prophetisch anmutende „Civil War.“
Einfach nur einen weiteren postapokalyptischen Zombiefilm zu drehen, dafür sind diese beiden Kreativen zu klug, andererseits: Seit „28 Days Later“ dem Genre mit seiner rohen, digitalen Kameraarbeit, seiner Sozialkritik und nicht zuletzt dem sehr jungen Cillian Murphy in einer seiner ersten Hauptrollen einen Adrenalinkick verpasste, kann man sich vor postapokalyptischen Filmen und Serien kaum retten. Das Rad neu erfinden gelingt Boyle und Garland in „28 Years Later“ dann auch nicht, statt dessen versuchen sie sich mit wechselndem Erfolg an einem Genremix, der einerseits extrem brutale Splattermomente liefert, sich wild durch die Filmgeschichte zitiert und nicht zuletzt als Kritik des britischen Selbstverständnisses verstanden werden kann.
Hauptfigur ist der zwölfjährige Spike (Alfie Williams), der zusammen mit seiner Mutter Isla (Jodie Comer) und dem Vater Jamie (Aaron Taylor-Johnson) auf einer Insel vor der Küste Großbritanniens lebt, in einer Art Refugium für eine Gruppe Überlebender. Das Festland lässt sich nur via einer Furt erreichen, die nur bei Ebbe passierbar ist und dementsprechend Schutz vor den immer noch marodierenden Zombies liefert.
Wegen denen wurde Großbritannien von Europa isoliert, Schiffe kontrollieren die Quarantäne, Kontakt zur Außenwelt gibt es nicht. Statt dessen haben sich manche der Zombies – die diesmal auch wirklich Zombies genannt werden und nicht mehr nur als Opfer des Wut-Virus bezeichnet werden – zu so genannten Alphas entwickelt: Besonders intelligenten und brutalen Wesen, die ihren Gegnern gerne den Kopf samt Wirbelsäule herausreißen. Hört sich bekannt an? Ja, das erinnert unweigerlich an die liebste Tötungsmethode der Predatoren, nicht der einzige Verweis an filmische Überlebenskämpfe im Dschungel, die eingestreut werden. Besonders der später auftauchende Ralph Fiennes mutet mit Glatze und mit Blut und anderem verschmiertem Gesicht wie ein Wiedergänger von Colonel Kurtz aus „Apocalypse Now“ an.
Gefilmt wurde erneut Digital, größtenteils mit iPhones, die einen speziellen Look erzeugen, rasante Kamerabewegungen ermöglichen, aber dennoch wie beiläufig dahingeworfen wirken. Zwei, drei spektakuläre, extrem blutige (die FSK vergab ein seltenes ab 18!) Spannungsszenen gibt es, viel mehr scheinen Doyle und Garland aber an den soziologischen Auswirkungen einer Extremsituation wie einer Zombie-Apokalypse interessiert zu sein.
Besonders die erste, lange Sequenz, in der das Leben in der Insel-Enklave geschildert wird, inklusive Initiation von Spike in das unbarmherzige Töten von oft ziemlich wehrlosen Zombies, mutet wie eine unmittelbare Kritik der britischen Sonderrolle an: Ausschnitte aus alten Spiel- und Dokumentarfilmen, die Angriffe der britischen Inseln durch Nordmänner oder auch Nazis zeigen, machen die Parallelen (über-)deutlich, vor allem aber die von viel Bier beflügelte Selbstbeweihräucherung nach erfolgreichem Kampf. Diese pointierte Kritik an der eigenen Mythologie wird jedoch bald fallengelassen, um vielleicht in der schon abgedrehten Fortsetzung wieder aufgenommen zu werden. Im weiteren Verlauf steht Spikes Versuch im Mittelpunkt, seine kranke Mutter zu einem Arzt zu bringen, unterbrochen von teils seltsamen, teils pointierten erzählerischen Abzweigungen. So stringent und zwingend erzählt wie einst „28 Days Later“ wirkt die späte Fortsetzung nie, statt dessen mäandert sie vor sich hin, voller Ideen und Ansätze, die nicht immer zusammenpassen. Langweilig aber ist „28 Years Later“ nie, einen konventionellen Zombie-Film von der Stange zu drehen, hätte man Danny Boyle und Alex Garland aber auch nicht zugetraut.
28 Years Later • GB/ USA 2025 • Regie: Danny Boyle • Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Jodie Comer, Alfie Williams, Ralph Fiennes • Abb. Sony Pictures Germany • im Kino
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