22. August 2022 3 Likes

„Mickey7“: Im Gespräch mit Edward Ashton

Über frühe Genre-Liebe, Nerd-Themen und den letzten Klon

Lesezeit: 6 min.

Der Amerikaner Edward Ashton (im Shop) arbeitet in der Krebsforschung, unterweist Studenten in Quantenphysik und schreibt Science-Fiction. In seinem gerade auf Deutsch erschienenen Roman „Mickey 7 – Der letzte Klon (im Shop) geht es um Mickey, den so genannten Expendable einer Kolonisierungs-Mission auf einem fremden Planeten voller Creeper-Monster-Würmer. Mickey muss jede potentiell selbstmörderische bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit tödliche Drecksaufgabe erledigen, weil er nach seinem Dahinscheiden dank Körper-Scan, Persönlichkeits-Back-up, Biodrucker und Nährstofftank jedes Mal sofort als geklonte Version ‚wiederaufersteht’. Als nach dem vermeintlich schlechten Ausgang eines weiteren riskanten Jobs sein neuester Klon in Auftrag gegeben wird, obwohl der Vorgänger noch gar nicht so tot ist, sorgt das in Mickeys kleiner Kolonie-Welt für reichlich Ärger. Im Interview spricht Edward Ashton über seine frühsten Science-Fiction-Einflüsse, seine wissenschaftliche und seine kreative Arbeit, das Klonen, nerdige Paradoxen und die anstehende Verfilmung seines Romans durch den koreanischen Regisseur Bong Joon-ho („Parasite“) und mit Hauptdarsteller Robert Pattinson („The Batman“).

 


Edward Ashton. Foto © JustTeeJay

Hallo Edward. Wie begann deine Liebe zur Science-Fiction? Im Roman gibt es z. B. eine explizite „Sandwürmer“-Referenz in Richtung „Dune“ (im Shop), fiel mir auf. Und wann und wie mündete diese Vorliebe für SF in dem Bestreben, sie selbst zu schreiben?

Mein Vater besaß eine umfangreiche Bibliothek mit vielen Science-Fiction-Büchern, und ich war ein altkluger kleiner Schlingel. Ich begann, Bücher von Leuten wie Clifford D. Simak (im Shop), Fred Hoyle und James Tiptree Jr. zu lesen, sobald ich überhaupt nur lesen konnte, und ich schreibe schon fast so lange Science-Fiction, wie ich sie lese. Als mein Vater vor ein paar Jahren umzog, schickte er mir nach dem Ausräumen seiner alten Wohnung ein Paket, das er auf dem Dachboden gefunden hatte. Es enthielt kleine Geschichten, die ich in der ersten oder zweiten Klasse auf lose Blätter Papier geschrieben habe. Sie handelten meist von Apokalypsen der einen oder anderen Art, nur für den Fall, dass ihr euch fragt, ob sich meine Interessen im Laufe der Jahre stark verändert haben.

Science-Fiction, Geek-Stoffe und Nerd-Themen boomen, aber geht man damit heute als Wissenschaftler und Krebsforscher beim Kollegium auch schon hausieren?

Jeder der mich kennt weiß, dass ich mich sehr für alle Arten von Nerd-Zeug interessiere. Man kann keine Tasse Kaffee mit mir trinken gehen, ohne zu hören, was ich über Rokos Basilisk denke – oder eine Liste meiner zehn besten Erklärungen für das Fermi-Paradoxon (die „Dunkelwald-Hypothese“ findet sich auf Platz drei. Meine beiden Top-Erklärungen sind noch viel, viel verrückter).

Wo liegt eigentlich die Schnittmenge zwischen Krebsforschung, Quantenphysik und dem Schreiben von Science-Fiction in deinem Alltag? Und inwieweit speist dein Forschen und Lehren das Schreiben von SF – und geht die Inspiration auch in die andere Richtung?

Mein Hintergrund als aktiver Wissenschaftler beeinflusst definitiv einen Großteil meines Schreibens. Auf dem Spektrum von hart bis weich innerhalb der Science-Fiction neige ich zum härteren Ende. Ich möchte also, dass das meiste von dem, was ich in meine Bücher packe, vom Standpunkt unseres derzeitigen Verständnisses der Physik und Biologie aus zumindest annähernd plausibel ist (nicht alles – lasst es, mir über Monopol-Blasen zu @-en.) Und die Tatsache, dass ich eine ziemlich gute Vorstellung davon habe, was dieses derzeitige Verständnis umfasst, macht diese Aufgabe viel einfacher. Ich weiß allerdings nicht, ob es auch viel Befruchtung in die andere Richtung gibt. Es ist eine Sache, Fakten in meine Fiktion einfließen zu lassen, aber Fiktion in meine Fakten einfließen zu lassen, würde nicht annähernd so gut funktionieren, denke ich.

Sprechen wir über deinen Roman „Mickey 7 – Der letzte Klon“. Wie kamst du erstmals auf die Idee mit den entbehrlichen Klonen?

Ich bin seit langem von einem philosophischen Problem fasziniert, das man als Teletransport-Paradoxon bezeichnet. In seiner einfachsten Form, die seit mindestens 1755 von verschiedenen Leuten durchgekaut wird, geht es um diese Frage: Wenn man in der Lage wäre, seinen Geist exakt zu kopieren und ihn in einen neuen Körper zu übertragen, ist diese Person dann tatsächlich man selbst, oder nicht? Ich habe zum ersten Mal über diese Frage nachgedacht, als ich als Kind „Star Trek“ gesehen habe. Schon damals war mir ziemlich klar, dass der Transporter niemanden wirklich transportiert. Er tötete sie nur an einem Ende und produzierte am anderen Ende eine exakte Kopie von ihnen, aber das schien niemandem in der Serie in den Sinn zu kommen. Ich wollte etwas über eine Figur schreiben, deren Leben sich um diese Frage dreht, und dann wollte ich diese Figur, weil ich ein Autor und somit ein Sadist bin, in die schrecklichste Situation bringen, in der so jemand landen kann. So entstand das Konzept des Expendable.

Denkst du, Klontechnologie wird für die menschliche Medizin irgendwann trotzdem unverzichtbar?

Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass in naher Zukunft das Klonen einzelner Organe zur Transplantation ein wesentlicher Bestandteil unserer medizinischen Praxis sein wird. Es gibt bereits Schritte in diese Richtung, und dieser Ansatz bietet so viele offensichtliche Vorteile, dass man sich kaum vorstellen kann, wie das nicht alltäglich werden sollte. Was das Klonen eines ganzen Organismus angeht, habe ich allerdings große Zweifel, die ich in „Mickey7 – Der letzte Klon“ ziemlich deutlich zum Ausdruck bringe.

Im Roman werden in den Kolonien die Kalorien, die jede Person am Tag verbrauchen darf, streng gezählt. Müssten wir das auf der Erde im Hier und Jetzt auch machen, um aus der kapitalistischen Falle des vermeintlichen Überflusses rauszukommen?

Ich gebe zwar zu, dass mir persönlich ein wenig Kalorienzählen manchmal gut tun würde, aber ich glaube nicht, dass ein strenges System, wie ich es in „Mickey7 – Der letzte Klon“ beschreibe, derzeit für unsere Gesellschaft als Ganzes notwendig oder gar vorteilhaft wäre. Die Probleme, die wir aktuell mit Lebensmitteln haben, sind eher auf Fehler bei der Verteilung als bei der Produktion zurückzuführen. Ich würde wahrscheinlich dafür plädieren, unsere Anstrengungen auf die Verbesserung dieser Systeme zu richten, bevor wir daran denken, den gesamten Planeten auf Diät zu setzen.

Wahrscheinlich darfst du uns noch nichts über die Verfilmung von Bong Joon-ho erzählen. Aber vielleicht kannst du ja schon einen Set-Besuch schildern, oder deine allgemeinen Empfindungen angesichts einer Adaption deines Werkes durch einen Oscar-Gewinner?

Ich werde hoffentlich nächsten Monat ein wenig Zeit am Set verbringen, aber das habe ich noch nicht getan, also kann ich dazu jetzt noch nicht viel sagen. Meine Gefühle dazu, dass mein Roman von jemandem wie Bong Joon-ho verfilmt wird, sind unmöglich angemessen zu beschreiben – sieht man mal davon ab, dass mir in den letzten Monaten immer wieder der Gedanke gekommen ist, dass ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerade irgendwo in einem Krankenhaus an einem übermäßig starken Morphium-Tropf hänge. Wenn das der Fall ist, hoffe ich, dass sie wenigstens so lange damit warten, den Stecker zu ziehen, bis ich die Premiere sehen kann.

Und nun die unentbehrliche Frage zum Schluss: Würdest du dich je klonen lassen, wenn es die Technologie gäbe?

Als Mittel und Weg zur Unsterblichkeit? Auf keinen Fall. Das Letzte, was ich nach meinem Tod möchte, ist ein anderer Typ, der aussieht wie ich, herumläuft und meine Sachen mit seinen schmierigen Pfoten anrührt. Aber als Weg, um jemanden zu finden, der meinen Job übernimmt, damit ich mehr Zeit mit dem Erschaffen von Geschichten verbringen kann? Ja, das müsste ich ernsthaft in Betracht ziehen.

Edward Ashton: Mickey7 – Der letzte Klon • Roman • Aus dem Amerikanischen von Felix Mayer • Wilhelm Heyne Verlag, München 2022 • 368 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 15,00 • im Shop

[bookpreview] 978-3-453-32172-4

 

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