22. Oktober 2015 1 Likes

Die Gewalt des Buchstabens

Band zwei der Neuausgabe von Samuel R. Delanys „Nimmèrÿa“-Zyklus

Lesezeit: 2 min.

In den 60ern und 70ern wurde Samuel R. Delany vor allem für seine Science-Fiction-Schaffen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Mit seinem „Nimmèrÿa“-Zyklus und den darin aufgefächerten Geschichten aus einer Zeit vor unserer Zeit hat Delany zwischen 1979 und 1987 außerdem einen Meilenstein der postmodernen Fantastik bzw. Fantasy geschaffen – ein Epos über die Komplexität des Zusammenlebens und nicht zuletzt auch des Erzählens.

Mitte der 80er erschienen die Romane und Erzählungen bei Bastei Lübbe erstmals auf Deutsch. Seit Ende 2012 präsentiert der Golkonda-Verlag eine vollständige Neuausgabe in schön aufgemachten Klappenbroschuren und E-Books – vier Stück sollen es am Ende werden, dann ist auch das fortlaufende Cover-Motiv vollständig. Gerade ist der zweite Band „Nimmeryána oder: Die Geschichte von Zeichen und Städten“ erschienen, und auch diesmal wurde die alte Übersetzung komplett durchgesehen und ergänzt anhand der aktuellsten englischsprachigen Fassung.

Mr. Delanys ballaststoffreiche Fantasy-Werk steckt nicht nur voller Schwerter, Magie und vielen außergewöhnlichen Figuren, sondern auch voller Ideen, Fragen und Facetten. Delany, zweifellos einer der intellektuellsten Fantasy- und Science-Fiction-Autoren des 20. Jahrhunderts, geht in seinen hoch entwickelten Fantasy-Geschichten sogar noch ein ganzes Stück weiter als der Genre-Titan Fritz Leiber in seinen Storys um Fafhrd und den Grauen Mausling, der dem Sword-and-Sorcery-Subgenre einst seinen Namen gegeben hat, oder der fabelhafte Neuerer Michael Moorcock; Delany meditiert über gesellschaftliche Strukturen, Geschlechter-Fragen, Sex, Macht, Gewalt und letztlich die Ursprünge unserer zivilisatorischen Identität.

Die anspruchsvollen, anregenden Episoden aus Nimmèrÿa sind durchaus ein Stück Arbeit und wollen zwischendurch beim Lesen erarbeitet werden – das gilt auch für den zweiten Band, der sich auf das Drachen reitende Mädchen Pyrn konzentriert und Geschehnisse aus dem ersten Buch noch einmal aus der Sicht von Pyrn schildert, die auf ihrer weiteren Reise gen Süden zudem mit den Mythen und Geheimnissen eines dunklen Kontinents konfrontiert wird. Immens lohnenswerter Stoff.

Hier gibt es eine Leseprobe zum zweiten Band, der mit über 600 Seiten ein ganz schöner Brocken ist.

Samuel R. Delany:  Nimmeryána (Nimmèrÿa Bd. 2) • Golkonda, Berlin 2015  • 613 Seiten • 19,90

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