4. Mai 2018 1 Likes

Gestaltwandler im Internetzeitalter

Wieland Freunds „Krakonos“ ist ein kritischer Kommentar zur High-Tech-Welt

Lesezeit: 2 min.

Wieland Freund ist ein alter Hase im Literaturbetrieb. Er ist Journalist, Übersetzer und erfolgreicher Kinderbuchautor („Gespensterlied“, „Wecke niemals einen Schrat!“). Sein neuestes Werk wurde auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Ebenfalls auf den Nominierungslisten stehen u. a. „Boy in a White Room“ (Loewe) und der erste Band der „Illuminae-Akten“ (dtv). „Krakonos“ sticht jedoch aufgrund seiner Geschichte und seines wahrlich steinalten Protagonisten heraus: Rübezahl.

Die Brüder Nik und Levi leben in Berlin und verbringen die meiste Zeit in der Deutschlandzentrale des Unternehmens Qwip.com, das entfernt an eine Mischung aus den uns bekannten Internet-Großkonzernen erinnert. Gemeinsam besuchen sie auch die hauseigene Academy, auf der die Kinder der Angestellten die Schulbank drücken und das Programmieren lernen. Nik, der ältere, hat sich mit dem Leben dort arrangiert und fühlt sich – ganz Kind seiner Zeit – ohne sein Smartphone nackt und der Welt hilflos ausgeliefert. Sein jüngerer Bruder Levi ist da ganz anders. Er ist ein ruhiger, verträumter, sensibler Junge, der sich an der wenigen unberührten Vegetation auf dem Gelände erfreut. Eines Tages taucht ein Rabe auf dem Grundstück auf, den Levi unbedingt sehen möchte. Zusammen mit ihrem Freund Marten schleichen sich die Geschwister am späten Abend aus dem Gebäude. Der Rabe ist jedoch kein einfacher Vogel. Er verwandelt sich zunächst in einen Mann, dann in Levi. Und er ist nicht allein. Ihm auf den Fersen ist ein mythobiologisches Sondereinsatzkommando, dass den Flüchtigen fassen soll. Nik und Levi flüchten mit dem Gestaltwandler Riebe aus Berlin und vor dem M-SEK, das Rübezahl als gefährlichen Entführer einstuft und liquidieren will. Nur die junge Mythobiologiestudentin Emma glaubt an Krakonos‘ (Rübezahls) Unschuld und setzt alles daran die Verfolgung zu manipulieren.

„Krakonos“ ist in erster Linie eine Hommage an die Sagengestalt, aber auch eine Kritik an unsere sich immer schneller drehende High-Tech-Welt. Wie Rübezahl, ist auch Levi „aus der Welt“ gefallen und sucht seinen Platz in der Qwip-Welt, die nur einen Steinwurf von unserer Realität entfernt ist. Wer auf der Suche nach einem phantastischen Kinderbuch für Jung und Alt ist, sollte diesem Roman eine Chance geben.

Wieland Freund: Krakonos • Beltz & Gelberg, Weinheim, 2017 • 292 Seiten • 14,95 €

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