15. November 2020 1 Likes

Harlan Ellisons „Last Dangerous Visions“ kurz vor Veröffentlichung

Die legendäre Anthologie wird posthum beendet

Lesezeit: 2 min.

Kaum ein SF-Buch ist so legendär wie die von Harlan Ellison (1934 - 2018; im Shop) herausgegebene Anthologie „Last Dangerous Visions“ – schlicht deshalb, weil es nie erschienen ist. „Dangerous Visions“ (1967) und „Again, Dangerous Visions“ (1972) hatten Maßstäbe gesetzt und gedacht war, dass 1973 ein letzter, abschließender Band mit weiteren Kurzgeschichten erscheint, die die Grenzen der damaligen Science-Fiction ausloten sollten. Dutzende von renommierten Autoren hatten Storys bei Ellison eingereicht, aber dann geschah – nichts. Und der Unmut wuchs. Autoren zogen ihre Geschichten zurück und veröffentlichten sie andernorts, Christopher Priest (im Shop) war gar so sauer, dass er gleich ein ganzes Buch über die verkorkste Angelegenheit schrieb, „The Book on the Edge of Forever“, was Ellison wiederum gar nicht witzig fand und den Briten mit Drohungen überschüttete.

Aber nun hat J. Michael Straczynski, der literarische Nachlassverwalter von Ellison und selbst Autor von einiger Reputation, auf einer offenen Patreon-Seite angekündigt, dass „Last Dangerous Visions“ 2021, also fast 50 Jahre nach dem ursprünglich angedachten Termin, interessierten Verlagen vorgelegt wird.

Aber bevor man sich jetzt zu früh freut: Das ist mitnichten das Buch, das Mitte der 1970er erschienen wäre. Es enthält nämlich nicht die Storys, die bereits akzeptiert waren, dann aber zurückgezogen und woanders veröffentlicht wurden. Gestrichen wurden auch jene Geschichten, die inzwischen von der Wirklichkeit überholt wurden. Dafür kommen neue Storys von bekannten, aber auch jungen neuen Autoren der Gegenwart hinzu – sowie eine Geschichte, die noch aus Einsendungen gänzlich unbekannter Autoren ausgesucht wird.

Außerdem wird der Band ein „Werk“ (man darf noch raten, ob es eine Story oder etwas essayistisches ist) von Ellison enthalten, das bisher noch unveröffentlicht ist – und das, laut Straczynski – nicht unwesentlich Schuld daran ist, dass die Anthologie nie erschienen ist.

Egal, was man davon halten mag, sollte „Last Dangerous Visions“ dann vielleicht wirklich 2022 oder so erscheinen, wird das sicher ein kleines Erdbeben im Genre auslösen. Und das passt doch zu Ellison, dass er selbst nach seinem Tod so etwas noch hinkriegt.

[Für Interessierte: Eine Übersicht der Storys, die ursprünglich für den dritten Band geplant waren, gibt es hier.]

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