28. Mai 2015 2 Likes

Margaret Atwood denkt voraus

Die Autorin stiftet ein Manuskript für die Bibliothek der Zukunft

Lesezeit: 2 min.

Margaret Atwoods neuen Roman Scribbler Moon wird vermutlich keiner von uns mehr zu Lebzeiten in Händen halten – Erscheinungstermin: 2114. Die Autorin hat das Manuskript einem Projekt der schottischen Künstlerin Katie Paterson gestiftet. Die „Future Library“ sammelt einen Roman pro Jahr, um ihn dann 99 Jahre später zu drucken, und Margaret Atwoods Text machte den Anfang. „Ich darf nicht sagen, was in dem Karton ist“, sagte Atwood bei der Übergabe des Manuskripts. „Ich durfte auch nicht einfach nur ein Fotoalbum hineinlegen. Aber die Länge, ob ein Wort oder 1000 Seiten, spielte ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob es ein Gedicht, eine Geschichte, ein Roman oder Non-Fiction ist.“ Für die Bibliothek der Zukunft  hat Paterson im Nordmarka Forest in der Nähe von Oslo im vergangenen Jahr 1000 Fichten gepflanzt, die später einmal das Papier für die Bücher liefern sollen. Bis dahin werden die Manuskripte in der Deichmannschen Bibliothek in Oslo aufbewahrt werden. „Ich bin mir sicher, dass auch in 100 Jahren noch Bücher gelesen werden“, sagte Kulturstadtrat Hallstein Bjercke, der Atwoods Manuskript entgegennahm. Auch der kanadischen Autorin gefällt die Vorstellung:

Ich schicke ein Manuskript durch die Zeit. Werden dann Menschen da sein, die darauf warten, es zu lesen? Wird es Norwegen noch geben? Oder einen Wald? Oder Bibliotheken? Es ist seltsam, sich vorzustellen, dass meine Stimme – die dann schon lange verstummt sein wird – plötzlich wieder zum Leben erwacht, nach 100 Jahren. Was ist wohl das erste, das diese Stimme sagen wird, wenn jemand, der jetzt noch nicht geboren ist, das Manuskript aus dem Behälter nimmt und anfängt zu lesen? Ich stelle mir die Begegnung zwischen meiner Stimme und dem heute noch nicht existierenden Leser so vor wie die kleine, in Rot gemalte Hand, die ich einmal an der Wand einer Höhle in Mexico gesehen habe, die über 300 Jahre lang verschlossen war. Wer kann heute schon genau sagen, was sie bedeutet? Aber die grundsätzliche Bedeutung ist klar, und jeder Mensch kann sie verstehen: „Hallo, ich war hier.“

Wer in diesem Jahr noch etwas von Margaret Atwood lesen möchte, sei auf ihren Essay „Meine Abenteuer in Unfugland“ verwiesen, der auch im SF-JAHR 2012 (im Shop) erschienen ist. 

Quelle/Bild: The Guardian

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