Der Prophet als Entwickler
Alan Moore hilft, eine neue Comic-App zu entwickeln
Für wen er kein Gott ist, für den ist Comic-Autor Alan Moore ein Prophet. Ohne ihn sähen Panelgeschichten heute zweifellos anders aus – ohne Werke wie „Swamp Thing“, „Watchmen“, „V wie Vendetta“, „Top10“ oder „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“. Dennoch, in den letzten Jahren machte der bärtige Brite, den die amerikanische Bilderheftchen-Industrie allerdings auch nicht immer allzu fair behandelt hat, vor allem dadurch von sich reden, dass er auf jeden und alles eindrosch und der Comic-Gegenwart im US-Mainstream praktisch im Gesamten die Qualität und die Daseinsberechtigung absprach. An eigenen Comics veröffentlichte Moore unterdessen weitere Happen aus seinem pulpig-verspielten „Liga“-Kosmos und begab sich, um Geld für eine Steuerrückzahlung in die Kasse zu bekommen, zudem auf einen etwas schmuddeligen Ausflug in die Welt von H. P. Lovecraft.
Nun macht Moore, der große Innovator und mit Abstand wichtigste und einflussreichste Comic-Autor der Moderne, endlich wieder als Entwickler Schlagzeilen und geht abermals die Grenzen des Mediums an – wenn auch anders, als gedacht. Denn Moore gehört zu einem Team, das eine neuartige Comic-App entwickeln möchte, finanziert durch den englischen Fond Digital R&D Fund for Arts, der Technologie und Kunst wirksam zusammenzubringen versucht.
Die Electricomics-App, die bereits mit Accounts auf Twitter und Facebook vertreten ist, soll als Open-Source-Programm jedem interessierten Künstler zur Verfügung stehen, wobei es nicht nur um das Lesen und Verbreiten, sondern eben in erster Linie um das Erstellen originär digitaler Comicinhalte geht. Moore kommt es darauf an, sich von bisherigen Modellen zu lösen und das Potential elektronischer Comics auch narrativ endlich voll auszuschöpfen – Comic-Cheftheoretiker Scott McCloud, der seit Jahren für die von Printgewohnheiten gelöste Nutzung des digitalen Raums plädiert, springt vermutlich vor Aufregung gerade im Dreieck.
Um Electricomics einen guten Start zu verschaffen, gibt es für den Anfang den 32-Seiten-Comicsampler Orphans of the Storm, den Moore mithilfe seiner Tochter Leah und seines Langzeit-Mitstreiters Mitch Jenkins in Eigenregie veröffentlicht (das Logo zur App stammt übrigens von Comic-Lettering-Titan Todd Klein). Die Anthologie präsentiert neues Material von Moore, der sich Winsor McCays Klassiker „Little Nemo“ annimmt, aber auch Geschichten von Moores „Terra Obscura“-Co-Autor Peter Hogan, dem irischen Superstar Garth Ennis und dem dänischen „Starman“-Zeichner Peter Snejbjerg.
Foto via TheGuardian
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