4. März 2017 3 Likes

Die Eulen sind nicht, was sie scheinen

Marks Frosts „Geheime Geschichte von Twin Peaks“

Lesezeit: 3 min.

Seit einem Vierteljahrhundert schmachtet der FBI-Agent Dale Cooper jetzt in einem mit roten Stoff ausgeschlagenen Keller, zusammen mit den Geistern seines letzten Falls und einem Zwerg, der nur rückwärts spricht. Zurückgelassen von Regisseur David Lynch und Drehbuchautor Mark Frost, allerdings mit dem Versprechen „In 25 Jahren werde ich sie wiedersehen“. Und nun machen die beiden ihr Gelübde wahr, allerdings in unerwarteter Reihenfolge.

1990 revolutionierte Lynch mit der Serie „Twin Peaks“ das moderne Fernsehen: Er mischte Krimi- und Horrorelemente, gab einen Schuss Humor dazu und viel Seifenoper. Das übrige tat eine ausgeklügelte Werbekampagne mit Events – kaffeetrinken und kirschkuchenessen – rund um den Globus. Die Frage, wer nun die junge Laura Palmer ermordet hat, wurde selbst im ernsthaften Feuilleton diskutiert, „Twin Peaks“ wurde zum Kult und zum Phänomen einer sich neu erfindenen Medienszene. Ganz unterschiedliche Serienformate wie „Akte X“, „Ausgerechnet Alaska“ und „Wiseguy“ bezogen sich auf Lynchs Schöpfung.

Selbst die Bücher zur Serie waren ausgeklügelt: „Das geheime Tagebuch der Laura Palmer“ von Jennifer Lynch und Scott Frosts „FBI-Agent Dale B. Cooper – Mein Leben, meine Aufzeichnungen“ erzählten die TV-Handlung eben nicht sklavisch nach, sondern brachten neue, zusätzliche Aspekte und Sichtweisen. Spätestens hier wurde klar, dass David Lynch und Mark Frost mit dieser Serie ein komplexes soziales und psychisches System erschaffen haben, über das inzwischen Doktorarbeiten geschrieben werden. (Hier sei auf Christof Lorenz‘ hochintelligenten Essay über Systeme, Spiegelungen und Zirkularität bei „Twin Peaks“ verwiesen.)

In diese Kerbe will nun auch „Twin Peaks“-Mastermind Mark Frost schlagen, der schon vor Beginn der neuen Staffel ein Buch zur Serie vorgelegt hat: „Die geheime Geschichte von Twin Peaks“ wird mit der Handlung wenig zu tun haben, ist aber ein Sammelsurium an skurrilen Stories, die das Lesen zu einem Fest für Verschwörungstheoretiker macht. Es ist schon reichlich durchgeknallt, was Frost dem Leser hier vorlegt, und beginnt mit der berühmten Expedition zur Erforschung des weiten Nordwestens der USA, die Captain Meriwether Lewis und sein Partner William Clark 1804 starteten. Aber auch der Bigfoot, der Ufo-Absturz von Roswell und die Ermordung John F. Kennedys spielen eine Rolle. Und überhaupt: „Die Eulen sind nicht, was sie scheinen!“ Aber das wussten wir bereits seit der zweiten Staffel „Twin Peaks“.

Zugegeben: Frost schlägt einen eleganten Bogen von diesen Mythen des 20. Jahrhunderts in die kleine Stadt an der kanadischen Grenze, die vor 25 Jahren durch den Mord an Laura Palmer erschüttert wurde, und zu dem finsteren Geist Bob, dem Herren der Schwarzen Hütte, in der Agent Cooper seitdem eingekerkert ist. Doch als Roman kann dieses Buch kaum durchgehen. Schließlich ist es schon in der Form ein Dossiers, zusammengestellt von der bisher unbekannten FBI-Agentin Tamara Preston. Die wiederum ist auf der Suche nach dem rätselhaften Archivar, der alle Dokumente über die geheime Geschicte Amerikas sammelt und kommentiert.

Auch wenn die Lektüre dieses ungewöhnlich schön gestalteten Buchs manchmal mühsam und unbefriedigend ist, sein Ziel hat es erreicht. Nach dem Lesen freut man sich auf die neue Staffel, selbst wenn man – wie der Autor – dieser Fortsetzung bisher eher neutral gegenüber stand.

Mark Frost: Die geheime Geschichte von Twin Peaks • Aus dem amerikanischen Englisch von Stephan Kleiner • Kiepenheuer & Witsch, Köln 2016 • 368 Seiten • 39,90 Euro

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.