12. April 2017 1 Likes

Das große Heyne-Osterspecial 2017

Acht unsterbliche Buchempfehlungen aus der diezukunft-Redaktion für die Osterferien

Lesezeit: 7 min.
Aurora von Kim Stanley Robinson

Elisabeth Bösl empfiehlt:

„Aurora“ von Kim Stanley Robinson

Aurora Kim Stanley Robinson Cover

Was tun, wenn man nach Jahrhunderten des interstellaren Fluges endlich am Ziel angekommen ist und dann feststellen muss, dass es alles andere als ein Paradies ist? Genau diese Frage stellt sich Freya und der Crew ihres Generationenschiffes, als sie nach 170 Jahren Reisezeit Aurora erreichen, den erdähnlichen Mond von Tau Ceti E. Ihr gigantisches Schiff hat gerade so die knapp 12 Lichtjahre überstanden, doch Aurora erweist sich als ungeeignet für irdisches Leben. Sollen die Kolonisten es trotzdem mit dem Mond versuchen? Zu einem anderen Planeten weiterfliegen? Oder gar zur Erde zurückkehren? Aurora handelt allerdings nur auf den ersten Blick vom Scheitern. Der Roman dreht sich vielmehr um Themen wie Entropie in geschlossenen Systemen, ums Überleben im absolut lebensfeindlichen All und um das, was menschliche Gemeinschaft ausmacht. Das alles wird von einer Schiffs-KI erzählt, der wir dabei zusehen können, wie sie den Turing-Test bestehen lernt. Kurz: „Aurora“ ist grandios, wunderschön und tragisch – und deswegen absolut empfehlenswert!

Stefanie Brösigke empfiehlt:

„Der Raum“ von Peter Clines

Aurora Kim Stanley Robinson Cover

Typen wie Nate Tucker gibt es in L.A. zu Tausenden. Er ist Anfang dreißig, quält sich durch einen langweiligen Job und ist ständig knapp bei Kasse. Auf dem College hatte er mal Ambitionen, doch die hat er unterwegs verloren. Als seine beiden Mitbewohner ausziehen, braucht Nate eine neue Bleibe – und ergattert ein Apartment im sagenumwobenen Kavach-House. Habe ich Apartment gesagt? Ach was, ein schickes Loft, mit Hammerausblick über die Stadt, zu einem unanständig niedrigen Mietpreis! Doch kaum eingezogen, stellt er fest, dass mit dem Haus etwas nicht stimmt. Türen lassen sich nicht öffnen, die Nachbarwohnung steht seit einem mysteriösen Selbstmord leer, und der Hausmeister scheint etwas zu verbergen. Zusammen mit seinen Nachbarn Veek und Tim will Nate die Rätsel des Kavach-Hauses lösen und stößt dabei auf …. Das verrate ich natürlich nicht. Nur so viel: Peter Clines webt die Horror-Elemente so subtil in seine Geschichte ein, dass man erst merkt, dass man Angst hat, wenn es schon zu spät ist. Bei „Der Raum“ bekommt sogar der Osterhase Gänsehaut!

Christopher Büchele empfiehlt:

„Unsterblich“ von Jens Lubbadeh

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Seit geraumer Zeit bin ich ein Dauergast auf diezukunft und werde das Gefühl nicht los, dass Jens Lubbadehs Romandebüt – wie alle gute Science-Fiction – ihre wahre Relevanz erst so langsam auszuspielen beginnt: siehe Elon Musks Pläne, unsere Hirne mit Computern zu vernetzen, aber auch die Rückkehr dieses Topos in zeitgenössische Serien- (Westworld) und Filmwelten (Ghost In The Shell). Das Packende an „Unsterblich“ war für mich gar nicht mal die Sprache oder Pageturner-Dramaturgie, sondern vor allem die Elaboriertheit von Lubbadehs „Unsterblichkeits“-Vision, die eben weniger in einem „bewussten“ Weiterleben Verstorbener besteht, sondern zunächst nur in einem virtuellen Abziehbild für die Hinterbliebenen. Diese Vorstellung einer komplett vernetzten „Blended Reality“ ist es, die die irgendwie gar nicht mehr so unrealistische Geschichte einer Co-Existenz von Mensch und „menschlichem Rückstand“ so einzigartig macht und von der ich mir wünsche, dass sie mit all ihren Konsequenzen eine Fortsetzung oder Ausarbeitung erfährt – zum Beispiel Rahmen einer Serie, die als Mischung aus Westworld und Blade Runner das Zeug dazu hätte, auch international für Furore zu sorgen.

Christian Endres empfiehlt:

„Das Gleismeer“ von China Miéville

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Die Fantasie und der Anspruch von China Miéville kennen keine Genre-Grenzen. Das und die außergewöhnliche Sprache machen die Werke der preisgekrönten Weird-Fiction-Ikone aus England so besonders. Sein fantastischer Roman „Das Gleismeer“ ist in vielerlei Hinsicht geradezu typisch für Miévilles Schaffen, zugleich aber auch besonders zugänglich und einsteigerfreundlich. Bei der höchst unterhaltsamen Jagd nach einem Mega-Maulwurf handelt es sich natürlich um eine ganz bewusste Verbeugung vor dem Klassiker „Moby Dick“. Es reicht jedoch, grob die Story des vielfach adaptierten Originals zu kennen, und nicht einmal das ist nötig. Denn in erster Linie ist „Das Gleismeer“ ein eigenständiges großes Abenteuer auf dem gefährlichen postapokalyptischen Gleisnetz einer entschleunigten Zukunft. Sympathische Figuren, eine spannende Geschichte, tolle Ideen, mächtige Züge, gewaltige Monster – was will man mehr? Liegt dieses Buch im Osternest, heißt es: Volle Fahrt voraus ins postapokalyptische Eisenbahnabenteuer!

Bernd Kronsbein empfiehlt:

„Redshirts“ von John Scalzi

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Jeder Star Trek-Zuschauer kennt sie, die Herren im roten Polyester, die Captain Kirk und Co. bei Planetenerkundungen begleiten und gerne über die Klinge springen, um für jedermann deutlich die Gefahr auf der unbekannten Welt zu signalisieren. Sie sind Statisten. Kanonenfutter. Redshirts. Keine Frage, in deren Hemd möchte man nicht stecken. So geht es auch Fähnrich Andy Dahl, als ihm die seltsame statistische Häufung an Bord der Intrepid auffällt. Der rote Stoff, der ihn kleidet, ist lebensgefährlich. Aber warum? Dem geht der Science-Fiction-Bestseller-Autor John Scalzi in „Redshirts“ auf den Grund, einem wunderbar amüsanten Roman, der die Namenlosen mit der hohen Sterblichkeitsrate ins Zentrum rückt und zu echten Personen macht, die durchaus am Leben hängen. Und die bereit sind, dem unvermeidlichen „Schicksal“ ein Schnippchen zu schlagen. Wie das passiert, das ist nicht nur für Star Trek-Fans ein sagenhaftes Vergnügen.

Sascha Mamczak empfiehlt:

„Water“ von Paolo Bacigalupi

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Quizfrage: Wenn irgendwann einmal die Geschichte des frühen 21. Jahrhunderts geschrieben wird, welche politische Organisation werden künftige Historiker als die damals gefährlichste bezeichnen? Gute Chancen hat natürlich der sogenannte „Sogenannte Islamische Staat“. Oder die Geheimdienst-Kamarilla, die gerade im Kreml das Sagen hat. Ich tippe allerdings auf die republikanische Partei der USA. Denn hier haben wir eine Quasi-Sekte mit globalem Einfluss, die sich weder um den Globus noch um naturwissenschaftliche Tatsachen schert. Wobei die Republikaner die Tatsachen des Klimawandels nicht ernsthaft in Abrede stellen – das wäre ja auch albern –, sondern sie einfach nicht beachten. Weil sie nicht dem amerikanischen way of life entsprechen … Was aus diesem way of life wird, wenn sich die naturwissenschaftlichen Tatsachen dennoch bemerkbar machen (und das werden sie), davon erzählt Paolo Bacigalupi in seinem Nahzukunftsthriller „Water“. Ein rundum furioses Buch. Lesen Sie es, solange die Vorräte noch reichen.

Sebastian Pirling empfiehlt:

„Die Hyperion-Gesänge“ von Dan Simmons

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Eine Zivilisation, die sich über unzählige Sternsysteme ausgebreitet hat? Check. Interstellare Kommunikations -Technologie, die vom Alltag der Menschen schon nicht mehr zu unterscheiden ist? Check. Diverse Mönchsorden, die in einem schillernden Universum für das Gute (oder das Böse) kämpfen? Check. Der wohl knalligste Anfangssatz der Science-Fiction-Literatur? Check! Was Dan Simmons in seinem gefeierten Science-Fiction-Epos „Die Hyperion-Gesänge“ – bestehend aus den Romanen „Hyperion“ und „Der Sturz von Hyperion“ – an erzählerischer Wucht auffährt, kann es an Epik mühelos mit Star Wars aufnehmen. Wenn er allerdings aus diesem Potpourri von Genreversatzstücken eine kleine Gruppe von Pilgern als Hauptfiguren herausschält und sie auf die Reise an die Grenzen der bewohnten Galaxie und vor allem zu sich selbst schickt, wenn er das Jahrhunderte alte Vorbild von Chaucers „Canterbury-Erzählungen“ in die Zukunft katapultiert, um dort die Frage nach dem Sinn von Leben und Tod zu stellen – dann übertrifft Simmons vielleicht sogar George Lucas’ mythische Visionen.

Alexander Schlicker empfiehlt:

„Der ewige Krieg“ von Joe Haldeman

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Klassiker gibt es viele. Darüber hinaus gleich in mehrfacher Hinsicht als zeitlos gelten zu dürfen, ist aber nur wenigen Romanen vergönnt. Einer davon ist zweifelsohne Joe Haldemans vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Krieg, die auf seine eigenen traumatischen Erlebnisse in Vietnam zurückgeht, ohne sich allerdings darin zu erschöpfen. Reduziert man „Der ewige Krieg“ nämlich auf einen Skandalroman aus den 1970er-Jahren, in dem es um Manipulation, Krieg, Sex, Drogen und den (Alp-)Traum des Zeitreisens geht, vernachlässigt man Haldemans erzählerische Leistung, mit dem unheroischen Soldaten William Mandella eine Figur geschaffen zu haben, die – lange vor Hollywood – in den Wirren eines sinnlosen Krieges Tragik und Leid eines aus den Händen gleitenden Lebens ungeahnt scharf seziert. Schon aufgrund seiner Lakonie ist „Der ewige Krieg“ daher ein grandioses Leseerlebnis und verwebt das Wesen des Krieges als Konstante menschlicher Kultur in eine erschreckend packende Handlung, wie sie für eine kritische Science-Fiction kaum wegweisender hätte ausfallen können. Ein Meisterwerk also, das auch in Zukunft nie unterschätzt werden darf.

Kommentare

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