15. Mai 2017 2 Likes 1

Mehr Kohle für die Feuerwehr!

In unserer Welt verdienen Fußballer mehr als Lebensretter – das muss sich ändern

Lesezeit: 4 min.

Man möchte meinen, offene Gesellschaften hätten gegenüber Diktaturen, in denen alle wenig und nur wenige viel verdienen, den Vorteil einer gerechteren und logischeren Einkommensverteilung. Weit gefehlt, wie der Blick auf deutsche Gehälter nach Branchen und Durchschnittswerten zeigt.

Wer in einer Bank arbeitet, bekommt mit durchschnittlich EUR 4.188,- Monatslohn weit mehr als jene, die materielle Rohstoffe bereitstellen (Bergbauarbeiter EUR 2.634,-), unsere geistigen Ressourcen fördern (EUR 3.521,- im Bildungsbereich) oder lebenswichtige Nahrungsmittel erzeugen (EUR 3.091,-). Jemand, der als Consulter bzw. Berater tätig ist und nichts selbst herstellt, verdient mit durchschnittlich EUR 3.932,- mehr als die meisten Handwerker (EUR 2.409,-) oder Menschen im Gesundheitswesen (EUR 2.741,-), ganz zu schweigen von Mitarbeitern sozialer Einrichtungen (EUR 2.425,-).

Schon hier zeigt sich eine Diskrepanz zwischen jenen, die täglich lebenswichtige Dienstleistungen durchführen und dafür wenig Kohle kriegen, und anderen, die relativ einfache, gefahrlose Arbeit an der Spitze der Maslow’schen Bedürfnispyramide verrichten. Aber während Banker und Berater immerhin noch prinzipiell mit Themen zu tun haben, die zum Gelingen einer Gesellschaft wichtig sind (Geldverkehr, wirtschaftliche Entscheidungen), finden wir echte Spitzenverdiener in Branchen, deren Fehlen keine einzige Säule der Demokratie zum Einsturz brächte:

Im Sport erreichen etwa Segler ein monatliche Bruttoeinkommen von EUR 4.561,-; Sieger des Golf Masters erhalten einmalig 1,1 Millionen Euro; der beste Tischtennisspieler der Welt verdient laut Handelsblatt EUR 800.000,- jährlich, deutsche Eisschnellläufer kommen auf bis zu 1,2 Millionen, Boxer und Schwimmer auf gar 1,5 Millionen. Und der Fußballer Miroslav Klose durfte sich 2010 über 4 Millionen Euro freuen. Olympiasieger verdienen durchschnittlich EUR 5.000,- mehr als Athleten, die „nur“ den Titel Deutscher Meister tragen. Hier muss man fairerweise auch auf die gewaltigen Unterschiede innerhalb des Sports hinweisen: Bogenschützen etwa kommen auf nur EUR 447,- monatlich, und selbst der Sieger der Skisprung-Vierschanzentournee erhält als Preisgeld lediglich EUR 16.600,-. Was aber immer noch fast so viel ist, wie ein Bäcker im ganzen Jahr verdient – obwohl der uns mit lebenswichtigen Grundnahrungsmitteln versorgt.

Noch absurder sind die Gehälter bei Schauspielern, die nun wirklich keine für das Überleben der Gesellschaft notwendigen Güter erzeugen. Hier zeigen Einkommensvergleiche in der deutschen Filmbranche Tagesgagen von bis zu EUR 15.000,-; was immer noch Pipifax ist in Relation zu den Millionen-Gagen einiger Hollywood-Stars. Freilich steht hier nur die Spitze des Eisbergs im Licht der Öffentlichkeit, und man übersieht die vielen, vielen eher unbekannten Darsteller und Athleten, die noch keine prestigeträchtigen Preise oder lukrativen Werbeverträge ergattern konnten: Sie müssen meist Sozialleistungen beantragen oder von Nebenjobs überleben.

Stellen wir uns also mal für einen Moment vor, jede und jeder würde nach der Wichtigkeit ihrer/seiner Arbeit für das Überleben der Mitmenschen bezahlt. Dann könnte der faire Verdienst in Zukunft etwa nach folgendem – freilich noch etwas willkürlichem – Schlüssel berechnet werden:
 

Anzahl der Menschen, die direkt von Hunger oder Leid betroffen sind, wenn du deinen Job nicht machst“ mal „Ausbildungs-/Erfahrungsfaktor“ mal „Eigenrisikofaktor bei Ausübung deines Berufs“ mal „Anzahl deiner aktuellen jährlichen Einsätze oder Produktarten

geteilt durch

Solidarbeitrag für Mitbürger, die lebenswichtige Jobs nicht ausüben wollen/können

 
Damit erhalten Lebensretter wie zum Beispiel ein Feuerwehrmann nicht mehr EUR 1.900,- brutto im Monat, sondern sagen wir: („1000“ mal „8“ mal „5“ mal „20“) durch „100“ = EUR 8.000,-.

Jemand, der im Chemie/Pharmabereich derzeit ein lebenswichtiges Medikament herstellt und dafür EUR 4.097,- bekommt, erhielte nach dem neuen Schema beispielsweise („5.000“ mal „5“ mal „1“ mal „25“) durch „100“ = EUR 6.250,-.

Ein Müllmann oder Kanalarbeiter erhielte („1000“ mal „2“ mal „1“ mal „340“) durch „100“ = EUR 6.800,-, eine mit chemischen Mitteln arbeitende Reinigungskraft in einem Großunternehmen („200“ mal „2“ mal „1,5“ mal „340“) durch „100“ = EUR 2.040,-. Und so weiter.

Jemand, der stattdessen lieber anderer Leute Texte vor der Kamera spricht, irgendein Ding möglichst weit schießen kann oder ausschließlich Kolumnen für diezukunft.de schreibt, erhält – nachdem seine Arbeit immerhin für seine vierköpfige Familie lebenswichtig ist – ein Beispielsgehalt von („4“ mal „3“ mal „1“ mal „30“) plus Solidaritätszuschlag „1.200“ = EUR 1.560,-.

So unausgegoren dieses Lohnschema noch ist, eins wird interessanterweise deutlich: Bei dem „Solidaritätszuschlag“ handelt es sich um das vielbeschriebene bedingungslose Grundeinkommen. Denn was tun wir in Zukunft mit den vielen Menschen, die aufgrund zunehmender Digitalisierung und Robotik keinen Job mehr finden? Jemand, der sich dann überhaupt gegen einen Job entscheidet, erhielte nach demselben Schlüssel („1“ mal „1“ mal „1“ mal „1“) + „1.200“ = EUR 1.200,- Grundeinkommen für sein Überleben, bei Wegfall aller sonstigen Unterstützungszahlungen. Wer dennoch arbeiten will, erhält durch seine Berechnungsfaktoren stets mehr als das.

Ob ein solches – oder anderes – Berechnungsmodell zukünftig zum Einsatz kommen wird, wird zu einem Gutteil davon abhängen, wie sehr wir uns über die Bedeutung bestimmter Berufsgruppen für das fragile Netzwerk klar werden, in dem wir alle leben. Und wie stark sich diese Gruppen mit Gehaltsvergleichen beschäftigen …
 

Uwe Neuhold ist Autor, bildender Künstler, Medien- und Museumsgestalter mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichen Themen. Alle Kolumnen von Uwe Neuhold finden Sie hier.

Kommentare

Bild des Benutzers Hans Schilling

Ist theoretische Physik lebenswichtig? Nein. Ist sie für das zukünftige Leben wichtig? Ja. Bei allen Berechnungsmodellen wird es immer ein Ungleichgewicht geben. Fazit: Schaffen wir das Geld ab!Niemand muss mehr arbeiten um Geld zu haben, da alles nichts mehr kostet. Schon in "Star Trek IV Zurück in die Gegenwart" sagt Kirk, dass es kein Geld mehr in der Zukunft gibt. Wie reich muss eine Gesellschaft sein die es schafft das Geld abzuschaffen.

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